Geschäftsnummer: VD.2022.269 (AG.2023.715)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 13.11.2023 
Erstpublikationsdatum: 20.01.2024
Aktualisierungsdatum: 31.01.2024
Titel: Verbot der gewerblichen Abgabe von mit Lachgas gefüllten Ballonen (Verfügungen vom 26. August 2021 und 19. November 2021) (Beschwerde beim Bundesgericht hängig)
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Dreiergericht

 

VD.2022.269

 

URTEIL

 

vom 13. November 2023

 

 

Mitwirkende

 

Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey,

Prof. Dr. Daniela Thurnherr Keller

und Gerichtsschreiberin MLaw Marion Wüthrich

 

 

 

Beteiligte

 

A____                                                                                       Rekurrentin

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

 

gegen

 

Kantonales Laboratorium

Kontrollstelle für Chemie und Biosicherheit

Kannenfeldstrasse 2, 4056 Basel

 

 

Gegenstand

 

Rekurs gegen einen Entscheid des Gesundheitsdepartements vom

31. August 2022

 

betreffend Verbot der gewerblichen Abgabe von mit Lachgas gefüllten

Ballonen (Verfügungen vom 26. August 2021 und 19. November 2021)

 


Sachverhalt

 

Unter Hinweis auf einen ihr zugestellten Polizeirapport untersagte das Kantonale Laboratorium mit Verfügung vom 26. August 2021 der durch die A____ (nachfolgend: Rekurrentin) betriebenen «B____» ab sofort, mit Helium oder Lachgas gefüllte Ballone gewerblich abzugeben (Dispositivziffer 1). Weiter seien bis zum 10. September 2021 Name und Anschrift des oder der Lieferanten der Druckflaschen mit Helium beziehungsweise Lachgas, die Anzahl vorhandener Druckflaschen in der «B____» sowie ein Vorschlag zur sachgemässen Entsorgung beziehungsweise Verwertung der noch vorhandenen Druckflaschen mitzuteilen (Dispositivziffer 2). Für die Durchführung der Kontrolle wurde eine Gebühr von CHF 290.– festgesetzt (Dispositivziffer 3). In ihrem am 9. September 2021 dagegen erhobenen und innert erstreckter Frist am 30. November 2021 begründeten Rekurs beantragte die Rekurrentin dem Gesundheitsdepartement Basel-Stadt die kosten- und entschädigungsfällige Aufhebung der Verfügung vom 26. August 2021.

 

Am 19. November 2021 führte das Kantonale Laboratorium in der «B____» eine Kontrolle durch. Mit der gleichentags ergangenen «Verfügung vor Ort» wurde der von der Rekurrentin betriebenen «B____» weiterhin untersagt, Lachgas zu Inhalationszwecken abzugeben (Dispositivziffer 1). Sodann wurden die in der «B____» vorhandenen Lachgasverpackungen mit sofortiger Wirkung beschlagnahmt (Dispositivziffer 2) und dies mit der Verpflichtung verbunden, dem Kantonalen Laboratorium bis zum 24. November 2021 einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die beschlagnahmte Ware vernichtet werden soll (Dispositivziffer 3). Für die Durchführung der Kontrolle wurde eine Gebühr von CHF 200.– erhoben (Dispositivziffer 4) und einem allfälligen Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen. Dagegen meldete die Rekurrentin am 24. November 2021 Rekurs an. Mit Eingabe vom 8. Dezember 2021 macht sie beim Gesundheitsdepartement die Nichtigkeit der Verfügung geltend und beantragt die vorsorgliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Das Gesundheitsdepartement schloss mit Zwischenverfügung vom 15. Dezember 2021 die Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung aus und wies den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Am 17. Januar 2022 begründete die Rekurrentin ihren Rekurs gegen die Verfügung vom 19. November 2021. Sie beantragte dem Gesundheitsdepartement, die angefochtene Verfügung kosten- und entschädigungsfällig aufzuheben.

 

Nach der mit Zwischenverfügung vom 17. März 2022 erfolgten Vereinigung der Rekursverfahren wies das Gesundheitsdepartement mit Entscheid vom 31. August 2022 die Rekurse gegen die beiden Verfügungen des Kantonalen Laboratoriums vom 24. August 2021 und 19. November 2021 kostenfällig ab. Den am 9. September 2022 angemeldeten und innert erstreckter Frist am 30. November 2022 begründeten Rekurs an den Regierungsrat des Kantons-Basel Stadt, mit dem die Rekurrentin die kostenfällige Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie die Zusprache einer Parteientschädigung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren beantragt, überwies der Regierungspräsident mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 dem Verwaltungsgericht zum Entscheid. Das Gesundheitsdepartement beantragte mit Vernehmlassung vom 24. Februar 2023 die kostenfällige Abweisung des Rekurses. Die Rekurrentin replizierte mit Eingabe vom 2. Mai 2023. Auf entsprechende Anträge der Staatsanwaltschaft hin wurde dieser mit Verfügungen des Verfahrensleiters vom 4. Juli 2023 beziehungsweise 14. Juli 2023 ein elektronischer Datenträger mit den Verfahrensakten zur Kenntnisnahme zugestellt sowie die Zustellung einer Kopie des vorliegenden Urteils in Aussicht gestellt. Die weiteren Tatsachen sowie die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den vorliegenden Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen. Das Urteil erging unter Beizug der Vorakten auf dem Zirkulationsweg.

 

 

Erwägungen

 

1.

1.1      Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung des vorliegenden Rekurses ergibt sich aus dem Überweisungsschreiben des Regierungspräsidenten vom 2. Dezember 2021 sowie aus § 42 des Organisationsgesetzes (OG, SG 153.100) und § 12 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG, SG 270.100). Zuständig zur Beurteilung des Rekurses ist das Dreiergericht (§ 92 Abs. 1 Ziff. 11 in Verbindung mit § 88 Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Die Rekurrentin ist als Adressatin des angefochtenen Entscheids von diesem unmittelbar berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Abänderung. Sie ist deshalb gemäss § 13 Abs. 1 VRPG zum Rekurs legitimiert. Auf den frist- und formgerecht erhobenen Rekurs ist somit einzutreten.

