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Schiedsgericht in
Sozialversicherungssachen
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URTEIL
vom 16.
August 2022
Mitwirkende
lic. iur. R. Schnyder (Vorsitz),
Prof. Dr. B. Rütsche, Dr. pharm. S. Steiner und Gerichtsschreiber lic. iur. H. Dikenmann
Parteien
A____
vertreten durch B____
Klägerin
C____
vertreten durch [...]
Beklagte
1
D____
vertreten durch [...]
Beklagte
2
Gegenstand
SG.2019.7
Leistungen gemäss
Arzneimittelliste mit Tarif (ALT)
Entschädigungspflicht für
aseptische Zytostatika-Herstellung gemäss guter Herstellungspraxis (GMP) gemäss
ALT II D 2 bejaht.
Tatsachen
I.
Vorbemerkung
Die Klage vom 5. November 2019 bzw. die ergänzte
Klagebegründung vom 16. März 2020 richtet sich nebst den Beklagten 1 und 2 (vgl.
Verfügung der Präsidentin vom 25. März 2022) gegen die E____, vertreten durch C____
(nachfolgend, wo nötig, zitiert als "E____"). Die E____ fusionierte
per 1. Januar 2022 mit der Beklagten 2 und wurde aus dem Handelsregister
gelöscht (vgl. Eingabe der Beklagten vom 21. März 2022). Die Beklagte 2 als
Rechtsnachfolgerin übernimmt im vorliegenden Verfahren sämtliche Rechte und
Pflichten der E____ ab 1. Januar 2022 (vgl. Eingabe der Beklagten vom 21. März
2022).
II.
Die Klägerin stellte für Behandlungen mit Zytotstatika wie
folgt Rechnung:
-
Rechnung 1008806337 an E____ für ambulante Behandlung (Q___,
Wirkstoff R___) von Patient F____ vom 20. Februar 2019 bis 21. März 2019 über
CHF 15'459.90 (Klagbeilage 12), darin enthalten 2 Positionen von je CHF 58.80
(total CHF 117.60) mit der Bezeichnung "Herstellungstaxe ALT Zyto
ambulant" (nachfolgend "Rechnung 1");
-
Rechnung 1008950269 an E____ für ambulante Behandlung (S___,
Wirkstoff T___, sowie U___, Wirkstoff V___) von Patient G____ vom 3. April 2019
bis 23. April 2019 über CHF 14'693.15 (Klagbeilage 22), darin enthalten 3
Positionen von je CHF 58.80 (total CHF 176.40) mit der Bezeichnung
"Herstellungstaxe ALT Zyto ambulant" (nachfolgend "Rechnung
2");
-
Rechnung 1008852954 an Beklagte 2 für ambulante Behandlung (W___,
Wirkstoff X___) von Patient H____ vom 3. April 2019 bis 29. April 2019 über CHF
12'892.50 (Klagbeilage 17), darin enthalten 2 Positionen von je CHF 58.80
(total CHF 117.60) mit der Bezeichnung "Herstellungstaxe ALT Zyto
ambulant" (nachfolgend "Rechnung 3");
-
Rechnung 1009024556 an Beklagte 1 für ambulante Behandlung (Y___,
Wirkstoff Z____) von Patientin I____ vom 18. Juni 2019 bis 31. Juli 2019 über
CHF 15'097.85 (Klagbeilage 26), darin enthalten 3 Positionen von je CHF 58.80
(total CHF 176.40) mit der Bezeichnung "Herstellungstaxe ALT Zyto
ambulant" (nachfolgend "Rechnung 4").
Die E____ bzw. die Beklagten 1 und 2 beanstandeten jeweils die
Fakturierung der Positionen "Herstellungstaxe ALT Zyto Ambulant" wie
folgt: "Für ein konfektioniertes Arzneimittel ist die
Zytostatikaherstellungstaxe nicht notwendig" (Klagbeilage 13 und 23);
"Die Zytostatikaherstellungstaxe darf bei konfektionierten Arzneimitteln
nicht zusätzlich verrechnet werden" (Klagbeilage 18), "Bei
Verrechnung der ganzen Packung ist die aseptische Zuytostatikaherstellung im
SL-Preis abgegolten" ( Klagbeilage 27).
