Geschäftsnummer: BES.2019.152 (AG.2020.257)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 20.03.2020 
Erstpublikationsdatum: 12.05.2020
Aktualisierungsdatum: 09.06.2021
Titel: Befehl für erkennungsdienstliche Erfassung (Art. 260 StPO) und nicht-invasive Probenahme (Art. 255 StPO) sowie Verfügung DNA-Analyse (Art. 255 StPO) (BGer 1B_286/2020 und 1B_294/2020 vom 22. April 2021)
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht

 

 

BES.2019.152

 

ENTSCHEID

 

vom 20. März 2020

 

 

Mitwirkende

 

lic. iur. Gabriella Matefi

und Gerichtsschreiber Dr. Beat Jucker

 

 

 

Beteiligte

 

A____, geb. [...]                                                             Beschwerdeführer

[...]                                                                                         Beschuldigter

vertreten durch B____, Advokat,

[...]

 

gegen

 

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt                             Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel

 

 

Gegenstand

 

Beschwerde gegen zwei Verfügungen der Staatsanwaltschaft

vom 8. und 9. Juli 2019

 

betreffend Befehl für erkennungsdienstliche Erfassung (Art. 260 StPO) und nicht-invasive Probenahme (Art. 255 StPO) sowie Verfügung DNA-Analyse (Art. 255 StPO)

 


Sachverhalt

 

Die Staatsanwaltschaft führt gegen A____ (Beschwerdeführer) eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Nötigung, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Hinderung einer Amtshandlung und Diensterschwerung. Am 8. Juli 2019 erliess sie in diesem Zusammenhang einen «Befehl für Erkennungsdienstliche Erfassung (Art. 260 StPO) und nicht-invasive Probenahme (Art. 255 StPO)». Am Tag darauf ordnete sie zudem die Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 255 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) an.

 

Gegen diese Anordnungen richtet sich die vorliegend zu beurteilende Beschwerde vom 16. Juli 2019, mit der beantragt wird, die beiden zur Diskussion stehenden Verfügungen kostenfällig aufzuheben. Eventualiter wird darum ersucht, im Falle einer Abweisung der Beschwerde gegen die erkennungsdienstliche Behandlung, zumindest die Verfügung bezüglich Analyse der DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils aufzuheben. Darüber hinaus sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 23. Juli 2019 die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Hierzu hat der Beschwerdeführer, mittlerweile vertreten durch B____, am 13. Dezember 2019 repliziert. Da die Staatsanwaltschaft bezüglich des identischen Ereignisses dutzende beinahe gleichlautende Verfügungen (gegen welche allesamt Beschwerde erhoben worden ist) erliess, hat die Verfahrensleiterin mit Verfügung vom 29. Oktober 2019 antragsgemäss «lediglich» drei Fälle (BES.2019.150, 152, 161) im Sinne von «Pilot-Fällen» weitergeführt und die restlichen Beschwerdeverfahren bis zur Rechtskraft dieser Entscheide sistiert (vorbehältlich eines begründeten Antrags auf Weiterführung).

 

Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten (einschliesslich der von der Staatsanwaltschaft eingereichten Verfahrensakten) ergangen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich – soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind – aus den nachfolgenden Erwägungen.

 

 

Erwägungen

 

1.

1.1     Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO unterliegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft der Beschwerde an die Beschwerdeinstanz. Der Beschwerdeführer ist durch die angeordneten bzw. bereits vorgenommenen Zwangsmassnahmen unmittelbar berührt und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an ihrer Aufhebung bzw. Änderung, womit die Beschwerdelegitimation gegeben ist (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde ist nach Art. 396 StPO form- und fristgemäss eingereicht worden, sodass darauf einzutreten ist. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§§ 88 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und daher nicht auf Willkür beschränkt (Art. 393 Abs. 2 StPO).

 

1.2     Bezüglich des Antrags, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist festzuhalten, dass die Verfahrensleitung die Frage der aufschiebenden Wirkung nur dann entscheiden muss, wenn sie dieselbe erteilt. Ansonsten wird Letztere konkludent verweigert (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 496).