 

1.2

1.2.1   Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des VRPG. Die Kognition bestimmt sich nach der allgemeinen Vorschrift von § 8 VRPG. Demnach hat das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt, wesentliche Form- oder Verfahrensvorschriften verletzt, öffentliches Recht nicht oder nicht richtig angewendet oder von dem ihr zustehenden Ermessen einen unzulässigen Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht mangels einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift nicht befugt, über die Angemessenheit des angefochtenen Entscheids zu entscheiden.

 

1.2.2   Dabei gilt im verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahren das Rügeprinzip. Das Gericht prüft einen angefochtenen Entscheid gestützt auf die Begründungsobliegenheit gemäss § 16 Abs. 2 Satz 1 VRPG nicht von sich aus unter allen in Frage kommenden Aspekten, sondern untersucht nur die rechtzeitig vorgebrachten konkreten Beanstandungen. Die rekurrierende Partei hat ihren Standpunkt substantiiert vorzutragen und sich mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Wullschleger/Schröder, Praktische Fragen des Verwaltungsprozesses im Kanton Basel-Stadt, in: BJM 2005 S. 277 ff., 305; Stamm, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Buser [Hrsg.], Neues Handbuch des Staats- und Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, 2008, S. 477 ff., 504; VGE VD.2016.66 vom 20. Juni 2016 E. 1.3; zum Ganzen VGE VD.2019.239 vom 28. Januar 2020).

 

2.

2.1      Die Rekurrentin rügt in ihrer Rekursbegründung die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Wie das Gesundheitsdepartement anerkenne, habe sie vor Erlass der ersten Verfügung des Kantonalen Laboratoriums vom 26. August 2021 ihre Einwendungen nicht im Rahmen der ordentlichen Gehörsgewährung vorbringen können. Dies müsse sie nun kostenpflichtig auf dem Rekursweg geltend machen, wodurch ihre Rechtsstellung eine spürbare Schlechterstellung erfahre (Rekursbegründung Rz. 20). Sodann werde bestritten, dass die Verfügungsadressatin mündlich über den Inhalt der zweiten Verfügung des Kantonalen Laboratoriums vom 19. November 2021 informiert worden sei und es sei ihr nicht die Möglichkeit gewährt worden sich zum Verfügungsinhalt zu äussern oder an der Beweiserhebung mitzuwirken (Rekursbegründung Rz. 21).

 

2.2      Das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV, SR 101) ist das zentrale Mitwirkungsrecht der Parteien im Verwaltungsverfahren. Es dient einerseits der Sachaufklärung und stellt andererseits zugleich ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Parteien dar (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Auflage, Zürich 2020, N 1001, mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht auf vorgängige Orientierung (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Auflage, Zürich 2013, N 214). Die Parteien haben damit das Recht, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden. Wie weit dieses Recht geht, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Würdigung der konkreten Umstände beurteilen. Entscheidend ist, ob der Betroffenen ermöglicht worden ist, ihren Standpunkt wirksam zur Geltung zu bringen (BGE 144 I 11 E. 5.3).

 

Der Gehörsanspruch ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit der Beschwerde grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGer 5A_256/2017 vom 9. Oktober 2017 E. 4.1, mit Hinweis auf BGE 142 II 218 E. 2.8.1). Vorbehalten bleiben praxisgemäss Fälle, in denen die Verletzung des Rechts auf Stellungnahme nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Rechtsmittel-instanz äussern kann, welche sowohl die Tat- als auch Rechtsfragen uneingeschränkt überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz – im Sinne einer Heilung des Mangels – selbst bei einer schwer wiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGer 5A_18/2015 vom 10. August 2015 E. 3.2, mit weiteren Hinweisen; VGE VD.2017.243 vom 30. Oktober 2018 E. 2.3).

 

2.3      Den Akten zufolge hatte die Rekurrentin vor Erlass der Verfügung vom 26. August 2021 keine Gelegenheit erhalten, sich zur Sache zu äussern. Damit wurde, wie auch die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid anerkannte, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (angefochtener Entscheid Rz. 24). Die Rekurrentin konnte sich aber bereits zweimal – zunächst im vorinstanzlichen Rekursverfahren vor dem für den Vollzug der eidgenössischen Chemikaliengesetzgebung zuständigen Gesundheitsdepartement (§ 2 der Verordnung über Chemikalien [Chemikalienverordnung, SG 340.800]) und erneut im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren – vor einer Rechtsmittelinstanz äussern, welche sowohl hinsichtlich Sachverhaltsfeststellung und Rechtsanwendung über die gleiche freie Kognition wie das Kantonale Laboratorium verfügt (§ 45 lit. a und b OG sowie § 8 Abs. 1 VRPG). Die Kognition des Verwaltungsgerichts ist gegenüber derjenigen der Vorinstanz nur insoweit eingeschränkt, als ihm die Überprüfung der Angemessenheit von Ermessensentscheiden verwehrt ist (vgl. § 45 lit. c OG und § 8 Abs. 5 VRPG). Da die Vorinstanz keine Ermessensfragen zu beurteilen hatte, ist diese Kognitionsbeschränkung für die Frage der Heilung einer Gehörsverletzung jedoch nicht relevant. Die Rekurrentin konnte sowohl im vorinstanzlichen wie auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren mit ihren ausführlichen Rekursbegründungen vom 30. November 2021 und 30. November 2022 Stellung nehmen (act. 7/11 und act. 4). Die Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz würde zu einem formalistischen Leerlauf führen und nicht dem (objektiven) Interesse der Rekurrentin an einer Regelung der Angelegenheit in absehbarer Zeit dienen. Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nach dem Gesagten geheilt.