Vorprozessual konnten sich die Parteien nicht darüber einigen,
ob und unter welchen Voraussetzungen die in den angeführten Rechnungen
angeführte Position "Herstellungstaxe ALT Zyto ambulant" als Leistung
im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von der Klägerin
geltend gemacht werden kann (vgl. Klage S. 3 Ziff. 4 sowie Schreiben der
Beklagten 1 vom 11. Februar 2019, Beilage 3 zur ergänzten Klageantwort vom 16.
Juni 2020).
III.
a) Mit Klage vom 5. November 2019 beantragt die Klägerin
die Verurteilung der Beklagten 2 zur Bezahlung der Beträge von
-
CHF 15'459.90 (vormals E____; Rechnung 1);
-
CHF 14'693.15 (vormals E____; Rechnung 2);
-
CHF 12'892.500 (Rechnung 3).
sowie die Verurteilung der Beklagten 1 zur Bezahlung des
Betrages von
-
CHF 15'097.85 (Rechnung 4).
b) Mit der im Hinblick auf die Vermittlungsverhandlung
verfassten Stellungnahme vom 5. Dezember 2019 beantragt die Beklagte 2 die
Gutheissung der Klage im Umfang von
-
CHF 15'342.30 (vormals E____; Rechnung 1);
-
CHF 14'516.75 (vormals E____, Rechnung 2);
-
CHF 12'774.90 (Rechnung 3).
Die Beklagte 1 beantragt die Gutheissung der Klage im Umfang
von
-
CHF 14'921.45 (Rechnung 4).
Dagegen sei die gegen die Beklagte 2 gerichtete Klage abzuweisen
im Umfang von
-
CHF 117.60 (vormals E____; Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____; Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3).
Die gegen die Beklagte 1 gerichtete Klage sei abzuweisen im
Umfang von
-
CHF 176.40 (Rechnung 4).
IV.
Die Vermittlungsverhandlung findet am 15. Januar 2020 statt. Es
kommt kein Vergleich zustande.
V.
a) Mit ergänzter Klagbegründung vom 16. März 2020 hält
die Klägerin die Rechtsbegehren der Klage vom 5. November 2019 aufrecht.
b) Mit ergänzter Klageantwort vom 16. Juni 2020
beantragen die Beklagten nunmehr die Abweisung der gegen sie gerichteten
Klagbegehren. Sie beantragen, die Klägerin sei zur Rückzahlung an die Beklagte 2
zu verpflichten im Umfang von
-
CHF 117.60 (vormals J____; Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____; Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3).
Gegenüber der Beklagten 1 sei die Klägerin zur Rückzahlung zu
verpflichten im Umfang von
-
CHF 176.40 (Rechnung 4).
Ferner beantragen die Beklagten, es "sei festzustellen,
dass die Verrechnung des ALT-Bearbeitungstarifs für die Auflösung von in der
SL-gelisteten, applikationsfertigen Zytostatika in einer ebenfalls in der
SL-gelisteten NaCl-Lösung gemäss lit. D2 Aseptische Zytostatika-Herstellung
gemäss guter Herstellungspraxis (GMP) des 'Anhangs 4: Arzneimittelliste mit
Tarif (ALT)' der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) nicht zulässig ist und
dem gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgebot widerspricht".
c) Mit Stellungnahme vom 30. Juni 2020 beantragt die
Klägerin die Verurteilung der Beklagten 2 zur Bezahlung der Beträge von
-
CHF 15'459.90 (vormals E____), "entfallend auf die
ALT-Taxe" gemäss Rechnung 1;
-
CHF 12'892.50, "entfallend auf die ALT-Taxe" gemäss
Rechnung 3.
Ferner sei festzustellen, dass folgende Zahlungen an die
Klägerin zu Recht erfolgt sind:
-
Zahlung der Beklagten 2 über CHF 176.40 (vormals E____, Rechnung
2)
-
Zahlung der Beklagten 1 über CHF 176.40 (Rechnung 4)
Die Beklagten erklären mit Eingabe vom 20. Juli 2020, zum
Zeitpunkt der Einreichung der ergänzten Klageantwort vom 16. Juni 2020 seien
die Rechnungen 1 und 3 noch nicht beglichen worden. Dies sei zwischenzeitlich
nun aber geschehen.
d) Mit Replik vom 10. August 2020 hält die Klägerin an
den Rechtsbegehren gemäss ergänzter Klage vom 16. März 2020 sowie der
Stellungnahme vom 30. Juni 2020 fest. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass
folgende Zahlungen an die Klägerin zu Recht erfolgt seien:
Zahlung der Beklagten 2 über
-
CHF 117.60 (vormals E____, Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____, Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3).