 

2.

2.1     Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung nach Art. 260 Abs. 1 StPO, welche der Abklärung des Sachverhalts, insbesondere der Feststellung der Identität einer Person, dient, werden die Körpermerkmale einer Person festgestellt und Abdrücke von Körperteilen genommen. Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO ermächtigt zur Entnahme einer DNA-Probe der beschuldigten Person und zur Erstellung eines DNA-Profils zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, wobei nach Abs. 2 die Polizei die nicht-invasive Probenahme anordnen kann. Die Anordnung der Auswertung (DNA-Profil) muss durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erfolgen (BGE 141 IV 87 E. 1.3.2). Erkennungsdienstliche Massnahmen und die Aufbewahrung der Daten können das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV, SR 101]) und auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK, SR 0.101]) berühren (BGE 136 I 87 E. 5.1 S. 101, 128 II 259 E. 3.2 S. 268). Dabei ist von einem leichten Grundrechtseingriff auszugehen, der sich unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV als zulässig erweist (BGE 144 IV 127 E. 2.1 S. 133, 134 III 241 E. 5.4.3 S. 247).

 

2.2     Die erkennungsdienstliche Erfassung, die Entnahme eines Wangenschleimhautabstrichs (WSA) bzw. die Abnahme des WSA zwecks Erstellung eines DNA-Profils stellen Zwangsmassnahmen dar. Solche können gemäss Art. 197 Abs. 1 StPO nur dann ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). Soweit diese Massnahmen nicht der Aufklärung der Straftaten eines laufenden Strafverfahrens dienen, sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – auch künftige – Delikte verwickelt sein könnte. Dabei muss es sich um Delikte von einer gewissen Schwere handeln. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die beschuldigte Person vorbestraft ist. Trifft dies nicht zu, schliesst das die Erstellung eines DNA-Profils nicht aus, sondern es fliesst als eines von vielen Kriterien in die Gesamtabwägung ein und ist entsprechend zu gewichten (BGE 141 IV 87 E. 1.3 und 1.4 S. 90 ff.; BGer 1B_17/2019 vom 24. April 2019 E. 3.4, 1B_185/2017 vom 21. August 2017 E. 3).

 

3.

3.1     Anlässlich der Klima-Aktionstage («Collective Climate Justice»-Tage) des vergangenen Sommers umstellten am 8. Juli 2019 kurz nach 06.00 Uhr morgens, diverse Personen die [...]-Gebäude [...]. Sie brachten rund um die Liegenschaften mit Kohlestücken Parolen an, klebten Überwachungskameras ab und blockierten – teilweise mit Holzbarrikaden und Kohlehaufen – die Eingänge. Nachdem [...] Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung gestellt hatte, mahnte die Kantonspolizei die Aktivisten zwischen 14.00 Uhr und 14.05 Uhr ab. Es wurde ihnen Zeit gegeben, sich bis um 14.15 Uhr von der Örtlichkeit zu entfernen. Nach dieser Abmahnung verliessen mehrere Beteiligte das Areal. Diese Personen wurden durch die Polizei nicht kontrolliert und dementsprechend wurde auch kein Verfahren gegen sie eröffnet.

 

3.2     Um 14.15 Uhr wurden die auf dem Privatareal der [...] verbliebenen Aktivisten durch die Polizei «eingekesselt». Sie erhielten die Möglichkeit, sich kontrollieren zu lassen, ihre Personalien anzugeben und anschliessend die Örtlichkeit zu verlassen. Von dieser Möglichkeit machten diverse Personen Gebrauch. Nichtsdestotrotz verblieben einige Aktivisten an Ort und Stelle und veranstalteten weiterhin eine Sitzblockade (der Beschwerdeführer hatte sich mit drei weiteren Personen in einem weissen Zelt an einem teilweise mit Beton gefüllten Fass festgekettet und so die Zufahrt zur Tiefgarage blockiert). Diesen Personen wurde in der Folge mitgeteilt, dass sie sich nunmehr auch wegen «Diensterschwerung» und allenfalls «Hinderung einer Amtshandlung» schuldig machen würden. Da sie sich nicht entfernten, wurden sie durch die Polizei weggetragen und in der Folge vorläufig inhaftiert (mit Ausnahme der jugendlichen Aktivisten). Der Beschwerdeführer wurde von seiner Fesselung «befreit», um 16.15 Uhr vorläufig festgenommen und anschliessend in die «zentrale Gefangenensammelstelle (GESA) Waaghof» verbracht, wo er sich (weiterhin) weigerte, seine Personalien bekannt zu geben. Zudem hatte er seine Fingerkuppen mit Leim verklebt, womit er seine daktyloskopische Erfassung erschwerte.