 

Soweit die Rekurrentin auch vor Erlass der zweiten Verfügung des Kantonalen Laboratoriums vom 19. November 2021 eine Verletzung ihrer Mitwirkungsrechte geltend macht, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach der Darstellung des Kantonalen Laboratoriums wurde die zweite Verfügung vom 19. November 2021 dem Geschäftsführer und einzelzeichnungsberechtigten Gesellschafter der Rekurrentin im Rahmen der Kontrolle vor Ort ausgehändigt. Dies wurde vom Kantonalen Laboratorium auf der Verfügung unterschriftlich bestätigt. Weiter findet sich auf der Verfügung der handschriftliche Vermerk, dass der Betriebsinhaber auf eine Unterschrift verzichtet habe (act. 7/19). In der Stellungnahme des Kantonalen Laboratoriums vom 9. Februar 2022 wird dazu ausgeführt, dass die Verfügungsadressatin über den Inhalt der Verfügung mündlich informiert worden sei und sich dazu habe äussern können (act. 7/28 Ziff. 2.1). Die Verfügungsadressatin habe den Sachverhalt während der Kontrolle nicht bestritten, sondern ihn mehrmals mündlich zugegeben und auf das ähnliche Handeln weiterer Betriebe in Basel hingewiesen (act. 7/28 Ziff. 1). Die mündliche Information des Kantonalen Laboratoriums bestreitet die Rekurrentin. Nicht bestritten wird jedoch, dass dem Geschäftsführer der Rekurrentin die Verfügung noch vor Ort übergeben wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der durch das Kantonale Laboratorium am 19. November 2021 durchgeführten Kontrolle anwesend war und er zumindest die Möglichkeit gehabt hätte, sich zur Sache zu äussern sowie an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken. Eine Gehörsverletzung ist nicht ersichtlich.

 

3.

Der Rekurrent bestreitet den in den Verfügungen vom 26. August 2021 und 19. November 2021 dargestellten Sachverhalt.

 

3.1      Sie macht geltend, es sei nicht erstellt, dass sie Lachgas zwecks Inhalation durch Menschen gewerblich abgegeben habe (Rekursbegründung Rz. 13). Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass der Kantonspolizei bei ihren Rap-porten Verwechslungen unterliefen. So ist der Rapport vom 14. August 2021 zwar mit dem Betreff «Feststellung betreffend B____, Verkauf von gesundheitsgefährdenden Stoffen (Lachgas)» überschrieben. In der Folge wurde aber ausgeführt, dass die Kontrolle der «B____» «aufgrund wiederkehrender Feststellungen betreffend Leute, welche Helium-Ballone inhalieren», erfolgt sei. Dabei seien diverse Gäste mit schwarzen Ballonen festgestellt worden, welche diese für CHF 5.– in der «B____» gekauft und daraus Helium konsumiert hätten. Sodann wurde im Rapport darauf verwiesen, dass in einer Firma in Basel auch «ganze Sets mit Ballonen und Lachgas Flaschen bestellt werden» könnten (Rapport [...], act. 7/4). Die beiliegenden Fotos wurden dabei mit dem Betreff «Helium-Ballone» versehen (Fotodokumentation [...], act. 7/4). Im anschliessenden E-Mailverkehr zwischen der Kantonspolizei und dem Kantonalen Laboratorium schrieb die Polizei von Ballonen, welche «mit Helium gefüllt» gewesen seien, worauf sich der Mitarbeiter des Labors auf «Helium bez. mit Lachgas» gefüllte Ballone bezog (act. 7/4). Aus einem weiteren Polizeirapport vom 24. August 2021 folgt, dass im Margarethenpark Lachgasballone konsumierende Personen gegenüber der Polizei angaben, die Gasflaschen in der «B____» gekauft zu haben (Rapport [...], act. 7/13). Weiter gab der Geschäftsführer der «B____» bei einer Kontrolle vom 4. September 2021 gegenüber der Polizei an, «Lachgas-Ballone für fünf Franken das Stück» zu verkaufen (Rapport vom 5. September 2021 [...], act 7/13). Mit einer Fotodokumentation vom 22. November 2021 belegte die Polizei, dass neben den vorhandenen Gasflaschen wie auch bei der Theke in der Bar der Rekurrentin das Merkblatt «Gefahren bei Lachgas» hing (act. 7/13). Auch im zugehörigen Rapport vom 22. November 2021 wurde beschrieben, dass «Gasflaschen für das Abfüllen der Ballone mit Lachgas» vorgefunden worden seien (Rapport [...], act. 7/13). Auf die diesbezüglich gänzlich unsubstantiiert gebliebene Behauptung der Rekurrentin, wonach diese Fotoaufnahmen von der Kantonspolizei nicht in den Räumlichkeiten der «B____» erstellt worden sein sollen, ist nicht weiter einzugehen (Rekursbegründung Rz. 38 und 47). Schliesslich erfolgte am 11. Dezember 2021 eine Requisition der Polizei, weil «nach wie vor Ballone mit Lachgas verkauft würden», bei welcher konsumierende junge Frauen angetroffen wurden (act. 7/13). Auch im vorinstanzlichen Rekursverfahren bezog sich der Vertreter der Rekurrentin auf Lachgas und machte geltend, dass die Aussage, «wonach der Verkauf des Lachgases illegal sei» ehrverletzend sei, was keinen Sinn ergibt, wenn immer bloss Helium verkauft worden wäre (E-Mail an das Gesundheitsdepartement vom 17. November 2021, act. 7/10). Auch gegenüber den Medien gab der Geschäftsführer der «B____» an, Lachgas zu verkaufen. Sein Umsatz habe sich dadurch mindestens verdoppelt («[...]», in: C____ vom 8. Dezember 2021, act. 7/13). Aufgrund dieser Belege steht fest, dass in der von der Rekurrentin betriebenen «B____» der Inhalt der Flaschen in Ballonen als Lachgas verkauft wurde, Kundinnen und Kunden über entsprechende Wirkungen («Flash»; vgl. C____ vom 8. Dezember 2021, act. 7/13) beim Konsumieren berichteten, in der «B____» mehrere – polizeilich dokumentierte – Hinweise für den Umgang mit Lachgas vorhanden waren und der Geschäftsführer der Bar selber mehrfach angab, Lachgas zu verkaufen. Die Hinweise auf Helium in den Polizeirapporten beruhen auf Versehen und die vorinstanzliche Feststellung, dass in der von der Rekurrentin betriebenen «B____» Lachgas gewerblich abgegeben wurde, ist nicht zu beanstanden.