Zahlung der Beklagten 1 über
-
CHF 176.40 (Rechnung 4).
e) Mit der Duplik vom 8. September 2020 halten die
Beklagten an den Rechtsbegehren gemäss ergänzter Klageantwort vom 16. Juni 2020
fest. Zusätzlich beantragen sie, es sei "festzustellen, dass die separate
Verrechnung des ALT-Bearbeitungstarifs für die Auflösung von in der
SL-gelisteten, applikationsfertigen Zytostatika in einer ebenfalls in der SL
gelisteten NaCI-Lösung gemäss Lit. D2 Aseptische Zytostatika-Herstellung gemäss
guter Herstellungs-praxis (GMP) des 'Anhangs 4: Arzneimittelliste mit Tarif (ALT)'
der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) rechtswidrig ist und überdies dem
gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechen würde".
VI.
a) Die Klägerin beantragt mit ergänzter Klagbegründung
vom 16. März 2020 die Einsetzung des Schiedsrichters Dr. pharm. S. Steiner. Mit
ergänzter Klageantwort vom 16. Juni 2020 beantragen die Beklagten dessen
Ablehnung. Dazu äussert sich die Klägerin in Nachachtung der Verfügung der
Instruktionsrichterin vom 22. Juni 2020 mit Stellungnahme vom 30. Juni 2020.
Mit rechtskräftigem Zwischenentscheid vom 13. Juli 2020 weist die Präsidentin
des Schiedsgerichts das Ablehnungsbegehren gegen Dr. pharm. S. Steiner ab.
b) Die Beklagten beantragen mit ergänzter Klageantwort
vom 16. Juni 2020 die Ernennung von Prof. Dr. B. Rütsche als Schiedsrichter.
c) Mit Verfügung vom 23. September 2020 ernennt die
Präsidentin des Schiedsgerichts Dr. pharm. S. Steiner und Prof. Dr. B. Rütsche
zu Schiedsrichtern. Die Genannten nehmen die Ernennung an (Schreiben Prof. Dr.
B. Rütsche vom 2. Oktober 2020 sowie von Dr. pharm. S. Steiner vom 5. Oktober
2020).
VII.
Die Beklagten reichen am 11. November 2020 den Antrag auf eine
Umtriebsentschädigung ein. Die Vertreterin der Klägerin reicht am 25. November
2020 ihre Honorarnote ein.
VIII.
Eine erste Urteilsberatung des Schiedsgerichts in
Sozialversicherungssachen des Kantons Basel-Stadt findet am 10. Februar 2021
statt.
Das Schiedsgericht entscheidet, es sei eine amtliche
Erkundigung bei der Kantonsapothekerin Basel-Stadt einzuholen.
IX.
a) In Nachachtung der Verfügung der Präsidentin des
Schiedsgerichts vom 18. Februar 2021 nehmen die Klägerin am 3. März 2021 und
die Beklagten am 18. März 2021 zum Entwurf einer amtlichen Erkundigung bei der
Kantonsapothekerin Basel-Stadt Stellung. In Nachachtung einer weiteren Verfügung
vom 29. März 2021 äussern sich die Beklagten am 15. April 2021. Das bereinigte
Erkundigungsschreiben vom 7. Juni 2021 wird gemäss Verfügung der Präsidentin
vom 16. April 2021 an die Kantonsapothekerin versandt. Am 30. Juli 2021 geht
das Schreiben der Medizinischen Dienste des Gesundheitsdepartements des Kantons
Basel-Stadt vom 27. Juli 2021 ein. Mangels Expertenwissens könnten die mit
Schreiben vom 7. Juni 2021 unterbreiteten Fragen nicht mit der nötigen
Sicherheit beantwortet werden.
b) In Abstimmung mit den Schiedsrichtern (vgl.
Protokolleinträge vom 17. August und 7. September 2021) erfolgt gemäss
Verfügung der Präsidentin vom 7. September 2021 eine amtliche Erkundigung
sowohl beim Schweizerischen Heilmittelinstitut (swissmedic) als auch bei der
Kantonsapothekervereinigung (KAV). Innert der mit Verfügung vom 8. September
2021 gesetzten Frist (der Verfügung beigelegt ein Entwurf des
Erkundigungsschreibens) erhebt die Klägerin keinen Widerspruch; die Beklagten
erklären mit Eingabe vom 1. Oktober 2021 ihr Einverständnis.