 

3.3     Die Teilnahme des Beschwerdeführers am zur Diskussion stehenden Aktionstag bzw. seine Anwesenheit bei den [...]-Gebäuden ist aufgrund seiner «in flagranti-Anhaltung» erstellt. Da A____ trotz Aufforderung, die Örtlichkeit zu verlassen, an einem Fass angekettet auf dem Privatareal der [...] verblieb, sich weigerte, seine Personalien bekannt zu geben, seine Fingerkuppen mit Leim verklebt hatte und offenbar diverse [...]-Mitarbeiter aufgrund der Aktion das Gebäude nicht betreten konnten bzw. ihre Arbeit später aufnehmen mussten, bestand bzw. besteht ein dringender Tatverdacht bezüglich Hausfriedensbruch, Diensterschwerung, Hinderung einer Amtshandlung und (mittäterschaftlich begangener) Nötigung.

 

3.4

3.4.1  Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 144 Abs. 1 des Strafgesetzbuches [StGB, SR 311.0]). Auch die nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Ansehnlichkeit einer Sache fällt unter den Begriff des «Beschädigens». Dies kann vor allem dadurch geschehen, dass ein Objekt beschmutzt bzw. mit Farbe verschmiert wird oder dass an einer Fassade Sprayereien angebracht werden. Diese weite Auslegung entspricht dem Zweck der Bestimmung, nach welchem jede Zustandsveränderung als Sachbeschädigung einzustufen ist, sofern sie den Berechtigten in schützenswerten Interessen beeinträchtigt und nicht ohne nennenswerten Aufwand wieder rückgängig gemacht werden kann (BGE 120 IV 319 E. 2 S. 321 ff.; Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Auflage, Zürich 2013, S. 206 f.; Trechsel/Crameri, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 144 N 4).

 

3.4.2  Das Schadensbild, welches sich der Polizei am 8. Juli 2019 präsentierte, ist in den Akten detailliert dokumentiert. Gemäss einer Aktennotiz vom 9. Juli 2019 konnte die Polizei beim Sicherheitsdienst der [...] in Erfahrung bringen, dass sich die Sachschadenhöhe auf über CHF 10'000.– belaufe. Die Sachbeschädigungen manifestierten sich in Form von Kohlehaufen, welche am Boden aufgehäuft worden seien, Kritzeleien mit Kohle an der Gebäudefassade, einer beschädigten Überwachungskamera (mehrere andere seien abgeklebt worden) und viel Holz- und Grünabfall mittels welchem die Zugangstüren zum Gebäude versperrt worden seien und welcher entsorgt werden müsse. Aus der sich in den Akten befindlichen Offerte [...] (bezüglich Reinigung bzw. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands) in Höhe von rund CHF 80'000.– ergibt sich, dass die durch die Aktivisten herbeigeführten Zustandsveränderungen nicht ohne nennenswerten Aufwand wieder rückgängig gemacht werden konnten bzw. [...] in ihren schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt wurde. Es besteht damit weiterhin – wie bereits am 8. bzw. 9. Juli 2019 – ein hinreichender Tatverdacht bezüglich (mittäterschaftlich begangener) qualifizierter Sachbeschädigung (Art. 144 Ziff. 3 StGB; als grosser Schaden gilt praxisgemäss ein solcher in Höhe von CHF 10'000.– [BGE 136 IV 117 E. 4.3.1 S. 118 f.]). Da die Sachbeschädigungen aus einer Ansammlung von mehreren Personen heraus geschahen, durfte die Untersuchungsbehörde auch das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts hinsichtlich Landfriedensbruch (Art. 260 StGB) mit vertretbaren Gründen bejahen.