 

3.2      Die Rekurrentin rügt weiter, dass der Inhalt der in Frage stehenden Gasflaschen keiner chemischen Analyse unterzogen worden sei (Rekursbegründung Rz. 16 ff.). Dabei verkennt sie, dass das Kantonale Laboratorium die Substanz in den vorgefundenen Gasflaschen zweifelsfrei als Lachgas identifizieren konnte. Die Kantonspolizei stellte unmittelbar vor der Kontrolle durch das Kantonale Laboratorium vom 19. November 2021 fest, dass Ballone durch einen Mitarbeiter der «B____» an eine Gasflasche gehalten und mit einer Substanz befüllt wurden. Anschliessend wurde der Inhalt der Ballone durch mehrere Kundinnen und Kunden inhaliert (Polizeirapport [...] vom 22. November 2021, act. 7/13; Stellungnahme Kantonales Laboratorium vom 9. Februar 2022, act. 7/28 S. 1). In der zu diesem Rapport gehörenden Fotodokumentation mit dem Titel «B____» wurde die angetroffene Situation bildlich dokumentiert. Dabei finden sich auch Fotos mit den beschlagnahmten und einem orangen Band versehenen Gasflaschen, welche teilweise sichtbar mit «lachgas[...]» beschriftet sind (Fotodokumentation [...] vom 22. November 2021, act. 7/13 Foto 7 und 15). Aus der Verfügung des Kantonalen Laboratoriums vom 19. November 2021 ergibt sich sodann, dass die Gasflaschen anlässlich der gleichentags durchgeführten Kontrolle beschlagnahmt wurden. Soweit sich der am 22. November 2021 erstellte Polizeirapport auf eine Kontrolle am «Freitag, 19.10.2021» bezieht, ist davon auszugehen, dass es sich dabei um ein Versehen handelt. Der 19. Oktober 2021 war ein Dienstag und es ist davon auszugehen, dass im Rapport vom 22. November 2021 die Situation am Freitag, 19. November 2021 beschrieben wurde, zumal die dazugehörende Fotodokumentation die beschlagnahmten Gasflaschen zeigt und die Beschlagnahmung am 19. Oktober 2021 noch nicht stattgefunden hatte (Polizeirapport und Fotodokumentation [...] vom 22. November 2021, act. 7/13). Das Kantonale Laboratorium führte in seiner Stellungnahme vom 9. Februar 2022 zur Verfügung vom 19. November 2021 im vorinstanzlichen Verfahren aus, weshalb die chemische Analyse des Flascheninhaltes überflüssig war. So würden Industriegasflaschen nach der Euro-Norm DIN EN 1089 gekennzeichnet und müssten eine eindeutige Farbe im oberen Teil aufweisen. Lachgas müsse nach dieser Norm mit blauer Farbe gekennzeichnet werden. Die sich vor Ort befindlichen Industriegasflaschen hätten ohne Ausnahme eine Kennzeichnung mit blauer Farbe aufgewiesen. Weiter müssten Industriegasflaschen Kennzeichnungselemente nach Chemikalien- und Gefahrgutrecht aufweisen. Teil dieser Kennzeichnungsvorschriften sei die Angabe des Stoffnamens. Der auf den in der «B____» vorgefundenen Industriegasflaschen angebrachte Stoffname habe der üblichen Nomenklatur für Lachgas entsprochen. Schliesslich müssten die Kartons mit kleineren Druckgasflaschen nach den Vorschriften des Gefahrgutrechts als Umverpackung gekennzeichnet werden. Die auf den Umverpackungen angebrachte UN-Nummer und Stoffbezeichnung habe ebenfalls der Nomenklatur für Lachgas entsprochen (act. 7/28). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Gesundheitsdepartement unter Hinweis auf die äusserliche farbliche Kennzeichnung von Gasflaschen nach der Euro-Norm DIN EN 189-3 zum Schluss gelangte, dass es sich bei den in der «B____» vorgefundenen Flaschen mit blauer Schulterfarbe sowie grauem zylindrischem Flaschenmantel um mit Lachgas gefüllte Industriegasflaschen handelte (angefochtener Entscheid Rz. 41; vgl. die Informationen zur Euro-Norm DIN EN 1089-3, https://www.pangas.ch/shop/de/ch-ig/farbkennzeichnung-von-gasflaschen; Fotodokumentation [...] vom 22. November 2021, act. 7/13 Foto 7, 11-16). Eine chemische Analyse der Flascheninhalte war daher nicht notwendig und eine willkürliche Würdigung des Sachverhalts liegt nicht vor.

 

4.