Das Antwortschreiben der swissmedic vom 21. Oktober 2021 geht
am 22. Oktober 2021 ein. Das Antwortschreiben der KAV datiert vom 25. Januar
2022 und geht am 28. Januar 2022 beim Schiedsgericht ein. Innert gesetzter
Frist (Instruktionsverfügung vom 17. Februar 2022) äussern sich die Klägerin am
16. März 2022 und die Beklagten am 21. März 2022. In Nachachtung der Verfügung
der Präsidentin vom 25. März 2022 äussern sich die Beklagten am 24. April 2022
zur Stellungnahme der Klägerin vom 16. März 2022 und die Klägerin am 25. April
2022 zur Stellungnahme der Beklagten vom 21. März 2022.
X.
Mit Eingabe vom 21. März 2022 geben die Beklagten bekannt, dass
die E____ mit der Beklagten 2 fusioniert hat und im Handelsregister gelöscht
wurde. Gemäss Verfügung der Präsidentin vom 25. März 2022 wird das Verfahren
mit der C____ als Beklagte 1 und der D____ als Beklagte 2 weitergeführt. Innert
der mit Verfügung gesetzten Frist hat keine der Parteien hiergegen Widerspruch
erhoben.
XI.
Innert Frist (vgl. Verfügung vom 9. Juni 2022) reichen die
Parteien keine aktualisierten Honorarnoten ein und verzichten auf eine
Parteiverhandlung.
XII.
Die zweite Urteilsberatung des Schiedsgerichts findet am 16.
August 2022 statt.
Entscheidungsgründe
1.
1.1.
Das Schiedsgericht in Sozialversicherungssachen des Kantons
Basel-Stadt ist gemäss § 20 SVGG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10)
sachlich zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit zwischen einer Leistungserbringerin
und einer Versicherung zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus
Art. 89 Abs. 2 KVG, gemäss welchem die Klage beim Schiedsgericht desjenigen
Kantons eingereicht werden kann, in dem die ständige Einrichtung des
Leistungserbringers liegt. Dies ist im Falle der Klägerin der Kanton
Basel-Stadt.
1.2.
Die übrigen formellen Klagevoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt
(vgl. § 22 Abs. 2 des Gesetzes vom 9. Mai 2001 über das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und über das Schiedsgericht
in Sozialversicherungssachen [Sozialversicherungsgerichtsgesetz, SVGG; SG
154.200]) weshalb auf die Klage einzutreten ist.
2.
2.1.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten
für die Leistungen, die der Diagnose oder der Behandlung einer Krankheit und
ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1 KVG). Diese Leistungen umfassen unter
anderem die ärztlich verordneten Arzneimittel (Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG). Ein
Arzneimittel im Sinne dieser Bestimmung kann nur sein, was auch ein
Arzneimittel im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 15.
Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR
812.21) ist. Letztere Bestimmung definiert die Arzneimittel als Produkte
chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf
den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen
werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten,
Verletzungen und Behinderungen (vgl. BGE 144 V 333, 336 E. 3.1 mit weiteren
Hinweisen).
Welche Arzneimittel die obligatorische
Krankenpflegeversicherung zu übernehmen hat, ist behördlich festgelegt: Das
Eidgenössische Departement des Innern (EDI) erlässt eine Liste der in der
Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst
auch die Leistungen des Apothekers oder der Apothekerin (Art. 52 Abs. 1 lit. a
Ziff. 2 KVG). Es handelt sich um die sogenannte Arzneimittelliste mit Tarif
(ALT), die als Anhang 4 zur Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über
Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.1112.31) gehört. Das Bundesamt
für Gesundheit (BAG) erlässt eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und
konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]); diese hat
auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu
enthalten (Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG). Die für die SL geltenden Regeln finden
teilweise auf die ALT sinngemäss Anwendung (Art. 63 Abs. 2 der Verordnung vom
27. Juni 1995 über die Krankenversicherung, [KVV; SR 832.102] betreffend
Aufnahme in die ALT; § 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur ALT). Als
Positivlisten haben die ALT und die SL gleichzeitig abschliessenden und
verbindlichen Charakter. Aufgrund des in Art. 34 Abs. 1 KVG verankerten
Listenprinzips können die Krankenversicherer grundsätzlich nur die darin
vorgesehenen Arzneimittel übernehmen (vgl. BGE 144 V 333, 336 E. 3.2 mit
Hinweisen).