 

4.

4.1    

4.1.1  Die erkennungsdienstliche Erfassung ist gemäss Art. 260 Abs. 3 Satz 1 StPO – anders als die Entnahme eines WSA (BES.2017.162 vom 31. Juli 2018 E. 2.2 mit Hinweis auf BGer 1B_324/2013 vom 24. Januar 2014) – schriftlich anzuordnen und kurz zu begründen. An die Begründungsdichte dürfen jedoch keine übermässigen Anforderungen gestellt werden, was bereits durch die Formulierung von Art. 260 Abs. 3 Satz 1 StPO zum Ausdruck kommt, worin lediglich eine kurze Begründung gefordert wird. Wie umfassend sie sein muss, kann nicht mit einer allgemein gültigen Formel umschrieben werden, sondern richtet sich nach der konkreten Fallkonstellation (vgl. dazu AGE BES.2018.148 vom 12. Februar 2019 E. 2.2, BES.2017.136 vom 19. Dezember 2017 E. 2.3.1; Schmid/Jositsch, Praxiskommentar StPO, 3. Auflage 2018, Art. 80 N 4, 6, Art. 199 N 2, Art. 241 N 4, Art. 260 N 10; Weber, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 199 StPO N 6).

 

4.1.2  Die Begründung des Befehls ist zwar knapp ausgefallen, erscheint aber ausreichend. Es werden der Name des Beschwerdeführers und dessen vorläufige Festnahme genannt. Weiter werden die – zum damaligen Stand der Ermittlungen bekannten – Tatbestände der Nötigung, des Landfriedensbruchs, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung sowie die vorzunehmenden Massnahmen (erkennungsdienstliche Erfassung und Abnahme Wangenschleimhautabstrich) angeführt. Zu beachten ist auch, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 9. Juli 2019 umfassend mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert wurde, wobei unter anderem das Datum und die Uhrzeit der entsprechenden Vorhalte genannt wurden. In diesem Gesamtkontext erweist sich die summarische Begründung des schriftlichen Befehls entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 2) als ausreichend (vgl. dazu AGE BES.2019.82 vom 30. Juli 2019 E. 3.2, BES.2018.206 vom 5. Juni 2019 E. 3.4).

 

4.2

4.2.1  Inwiefern die Ausstellung und Datierung des Befehls bereits am 8. Juli 2019 eine Falschbeurkundung darstellen soll (Replik S. 6), ist nicht erkennbar. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, war die erkennungsdienstliche Behandlung aufgrund der gesamten Umstände gerechtfertigt und fiel der Entscheid dazu offenbar (bereits) am Tag der Geschehnisse.

 

4.2.2  Aufgrund des handschriftlichen Aushändigungsvermerks trifft es zwar zu, dass der Befehl vom 8. Juli 2019 dem Beschwerdeführer am 10. Juli 2019 und demnach erst nach offenbar bereits erfolgter erkennungsdienstlicher Behandlung vom 9. Juli 2019 ausgehändigt worden ist. Indes durfte die zur Diskussion stehende Massnahme zufolge Dringlichkeit zunächst mündlich angeordnet werden: Der Beschwerdeführer wurde am 8. Juli 2019, um 16.18 Uhr, vorläufig festgenommen und um 18.05 Uhr – mit zahlreichen weiteren beschuldigten Personen – für weitere Abklärungen in die «zentrale Gefangenensammelstelle (GESA) Waaghof» verbracht. Es hätte zuletzt den Interessen des Beschwerdeführers gedient, seiner erkennungsdienstlichen Erfassung keine Dringlichkeit zuzumessen und auf das Vorliegen eines schriftlichen Befehls zu warten, zumal es sich aufgrund der Vielzahl der zu behandelnden Personen um eine spezielle Situation handelte, in welcher innert kurzer Zeit diverse Verfügungen ausgefertigt werden mussten. Zudem befand sich die Polizei insofern in einem Zeitdruck, als der vorläufig festgenommene Beschwerdeführer – sollte keine Untersuchungshaft beantragt werden – innert 48 Stunden wieder auf freien Fuss gesetzt werden musste (Art. 224 Abs. 2 StPO) und vor der Haftentlassung seine Identität zu verifizieren war. Die zeitnahe Abnahme des WSA konnte im Übrigen auch verhindern, dass der Beschwerdeführer nicht noch allenfalls im Nachhinein aufgeboten werden musste.