4.1      Der vorliegende Rekurs richtet sich gegen den Entscheid des Gesundheitsdepartements vom 31. August 2022, mit welchem das vom kantonalen Laboratorium mit Verfügungen vom 26. August 2021 beziehungsweise vom 19. November 2021 angeordnete Abgabeverbot von Lachgas zu Inhalationszwecken als rechtmässig erachtet wurde. Nach Auffassung der Rekurrentin bestimme das Lebensmittelrecht, was ein Lebensmittel sei (Rekursbegründung Rz. 23). Als zugelassener Lebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E 942 sei Lachgas als Lebensmittel gemäss Art. 1 Abs. 5 lit. c Ziff. 1 ChemV in Verbindung mit Art. 4 LMG zu qualifizieren und dem sachlichen Anwendungsbereich des Chemikalienrechts entzogen (Rekursbegründung Rz. 24 f.). Dem Gesundheitsdepartement könne nicht gefolgt werden, wenn es jene Rohstoffe, «welche zur Herstellung, Verarbeitung oder Bearbeitung (...) zu Endprodukten dienen», «üblicherweise» den Bestimmungen des Chemikalienrechts unterstellen wolle (Rekursbegründung Rz. 27 f.).

 

4.2

4.2.1   Nach den vom Gesundheitsdepartement zutreffend referenzierten Bestimmungen (angefochtener Entscheid Rz. 29 ff.) ist das Bundesgesetz über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG [SR 813.1]) anwendbar auf den Umgang mit Stoffen und Zubereitungen (Art. 2 Abs. 1 ChemG). Als Stoffe im Sinne des Chemikaliengesetzes gelten natürliche oder durch ein Produktionsverfahren hergestellte chemische Elemente und deren Verbindungen (Art. 4 Abs. 1 lit. a ChemG). Die im Chemikaliengesetz statuierte Sorgfaltspflicht sieht vor, dass wer mit Stoffen oder Zubereitungen umgeht, deren gefährliche Eigenschaften beachten und die zum Schutz von Leben und Gesundheit erforderlichen Massnahmen treffen muss. Insbesondere sind diesbezügliche Informationen der Herstellerin zu beachten (Art. 8 ChemG). Der Bundesrat kann die Art und Weise des Umgangs, namentlich der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung, einschränken (Art. 19 Abs. 2 lit. a ChemG). Die Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, [ChemV], SR 813.11) regelt dabei unter anderem die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen, die den Menschen oder die Umwelt gefährden können, und den Umgang mit entsprechenden Stoffen und Zubereitungen (Art. 1 lit. b und c). Vom Geltungsbereich der Chemikalienverordnung ausgenommen sind Produkte in der Form von Fertigerzeugnissen, die für berufliche und private Verwenderinnen, das heisst für die Endverbraucherin, bestimmt sind (Art. 1 Abs. 5 lit. c ChemV in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 lit. a und b ChemV sowie Anhang 1 Ziff. 1 ChemV). Dies gilt nach Art. 1 Abs. 5 lit. c Ziff. 1 ChemV namentlich für Fertigerzeugnisse, die unter Art. 4 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz [LMG], SR 817.0) fallen.

 

4.2.2   Den Ausführungen im angefochtenen Entscheid weiter folgend findet das Lebensmittelgesetz Anwendung auf den Umgang mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, das heisst für deren Herstellung, Behandlung, Lagerung, Transport und Inverkehrbringen (Art. 2 Abs. 1 lit. a LMG); die Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, die Werbung für sie und die über sie verbreitete Information (lit. b); die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (lit. c). Art. 2 Abs. 2 LMG präzisiert, dass sich die Anwendung des Lebensmittelgesetzes über alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen, einschliesslich der Primärproduktion, soweit diese der Herstellung von Lebensmitteln oder Gebrauchsgegenständen dient, erstreckt. Der Lebensmittelbegriff wird in Art. 4 LMG definiert. Als Lebensmittel gelten demnach alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen sich vernünftigerweise vorhersehen lässt, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (Art. 4 Abs. 1 LMG). Als Lebensmittel gelten neben Getränken einschliesslich Wasser für den menschlichen Konsum (Art. 4 Abs. 2 lit. a LMG) und Kaugummi (Art. 4 abs. 2 lit. b LMG), auch alle Stoffe, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung, Verarbeitung oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden (Art. 4 Abs. 2 lit. c LMG). Solche Zusatzstoffe sind Stoffe mit oder ohne Nährwert, die in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet werden und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können (Art. 2 Abs. 1 Ziff. 24 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung [LGV, SR  817.02]).

 

In Verkehr gebracht werden dürfen nur sichere Lebensmittel (Art. 7 Abs. 1 LMG). Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen nicht geeignet sind (Art. 7 Abs. 2 lit. a und b LMG). Bei der Entscheidung, ob ein Lebensmittel sicher ist, sind gemäss Art. 7 Abs. 3 LMG die normalen Bedingungen seiner Verwendung auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen (lit. a), die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch die Konsumentinnen und Konsumenten (lit. b) sowie die ihnen vermittelten oder sonst wie allgemein zugänglichen Informationen über die Vermeidung bestimmter, die Gesundheit beeinträchtigender Wirkungen eines bestimmten Lebensmittels oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie (lit. c), zu berücksichtigen. Gemäss Art. 8 Abs. 1 LGV sind bei der Beurteilung, ob ein Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, die wahrscheinlichen sofortigen, kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen des Lebensmittels auf die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten sowie auf nachfolgende Generationen (lit. a), die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen (lit. b) und die besondere gesundheitliche Empfindlichkeit einer bestimmten Gruppe von Konsumentinnen und Konsumenten, falls das Lebensmittel für diese Gruppe bestimmt ist (lit. c), zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen geeignet ist, ist schliesslich zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel, ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck, infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist (Art. 8 Abs. 2 LGV).