2.2.
Die ALT ist gegliedert in den Arzneimitteltarif (I), den
Bearbeitungstarif (II) sowie den Gefässtarif (III). Der Bearbeitungstarif führt
unter Buchstabe D, Ziffer 2 (nachfolgend zitiert als ALT II D 2) folgende
Leistung des Apothekers oder der Apothekerin auf:
D
|
Aseptische Herstellung
(vollständige parenterale Nährlösung, TPN)
|
Taxpunkt
|
…
|
…
|
…
|
2
|
Aseptische
Zytostatika-Herstellung gemäss guter Herstellungspraxis (GMP)
|
|
|
Herstellung in einer für
Zytostatika qualifizierten Arbeitseinheit mit Sicherheits-Werkbank nach
SUVA-Empfehlungen. Die herstellende Institution muss über eine kantonale Herstellungsbewilligung
verfügen)
|
|
|
Fertigspritze 1 Einheit
|
50
|
|
Infusion 1 Einheit
|
56
|
|
Kassette 1 Einheit
|
67
|
Die Klägerin hat in den vier im Recht liegenden Rechnungen nebst
den als solchen nicht strittigen Positionen für Zytostatika unter der
Bezeichnung "Herstellungstaxe ALT Zyto ambulant" die Entschädigung
für Apothekerleistungen geltend gemacht, für welche sie sich auf ALT II D 2
stützt. Der Betrag von CHF 58.80 wurde jeweils für eine Infusion (56 Taxpunkte,
Taxpunktwert 1.05, vgl. Stellungname der Beklagten im Hinblick auf die
Vermittlungsverhandlung vom 5. Dezember 2019 S. 6 Ziff. 1.2) fakturiert.
-
Rechnung 1008806337 an E____ (Klagbeilage 12) mit 2 Positionen gemäss
ALT II D 2 von je CHF 58.80 (total CHF 117.60, nachfolgend "Rechnung
1");
-
Rechnung 1008950269 an E____ (Klagbeilage 22) mit 3 Positionen gemäss
ALT II D 2 von je CHF 58.80 (total CHF 176.40, nachfolgend "Rechnung
2");
-
Rechnung 1008852954 an Beklagte 2 (Klagbeilage 17) mit 2
Positionen gemäss ALT II D 2 von je CHF 58.80 (total CHF 117.60, nachfolgend
"Rechnung 3");
-
Rechnung 1009024556 an Beklagte 1 (Klagbeilage 26) mit 3
Positionen gemäss ALT II D 2 von je CHF 58.80 (total CHF 176.40, nachfolgend
"Rechnung 4").
Nach Auffassung der Beklagten lassen sich die von der Klägerin
geltend gemachten Apothekerleistungen nicht auf ALT II D 2 stützen. Es fehle
hierfür an der gesetzlichen Grundlage (vgl. ergänzte Klagantwort vom 16. Juni
2020 S. 5 ff.) und ferner sei die Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit nicht
erfüllt, a.a.O. S. 8). Ob sich die Klägerin auf ALT II D 2 stützen kann, ist
nachfolgend zu prüfen.
3.
Die Beklagten bestreiten die gesetzliche Grundlage für die in
den Rechnungen 1 bis 4 angeführten Apothekerleistungen.
3.1.
Die Beklagten argumentieren (ergänzte Klageantwort vom 16. Juni 2020
S. 9 Ziff. 2.1), bei den von der Klägerin in den Rechnungen aufgelisteten
Medikamenten handle es sich ausschliesslich um Arzneien der SL, welche gestützt
auf die in der SL festgehaltenen Preise und Limitationen in Rechnung zu stellen
seien (vgl. Rechnung 1: Q___, Wirkstoff R___ für Patient F____, Klagbeilage 12;
Rechnung 2: S___, Wirkstoff T___ sowie U___, Wirkstoff V___, für Patient G____,
Klagbeilage 22, Rechnung 3: W___, Wirkstoff X___, für Patient H____, Klagbeilage
17, Rechnung 4: Y___, Wirkstoff Z____, für Patientin I____, Klagbeilage 26,
vgl. Auflistung in der ergänzten Klagantwort vom 16. Juni 2020 S. 6 f. Ziff.
1.2.2). Zubereitungs- und Herstellungstaxen seien in der SL nicht vorgesehen.