 

4.2.3  Inwiefern die Unterzeichnung der Verfügung vom 8. Juli 2019 durch den der Kriminalpolizei angehörenden Kriminalkommissär C____ bundesrechtswidrig sein soll (Beschwerde S. 5), erschliesst sich nicht, zumal die Kriminalpolizei in der Stadt Basel der Staatsanwaltschaft angegliedert ist. Insofern sind die Anforderungen von Art. 260 Abs. 4 StPO eingehalten.

 

4.3    

4.3.1  Die Anwesenheit des Beschwerdeführers bei den [...]-Gebäuden ist – wie bereits erwähnt (vgl. E. 3.3) – aufgrund seiner «in flagranti-Anhaltung» erstellt. Es galt, sich am 8. Juli 2019 zunächst einen Überblick über die aufgrund der Vielzahl der Aktivisten unübersichtliche Situation bzw. die begangenen Delikte zu verschaffen und das vorhandene Bild- und Videomaterial mit den angehaltenen Personen grob abzugleichen, zumal sich die Strafverfolgungsbehörden immer wieder damit konfrontiert sehen, dass beschuldigte Personen noch in Haft oder nach der Entlassung ihr Aussehen verändern (Haare schneiden oder färben) und deshalb zu Ermittlungszwecken Fotos nötig sind, welche das Äussere zum Zeitpunkt der Festnahme dokumentieren. Da zwischen dem Tatbestand des Landfriedensbruchs und demjenigen der Sachbeschädigung nach herrschender Lehre und Praxis Idealkonkurrenz besteht (BGE 117 Ia 135 E. 2b S. 138 f.; Trechsel/Vest, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 260 N 10; Donatsch/Thommen/Wohlers, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 5. Auflage, Zürich 2017, S. 197; vgl. auch Fiolka, in: Basler Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 260 StGB N 45), diente das vom Beschwerdeführer beanstandete Vorgehen – unabhängig von der Frage der Mittäterschaft – auch der Eruierung allfälliger individueller Tatbeiträge. Auch wenn der Beschwerdeführer offenbar bereits beim Eintreffen der Polizei an einem teilweise mit Beton gefüllten Fass angekettet war, bestand bzw. besteht ein erhebliches Ermittlungsinteresse daran, mit Hilfe der vorhandenen Videoaufzeichnungen abzuklären, ob der Beschwerdeführer allenfalls beim Betreten der Örtlichkeiten individuell verfolgbare Delikte beging.

 

4.3.2  Darüber hinaus weigerte sich der Beschwerdeführer zunächst, seine Personalien bekannt zu geben und trug offenbar auch keinen Personalausweis bzw. keinen Reisepass auf sich, sodass seine Identität in der Folge auch nicht verifiziert werden konnte. Insofern diente der Befehl zur erkennungsdienstlichen Erfassung vom 8. Juli 2019 auch dazu, seine Identität verlässlich festzustellen (vgl. dazu auch § 39 Abs. 2 Ziff. 1 des Polizeigesetzes [SG 510.100]).