 

4.3      In der Sache prüfte das Gesundheitsdepartement zunächst, ob für die streitige Lachgasabgabe das Chemikalienrecht Anwendung finde oder diese wie von der Rekurrentin behauptet dem Lebensmittelrecht unterstehe. Im angefochtenen Entscheid wurde dabei dargelegt, dass Rohstoffe, die für die Weiterverarbeitung durch Betriebe zu Endprodukten dienen, üblicherweise den Bestimmungen des Chemikalienrechts unterliegen würden. Alle anderen Rohstoffe seien unter den Vorgaben desjenigen Rechtsgebietes in Verkehr zu bringen, das mit dem beabsichtigten oder vermutlichen Verwendungszweck korrespondiere. Lasse die Aufmachung eines Produkts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Anwendungen vermuten oder lege diese Anwendungen nahe, welche unter andere Rechtsbestimmungen fallen würden, so sei seine Verkehrsfähigkeit unter diesen Bestimmungen zu beurteilen (angefochtener Entscheid Rz. 32, mit Hinweis auf: Überblick und Vollzugshilfe des Bundesamtes für Gesundheit [BAG], des Bundesamtes für Landwirtschaft [BLW] und des Schweizerischen Heilmittelinstitutes [Swissmedic] für Produkte mit Cannabidiol [CBD], S. 4 und 14, https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/sucht-und-gesundheit/cannabis.html, besucht am 26. Oktober 2023). Produkte in Form von Fertigerzeugnissen, die unter Art. 4 LMG fallen, seien daher vom Geltungsbereich der Chemikalienverordnung ausgenommen (Art. 1 Abs. 5 lit. c Ziff. 1 ChemV; angefochtener Entscheid Rz. 33). Bezugnehmend auf den vorliegenden Sachverhalt erwog das Gesundheitsdepartement, dass die in der «B____» vorgefundenen Gasflaschen mit blauer Schulterfarbe und grauem zylindrischem Flaschenmantel eine Farbkennzeichnung aufwiesen, wie sie bei Industriegasen verwendet werde. Weiter berücksichtigte es, dass die Kundschaft mit einem über der Theke der «B____» angebrachten Merkblatt auf die «Gefahren bei Lachgas» hingewiesen worden sei. Damit habe die Rekurrentin selber zum Ausdruck gebracht, dass die Industrielachgasflaschen als solche nicht zur direkten oder indirekten Aufnahme beziehungsweise Inhalation von Lachgas durch die Konsumentin oder den Konsumenten angedacht seien (angefochtener Entscheid Rz. 42). Zusammenfassend gelangte das Gesundheitsdepartement zum Schluss, dass das in der «B____» vorgefundene Lachgas in den Industriegasflaschen objektiv nicht dazu bestimmt und vernünftigerweise auch nicht dafür vorgesehen gewesen sei, im Sinne eines Fertigerzeugnisses von Kundinnen und Kunden zu Inhalationszwecken konsumiert zu werden. Das Lachgas in den Industriegasflaschen stelle somit kein Lebensmittelfertigprodukt dar, weshalb sich dessen Verkehrsfähigkeit nach den Regelungen der Chemikaliengesetzgebung bestimme (angefochtener Entscheid Rz. 43).

 

4.4      Was die Rekurrentin dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, diese Einschätzung zu widerlegen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, soll Lachgas gemäss Art. 1 Abs. 5 lit. c ChemV nur dann vom Geltungsbereich der Chemikalienverordnung ausgenommen sein, wenn es als Fertigerzeugnis in der Form eines Lebensmittels, Heilmittels oder Futtermittels für die private oder berufliche Verwendung bestimmt ist. Demgegenüber gilt für Lachgas in allen anderen Fällen subsidiär im Sinne einer «Auffanggesetzgebung» weiterhin das Chemikalienrecht (angefochtener Entscheid Rz. 33; Vernehmlassung Rz. 4; vgl. auch Streuli/Kappes/Näf/von Arx, Leitfaden zum, Chemikalienrecht, Unter Berücksichtigung anderer Rechtsgebiete mit Bezug zum Chemikalienrecht, 2. Auflage, Bern 2013, S. 15 Rz. 11). Den Ausführungen im angefochtenen Entscheid folgend ist Lachgas beziehungsweise Distickstoffoxid oder Distickstoffmonoxid (E 942) ein zulässiger Lebensmittelzusatzstoff (vgl. Anhang 1 a der Verordnung des EDI über die zulässigen Zusatzstoffe in Lebensmitteln [Zusatzstoffverordnung, ZuV, SG 817.022.31]) und darf gemäss guter Herstellungspraxis (GHP) verwendet werden (Anhang 2 Gruppe I ZuV). Die gute Herstellungspraxis gilt dann als eingehalten, wenn der Zusatzstoff in einer Menge verwendet wird, die nicht grösser ist, als es zur Erzielung der gewünschten Wirkung erforderlich ist und die Verwendung des Zusatzstoffs für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht täuschend ist (Art. 1 Abs. 5 ZuV). In der Lebensmitteltechnik wird Lachgas als Treibgas verwendet, beispielsweise für das Aufschäumen von Milchprodukten (angefochtener Entscheid Rz. 40; Vernehmlassung Rz. 2; vgl. die hinterlegten Verwendungszwecke im Produkteregister Chemikalien des Bundes [RPC], https://www.gate.bag.admin.ch/rpc/ui/home [Produktsuche nach Di-stickstoffoxid und Distickstoffmonoxid], besucht am 26. Oktober 2023). Entgegen der Auffassung der Rekurrentin ergibt sich aus der Zulassung von Lachgas als Lebensmittelzusatzstoff jedoch nicht, dass es dadurch dem sachlichen Anwendungsbereich des Chemikalienrechts generell entzogen bleibt (vgl. Rekursbegründung Rz. 23 f.). Das Lachgas in Industriegasflaschen wurde vorliegend in der von der Rekurrentin betriebenen «B____» pur und unverarbeitet in Ballonen zu Inhalationszwecken abgegeben. Dadurch wurde es gerade nicht aus technologischen Gründen einem Lebensmittel bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung oder Behandlung zugesetzt (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. c LMG). Wenn die Rekurrentin sich unter Hinweis auf die Zulassung von Lachgas als Lebensmittelzusatzstoff sodann auf den Standpunkt stellt, dass dem Gesetzeswortlaut von Art. 4 Abs. 1 LMG zufolge alle Stoffe oder Erzeugnisse als Lebensmittel gelten, «die dazu bestimmt sind (…), dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden», versäumt sie es, bei ihrem Zitat das Erfordernis der vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendung zu erwähnen (Rekursbegründung Rz. 24). Die Vorinstanz weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass bei Gasen für die Inhalation und den medizinischen Gebrauch der zylindrische Flaschenmantel immer weiss ist (angefochtener Entscheid Rz. 41; vgl. Informationen zur Euro-Norm DIN EN 1089-3, https://www.pangas.ch/shop/de/ch-ig/farbkennzeichnung-von-gasflaschen). Aufgrund der blauen Schulterfarbe und des grauen Flaschenmantels legt vorliegend bereits die äussere Aufmachung der in der «B____» vorgefundenen Industriegasflaschen nicht nahe, dass das Lachgas als Fertigerzeugnis für die direkte Inhalation durch Menschen bestimmt ist und eine solche Aufnahme von Industriechemikalien lässt sich auch nicht vernünftigerweise vorhersehen. In der von der Rekurrentin betriebenen «B____» wurde auf einem über der Theke angebrachten Merkblatt mit dem Titel «Gefahren bei Lachgas» ebenfalls darauf hingewiesen, dass es zu Erfrierungserscheinungen an Lippen, Kehlkopf und Bronchien aufgrund der Kälte des Gases kommen könne, «falls Lachgas direkt aus dem Gasbehälter eingeatmet [werde]» (Fotodokumentation der Kantonspolizei [...] vom 22. November 2021, act. 7/13 Foto 3). Eine bestimmungsgemässe oder vernünftigerweise vorhersehbare Aufnahme von Lachgas durch Menschen ist aber auch dann nicht anzunehmen, wenn das Lachgas aus Industriegasflaschen in Ballone abgefüllt und so zu Inhalationszwecken abgegeben wird. Ballone werden zwar oft mit dem Mund aufgeblasen, eine Inhalation daraus ist aber nicht üblich. In der Medizin wird zur Sedierung Lachgas denn auch mit einer speziell für die Inhalation vorgesehenen Nasenmaske verabreicht (vgl. beispielsweise die Bilder auf https://lachgassedierung.ch). Lachgas aus Industriegasflaschen, das als Roh(zusatz)stoff für die Weiterverarbeitung zu einem Endprodukt dient, ist nicht dazu bestimmt, dass es in unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen wird und eine solche Verwendung lässt sich vernünftigerweise auch nicht vorhersehen (vgl. Art. 4 Abs. 1 LMG e contrario). Ist Lachgas aus Industriegasflaschen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung objektiv nicht dazu bestimmt und vernünftigerweise auch nicht dafür vorgesehen, von Menschen direkt oder indirekt zu Inhalationszwecken aufgenommen zu werden, stellt es kein unter die Lebensmittelgesetzgebung fallendes Fertigerzeugnis nach Art. 4 LMG dar. Es ist daher das Chemikalienrecht anwendbar.