Aufgrund des abschliessenden Charakters der SL (vgl. vorstehende Erw. 2.1.) könnten
gestützt auf die SL damit keine weiteren Positionen wie Zubereitungs- und
Herstellungstaxen in Rechnung gestellt werden.
Die Beklagten argumentieren zusammenfassend, auf die SL lasse
sich eine Entschädigung für die strittigen Apothekerleistungen nicht stützen.
In der Tat enthält die SL keine Positionen für Zubereitung oder Herstellung. Das
Argument ist insofern nicht stichhaltig, als auch die Klägerin nicht behauptet,
sie wolle die geltend gemachten Apothekerleistungen aus der SL herleiten.
3.2.
3.2.1. Nach Auffassung der Beklagten lässt sich auch die ALT nicht
als gesetzliche Grundlage heranziehen (ergänzte Klageantwort vom 16. Juni 2020
S. 9 f. Ziff. 2.2). Sie verweisen auf die Allgemeinen Bestimmungen in der ALT,
welche lediglich eine Leistungspflicht für in der vorliegenden ALT explizit
aufgelistete, in der Rezeptur verwendete Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe
(Arzneimitteltarif [I]), für aufgelistete Leistungen des Apothekers und der
Apothekerin (Bearbeitungstarif [II]) bzw. Gefässe (Gefässtarif [III]) vorsähen.
Weder die Allgemeinen Bestimmungen der ALT noch die Auflistung der Präparate,
Wirk- und Hilfsstoffe sähen die Anwendbarkeit der ALT auch für die
SL-Medikamente per se, insbesondere für die Zytostatika, vor. Die von der
Klägerin verrechneten SL-Medikamente seien nicht in der ALT gelistet, weshalb
eine Rechnungsstellung der aseptischen Zytostatika-Herstellungstaxe nach ALT
aufgrund ihres abschliessenden Charakters unzulässig sei. Weiter legen die
Beklagten dar, die ALT sehe eine Verrechnung eines Bearbeitungstarifs lediglich
dann vor, wenn ein ALT-Wirkstoff mit einem SL-Präparat kombiniert werde. Für
die Bearbeitung gelange dann der ALT-Tarif zur Anwendung.
Für die Verrechnung einer Zytostatika-Herstellungstaxe gebe es
damit lediglich eine einzige Ausnahme und zwar die Kombination mit einem
ALT-Präparat, Wirk- oder Hilfsstoff. E contrario lasse sich damit aus § 1 der
allgemeinen Bestimmungen der ALT ableiten, dass ohne eine solche Kombination
der Bearbeitungstarif in der ALT gerade nicht zur Anwendung gelange und ein
solcher nicht verrechnet werden dürfe.
Dazu legen die Beklagten dar, in allen der vorliegend von der
Klägerin dargelegten Fällen werde das Zytostatika-Präparat gemäss SL
"nur" mit einer NaCI-Lösung nach SL gemischt bzw. darin aufgelöst und
nicht mit den in der ALT aufgeführten Wirkstoffen zubereitet und hergestellt.
Da ein ALT-Wirkstoff bei der Zubereitung damit offensichtlich fehle, könne
gemäss ALT auch kein Bearbeitungstarif nach ALT in Rechnung gestellt werden.
Die ALT-Bearbeitungstarife gälten nicht unbeschränkt für alle SL-Medikamente,
sondern nur für die in Kapitel 40 ausdrücklich erwähnten konfektionierten
Arzneimittel (Morphinum HCl). Diese würden vorliegend allerdings nicht
beansprucht.
3.2.2. Gemäss den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der
Beklagten kommt die ALT jedenfalls in Fällen der Kombination eines in der ALT
aufgelisteten Wirkstoffs mit einem in der SL gelisteten Medikament zum Zuge. An
diese Kombination knüpft explizit […] § 1 Abs. 4 der Allgemeinen Bestimmungen
der ALT an, d[er] besagt, dass bei Kombination eines ALT-Wirkstoffes mit einem
SL-Präparat der Preis der jeweils wirtschaftlichsten SL-Packung zu verrechnen
ist. Für die Bearbeitung kommt gemäss § 1 Abs. 4 der Allgemeinen
Bestimmungen dabei der ALT-Tarif zur Anwendung. Damit verweist diese Bestimmung
auf die in der ALT unter "II. Bearbeitungstarif" aufgeführten
Tarifpositionen, mithin auch auf ALT II D 2.