 

4.4     Die Polizei hat zunächst ausschliesslich jene 37 Teilnehmenden erkennungsdienstlich behandelt, die nach zweimaliger Aufforderung das Privatgelände der [...] nicht verliessen. Unter diesen Umständen durfte die Polizei davon ausgehen, dass es sich bei denjenigen, die die Örtlichkeit nicht verlassen wollten, um einen «renitenten Kern» handelt und ist bei der gewählten Vorgehensweise eine Differenzierung erkennbar. Bei der Würdigung der Verhältnismässigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass die Aktion um 06.00 Uhr morgens begonnen hatte und die [...] erst um die Mittagszeit Strafantrag stellte. Die Polizei duldete die Aktion in der Folge noch bis 14.00 Uhr. Erst dann wurden die Teilnehmenden aufgefordert, das Gelände der [...] zu verlassen. Die von den Teilnehmenden erwünschte Signalwirkung der Aktion konnte somit über eine längere Zeitdauer in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

 

4.5

4.5.1  Insgesamt erscheint die erkennungsdienstliche Erfassung als verhältnismässig, stehen doch mehrere Delikte – bezüglich der Sachbeschädigung sogar die Qualifikation als «grosser Schaden» im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB – ernsthaft zur Diskussion und handelt es sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung um einen leichten Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers. Darüber hinaus wurden die Massnahmen im engen zeitlichen Kontext mit den Ereignissen verfügt.

 

4.5.2  Daran ändert nichts, dass die Staatsanwaltschaft noch am 10. Juli 2019 einen Strafbefehl erliess und dem Beschwerdeführer offenbar bei seiner Haftentlassung aushändigte. Zwar ist kaum realistisch, dass die Staatsanwaltschaft innerhalb dieser kurzen Zeit das gesamte Bild- und Videomaterial exakt abgeglichen hat. Ein Strafbefehl ist indes als Angebot an die Parteien zur summarischen Verfahrenserledigung zu qualifizieren (Schmid/Jositsch, a.a.O., Vor Art. 352-357 N 1; Schwarzenegger, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 2. Auflage, Zürich 2014, Art. 352 N 1). Der Beschwerdeführer hat dieses nicht angenommen und gegen den entsprechenden Strafbefehl am 12. Juli 2019 Einsprache erhoben. Wird Einsprache erhoben, so nimmt die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 355 Abs. 1 StPO die weiteren Beweise ab, die zur Beurteilung der Einsprache erforderlich sind. Der Sinn dieser Bestimmung besteht darin, das vor Erlass des Strafbefehls zumeist nur lückenhaft durchgeführte Vorverfahren und vor allem die erforderlichen Beweisabnahmen nachzuholen (Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 355 N 1). Mit der Einsprache wird die Staatsanwaltschaft verpflichtet, das Vorverfahren zu vervollständigen, das heisst insbesondere die nötigen Beweise zu erheben und die beschuldigte Person einzuvernehmen (Schwarzenegger, a.a.O., Art. 355 N 1). Der Befehl vom 8. Juli 2019 diente damit neben der Klärung der Identität des Beschwerdeführers und der Verschaffung eines ersten Überblicks auch dazu, für das Einspracheverfahren vorsorglich Vorkehrungen zu treffen, zumal der Beschwerdeführer bereits einvernommen wurde und so verhindert werden konnte, dass A____ nochmals vorgeladen werden musste.

 

4.6     Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die erkennungsdienstliche Erfassung des Beschwerdeführers rechtmässig war.

 

5.

Das bezüglich der erkennungsdienstlichen Erfassung Referierte gilt an sich mutatis mutandis auch für die in der identischen Verfügung angeordnete Abnahme eines WSA. Da sich die Verfügung betreffend DNA-Analyse aber – wie nachfolgend zu zeigen sein wird (vgl. dazu E. 6) – als rechtswidrig erweist, ist die entnommene Probe gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz, SR 363) nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zu vernichten. Weitere diesbezügliche Ausführungen erübrigen sich daher.

 

6.

6.1    

6.1.1  Die Staatsanwaltschaft begründet die Analyse der DNA-Probe des Beschwerdeführers in ihrer Verfügung vom 9. Juli 2019 zunächst mit der Aufklärung der Anlasstat (DNA-Spurenträger in Form von Overalls, Atemmasken, Skibrillen etc.).