 

4.5      Was das Gesundheitsdepartement in Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausgangslage zur Gefährlichkeit von Lachgas erwog, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Als gefährlich gelten gemäss Art. 3 Abs. 1 und 2 ChemG Stoffe und Zubereitungen, die das Leben oder die Gesundheit durch physikalisch-chemische oder toxische Wirkung gefährden können. Der Bundesrat bestimmt die als gefährlich geltenden Eigenschaften und legt die Gefährlichkeitsmerkmale fest. Die Kennzeichnung gefährlicher Chemikalien erfolgt nach dem Kennzeichnungssystem Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), welches die Schweiz nach der Classification, Labelling, Packaging (CLP)-Verordnung der EU umsetzt (Verordnung [EG] Nr. 1272/2008; vgl. Swiss CLP: Wegleitung zum Einstufen, Kennzeichnen und Verpacken von Stoffen und Zubereitungen in der Schweiz vom 15. August 2017, S. 4 ff. Ziff. 2.1 f., S. 20 Ziff. 4.1, https://www.anmeldestelle.admin.ch/chem/de/home/themen/recht-wegleitungen/wegleitungen-interpretationshilfen.html; angefochtener Entscheid Rz. 45). Die Einstufung dient als Basis für die Gefahrenkommunikation (Kennzeichnung, Sicherheitsdatenblatt) und bildet die Grundlage für Massnahmen zur sicheren Verwendung sowie für verschiedene stoff- und personenbezogene Vorschriften zur Risikobegrenzung (vgl. Swiss CLP Wegleitung, a.a.O., S. 20 Ziff. 4.1). In der Schweiz sind nach Art. 3 ChemV Stoffe (seit 1. Dezember 2012) und Zubereitungen (seit 1. Juni 2015) gefährlich, wenn sie die GHS-Kriterien für physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren, Umweltgefahren oder weitere Gefahren (Schädigung der Ozonschicht) erfüllen (Swiss CLP Wegleitung, a.a.O., S. 20 Ziff. 4.1). Als gefährlich gelten dabei physikalisch-chemische Eigenschaften wie explosionsgefährlich, brandfördernd, hochentzündlich, leicht entzündlich und entzündlich (angefochtener Entscheid Rz. 45, mit Hinweis auf Botschaft zum ChemG, in: BBI 2000 S. 687, 746). Meldepflichtige Stoffe und Zubereitungen gemäss Art. 48 ChemV sind von der Herstellerin oder dem Hersteller beziehungsweise der Importeurin oder dem Importeur in das elektronische Produkteregister der Anmeldestelle Chemikalien (RPC) des Bundes zu melden (Swiss CLP Wegleitung, a.a.O., S. 37 Ziff. 6.2). Das Gesundheitsdepartement führt im angefochtenen Entscheid unter Hinweis auf die im Produkteregister Chemikalien hinterlegten Eigenschaften von Lachgas nachvollziehbar aus, dass es sich bei Lachgas um einen gefährlichen Stoff im Sinne von Art. 3 ChemG handelt (angefochtener Entscheid Rz. 45 f.; https://www.gate.bag.admin.ch/ rpc/ui/home [Produktsuche nach Distickstoffoxid und Distickstoffmonoxid], besucht am 26. Oktober 2023). Auf die diesbezüglich unsubstantiiert gebliebene Bestreitung der Rekurrentin ist nicht weiter einzugehen (Rekursbegründung Rz. 44).