Auch die Beklagten gehen zwar davon aus, dass bei der den
Rechnungen 1 bis 4 zu Grunde liegenden Bearbeitung auch der Wirkstoff NaCl zum
Einsatz kommt. Sie machen aber u.a. mit dem Rechtsbegehren 6 in der ergänzten
Klageantwort geltend, dass die Verrechnung des ALT-Bearbeitungstarifs "für
die Auflösung von in der SL-gelisteten, applikationsfertigen Zytostatika in
einer ebenfalls in der SL-gelisteten NaCl-Lösung" nicht zulässig sei.
Dabei verkennen sie, dass die ALT den Wirkstoff "Natrii chloridum Ph.
Eur" aufführt. Damit ist jedenfalls ein Ausgangsstoff zur Herstellung
einer NaCl-Lösung in der ALT offensichtlich vorhanden. Und damit ist auch die
von den Beklagten selbst formulierte Voraussetzung für die Anwendbarkeit der
ALT im Sinne der Kombination eines in der ALT aufgelisteten Wirkstoffs mit einem
in der SL gelisteten Medikament erfüllt.
Hinzuweisen ist auch auf § 2 Abs. 3 der Allgemeinen
Bestimmungen der ALT, welcher festhält, dass sofern die in der ALT als
limitiert aufgeführten Substanzen auch als Wirkstoffe in limitierten
Spezialitäten der SL vorhanden sind, die verordneten Mengen (Spezialitäten und
gemischte Rezeptur) gesamthaft die Limitation der ALT nicht überschreiten
dürfen. Bezüglich des Wirkstoffs NaCl (Natrii chloridum) sieht die ALT zwar keine
Limitation vor und insofern ist § 2 Abs. 3 der Allgemeinen Bestimmungen der ALT
vorliegend ohne Belang. Jedoch liegt der Vorschrift offensichtlich zu Grunde,
dass von der Anwendbarkeit der ALT auch dann auszugehen ist, wenn der in der
ALT aufgeführte Wirkstoff in einem in der SL aufgeführten Substanz mitenthalten
ist. Die Argumentation der Beklagten, der ALT-Tarif sei nicht anwendbar, weil
es sich auch bei den NaCl-Lösungen (vgl. Klagbeilage 37) um Präparate aus der
SL handle (vgl. u.a. Stellungnahme vom 5. Dezember 2019 im Hinblick auf die
Vermittlungsverhandlung Ziff. 6.1.4, ergänzte Klageantwort vom 16. Juni 2020 S.
10 Ziff. 2.2.2 a.E.), ist somit nicht stichhaltig.
Der grundsätzlichen Anwendbarkeit der ALT und insbesondere des
Bearbeitungstarifs mit der Position ALT II D 2 steht somit mit Blick auf die
Substanzen, welche bei den mit den Rechnungen 1 bis 4 geltend gemachten
Bearbeitungen verwendet wurden, nichts entgegen.
4.
4.1.
Die Beklagten machen sodann im Wesentlichen geltend, die
fakturierten Bearbeitungen durch die Spitalapotheke der Klägerin fielen nicht
unter den in ALT II D 2 festgehaltenen Begriff der Herstellung von
Zytostatika. Bei allen in den Rechnungen der Klägerin aufgelisteten Zytostatika-Arzneimitteln
(Q___, W___, U___, S___ und Y___) handle es sich um in der SL aufgeführte konfektionierte
und verwendungsfertige Produkte, die lediglich in einer Natriumchlorid (NaCI)-Lösung
aufgelöst werden müssten. Ein Herstellungsverfahren im eigentlichen Sinn finde
dabei nicht statt (vgl. Stellungnahme vom 5. Dezember 2019 im Hinblick auf die
Vermittlungsverhandlung S. 7 Ziff. 3.1, ergänzte Klageantwort vom 16. Juni 2020
S. 10 Ziff. 3.1).
4.2.
ALT II D 2 gibt vor, auf welchem prozeduralen Weg die Bearbeitung zu
erfolgen hat, wie der Arbeitsplatz auszurüsten ist und welche Voraussetzungen
die herstellende Institution erfüllen muss, damit eine tarifliche Entschädigung
gemäss der ALT erfolgen darf. Die Bearbeitungsschritte werden in der ALT II D 2
unter Verwendung des Begriffs "Herstellung" dargestellt. Es sind dies
die folgenden einzelnen Punkte:
4.2.1. Asepsis
ALT II D ist betitelt mit "Aseptische Herstellung
(vollständige parenterale Nährlösung, TPN)", ebenso spricht die
Überschrift von ALT II D 2 von "Aseptische Zytostatika-Herstellung gemäss
guter Herstellungspraxis (GMP)". Somit hat die Bearbeitung in prozeduraler
Hinsicht aseptisch zu sein.