 

6.1.2  Wie bereits mehrfach erwähnt (vgl. E. 3.3, 4.3.1), ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers bei [...]-Gebäuden aufgrund seiner «in flagranti-Anhaltung» erstellt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern es einen Erkenntnisgewinn bedeutete, wenn auf den ausgewerteten Atemmasken eine DNA-Spur des Beschwerdeführers gefunden würde. Dass viele der Teilnehmenden identisch aussehende (weisse) Atemmasken trugen, ist fotografisch und per Video dokumentiert. Es kann hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung nicht von Interesse sein, ob und wenn ja welche Maske der Beschwerdeführer trug. Die Analyse der DNA des Beschwerdeführers hätte allenfalls dann der Sachverhaltsabklärung gedient, wenn beispielsweise auf beschädigten Gegenständen DNA hätte sichergestellt werden können und Letztere insofern der Zurechnung individueller Tatbeiträge gedient hätte. Dies ist – soweit ersichtlich – nicht der Fall. Folglich ist die Erstellung eines DNA-Profils des Beschwerdeführers für die Sachverhaltsabklärung nicht tauglich.

 

6.2     Dient die DNA-Analyse nicht der Aufklärung des rechtserheblichen Sachverhalts, erweist sich diese – wie bereits erwähnt (vgl. E. 2.2) – nur dann als verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer in andere – auch künftige – Delikte von einer gewissen Schwere verwickelt sein könnte. Dies ist vorliegend nicht der Fall: Der Beschwerdeführer ist weder vorbestraft noch ist er eigens für die Teilnahme an den zur Diskussion stehenden Ereignissen nach Basel gereist. Obwohl er sich auch nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizei nicht von den Örtlichkeiten bei der [...] entfernte, besteht in casu keine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit in ähnliche, noch nicht aufgeklärte Straftaten nicht unerheblicher Schwere verwickelt war bzw. solche Delikte auch in Zukunft verüben könnte. Die Verfügung betreffend DNA-Analyse erweist sich demgemäss als rechtswidrig.

 

7.

7.1     Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde betreffend die Erstellung eines DNA-Profils gutzuheissen (Verfügung vom 9. Juli 2019), bezüglich der erkennungsdienstliche Erfassung und Abnahme eines WSA (Verfügung vom 8. Juli 2019) hingegen abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer dessen ordentliche Kosten mit einer reduzierten Gebühr von CHF 200.– zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).

 

7.2     Zudem hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung. Da keine Honorarnote eingereicht worden ist, ist der Aufwand zu schätzen. B____ hat mit seiner Replik vom 13. Dezember 2019 eine Rechtsschrift (für die drei parallelen Verfahren) eingereicht. Mit der Korrespondenz bezüglich der Verfahrenskoordination fiel darüber hinaus weiterer nicht unerheblicher Aufwand an. Insgesamt ist ein reduzierter Aufwand von insgesamt sechs Stunden (zuzüglich einer pauschalen Spesenentschädigung von CHF 50.–) zu vergüten (hälftig aufgeteilt auf die Beschwerdeverfahren BES.2019.152 und BES.2019.161). Für den genauen Betrag wird auf das Dispositiv verwiesen.

 

 

Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):

 

://:       In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 9. Juli 2019 aufgehoben und dieselbe angewiesen, das DNA-Profil des Beschwerdeführers zu löschen. Bezüglich der Verfügung vom 8. Juli 2019 (erkennungsdienstliche Erfassung und Abnahme eines WSA) wird die Beschwerde abgewiesen.

 

           Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer reduzierten Gebühr von CHF 200.– (einschliesslich Auslagen).

 

           Dem Vertreter des Beschwerdeführers, B____, wird für das Beschwerdeverfahren ein Honorar von CHF 600.– und ein Auslagenersatz von CHF 25.–, zuzüglich 7,7% MWST von CHF 48.15, insgesamt CHF 673.15, aus der Gerichtskasse zugesprochen.

 

           Mitteilung an:

-        Beschwerdeführer

-        Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Präsidentin                                                                         Der Gerichtsschreiber

 

 

lic. iur. Gabriella Matefi                                                                          Dr. Beat Jucker

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.