 

Anzumerken bleibt, dass das Chemikalienrecht keine «Missbrauchsgesetzgebung» ist. Werden Industriechemikalien wie Lachgas als Betäubungsmittel missbräuchlich verwendet, so greift das Chemikalienrecht nicht, basiert die Risikobeurteilung bei der Einstufung doch auf einer vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendung. Auch können solche Missbräuche in der Regel vom Chemikalienrecht nicht sanktioniert werden. Das gilt jedoch bloss für den Konsum, nicht aber für die Abgabe (vgl. Streuli/Kappes/Näf/von Arx, a.a.O., S. 15 Rz. 10).

 

4.6      Die Verkehrsfähigkeit von Lachgas aus Industriegasflaschen bestimmt sich nach den Regelungen des Chemikalienrechts. Gemäss der in Art. 8 ChemG statuierten Sorgfaltspflicht muss, wer mit Stoffen oder Zubereitungen umgeht, deren gefährlichen Eigenschaften beachten und die zum Schutz von Leben und Gesundheit erforderlichen Massnahmen treffen. Dabei sind insbesondere diesbezügliche Informationen der Herstellerin zu beachten. Zu den Verhaltensregeln im Umgang mit Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen wird in der Chemikalienverordnung festgehalten, dass Stoffe, Zubereitungen und Gegenstände im Sinne des Chemikaliengesetzes beruflich oder gewerblich nur für die von der Herstellerin angegebenen Verwendungszwecke und Entsorgungsarten angepriesen, angeboten oder abgegeben werden dürfen (Art. 55 Abs. 1 ChemV). Zudem müssen die auf der Verpackung, der Kennzeichnung und dem Sicherheitsdatenblatt angegebenen Hinweise berücksichtigt werden (Art. 55 Abs. 2 ChemV) und bei der Aufbewahrung von Stoffen und Zubereitungen sind die auf der Verpackung, der Kennzeichnung und gegebenenfalls dem Sicherheitsdatenblatt angegebenen Hinweise zu berücksichtigen (Art. 57 Abs. 1 ChemV). Gefährliche Stoffe und Zubereitungen dürfen nur in Behälter umgefüllt und in Behältern aufbewahrt werden, welche die Anforderungen nach Art. 57 Abs. 6 ChemV erfüllen. Sie dürfen dabei nicht mit Verpackungen von Lebensmitteln, kosmetischen Mitteln, Heilmitteln oder Futtermitteln verwechselt werden können (lit. a), der Name des Stoffs oder der Zubereitung muss in der Kennzeichnung des Behälters angegeben werden (lit. b), sie müssen den Anforderungen nach Art. 35 Abs. 1 und 3 der EU-CLP-Verordnung entsprechen (lit. c) und sie müssen derart gestaltet sein, dass sie nicht die Neugierde von Kindern wecken oder fördern (lit. d). Ferner dürfen Stoffe und Zubereitungen nicht für Verwendungen angepriesen werden, für die sie nicht in Verkehr gebracht werden dürfen (Art. 60 Abs. 5 ChemV). Den Ausführungen im angefochtenen Entscheid folgend, lässt sich aus den im elektronischen Produktregister Chemikalien des Bundes hinterlegten Informationen über die Verwendungszwecke von Lachgas nicht ableiten, dass dessen gewerbliche Abgabe zu Inhalationszwecken dem von der Herstellerin angegeben Verwendungszweck entspricht (vgl. https://www.gate.bag.admin.ch/rpc/ui/home [Produktsuche nach Distickstoffoxid und Distickstoffmonoxid], besucht am 26. Oktober 2023; angefochtener Entscheid Rz. 50). Es ist daher mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die gewerbliche Abgabe von Lachgas an Konsumentinnen und Konsumenten zu Inhalationszwecken gegen Art. 8 ChemG in Verbindung mit Art. 55 ChemV verstösst.

 

5.

Soweit die Vorinstanz im Sinne einer Alternativbegründung schliesslich aufzeigt, dass in Ballone abgefülltes Lachgas zu Inhalationszwecken – würde es als ein unter Art. 4 LMG fallendes Fertigerzeugnis qualifiziert – kein sicheres Lebensmittel im Sinne von Art. 7 LMG darstellt (vgl. oben E. 4.2.2) und dieses daher auch in Anwendung des Lebensmittelrechts nicht in Verkehr gebracht werden dürfte, kann ihr ebenfalls gefolgt werden (angefochtener Entscheid Rz. 51-59; Vernehmlassung Rz.6-10).

 

6.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Rekurs abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Rekurrentin dessen Kosten mit einer Gebühr von CHF 2'000.– (§ 30 Abs. 1 VRPG; § 23 Abs. 2 des Reglements über die Gerichtsgebühren [SG 154.810]).

 

 

Demgemäss erkennt das Verwaltungsgericht (Dreiergericht):

 

://:        Der Rekurs wird abgewiesen.

 

Die Rekurrentin trägt die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahrens mit einer Gebühr von CHF 2'000.–, einschliesslich Auslagen.

 

Mitteilung an:

-       Rekurrentin

-       Gesundheitsdepartement Basel-Stadt

-       Regierungsrat Basel-Stadt

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Gerichtsschreiberin

 

 

MLaw Marion Wüthrich

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 

Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.