4.2.2. Gute Herstellungspraxis (GMP)
Die Bearbeitung muss, wie erwähnt, in prozeduraler Hinsicht
zudem gemäss der "guten Herstellungspraxis (GMP)" erfolgen.
4.2.3. Qualifizierte Arbeitseinheit
Ferner ist vorgegeben, dass die Bearbeitung in einer "für
Zytostatika qualifizierten Arbeitseinheit mit Sicherheits-Werkbank nach
SUVA-Empfehlungen" erfolgen muss.
4.2.4. Herstellungsbewilligung
Schliesslich ist gefordert, dass die herstellende Institution über
eine Herstellungsbewilligung verfügt (vgl. Bewilligung der swissmedic gemäss
Verfügung vom 16. November 2018, Klagbeilage 3).
4.3.
Für die Einordnung der in ALT II D 2 formulierten Anforderungen sind
die im HMG verankerten Vorschriften zur Herstellung von Arzneimitteln heranzuziehen.
4.3.1. Nach der Legaldefinition von Art. 4 Abs. 1 lit. c HMG
umfasst der Begriff "Herstellen" sämtliche Arbeitsgänge der
Heilmittelproduktion von der Beschaffung der Ausgangsmaterialien über die
Verarbeitung bis zur Verpackung, Lagerung und Auslieferung des Endproduktes
sowie die Qualitätskontrollen und die Freigaben.
Wer Arzneimittel herstellt, bedarf nach Art. 5 Abs. 1 lit. a
HMG einer Bewilligung des Schweizerischen Heilmittelinstituts (swissmedic).
Nach Art. 5 Abs. 2 lit. a HMG kann der Bundesrat die Herstellung von
Arzneimitteln nach Art. 9 Abs. 2 lit. a bis cbis HMG einer
kantonalen Bewilligungs- oder Meldepflicht unterstellen. Gemäss Art. 8 Abs. 1
der Verordnung vom 14. November 2018 über die Bewilligungen im
Arzneimittelbereich (Arzneimittel-Bewilligungsverordnung; AMBV; SR 812.212.1)
müssen Spitalapotheken sowie Personen, die über eine kantonale Bewilligung nach
Artikel 30 HMG (Bewilligung für die Abgabe) verfügen und Arzneimittel u.a. nach
Artikel 9 Absatz 2 lit. a bis –cbis HMG herstellen, eine Risikoprüfung
durchführen. Je nach Ergebnis dieser Risikoprüfung bedarf es anstelle der
Bewilligung der swissmedic einer kantonalen Herstellungsbewilligung (Art. 8
Abs. 3 AMBV). Die Bewilligung wird erteilt, wenn sichergestellt ist, dass die
Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen Mengen
eingehalten werden (Art. 8 Abs. 4 AMBV). Art. 8 Abs. 4 AMBV verweist für die
Regeln der Guten Herstellungspraxis auf Anhang 2 zur AMBV. Anhang 2 hält fest,
dass als Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen Mengen
die Bestimmungen der Kapitel 20.1. und 20.2 der Pharmacopoea Helvetica (Ph.
Helv, 11. Ausgabe, Supplement 11.3, in Kraft gesetzt am 1. Juli 2019, Klagbeilage
5) anwendbar sind.
4.3.2. Die Ph. Helv. hält in Kapitel 20.1 unter der mit
"Gute Herstellungspraxis (GMP) für Arzneimittel" betitelten Ziffer
20.1.1.3 fest, dass die Gute Herstellungspraxis der Teil des
Qualitätssicherungssystems ist, der gewährleistet, dass Produkte nach
geeigneten Qualitätsstandards in gleichbleibender Qualität hergestellt werden
(Abs. 1). Es folgt die Aufzählung der Anforderungen (Abs. 2), die erfüllt sein
müssen, um diese gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Als Anforderungen
gelten unter anderem, dass das Personal der Funktion angemessen qualifiziert
und geschult sein muss (lit. a) sowie, dass die Räumlichkeiten und die
Ausrüstung geeignet sein müssen (lit. b).
Die vor Inkraftsetzung der Ph. Helv. per 1. Juli 2019
massgebliche Fassung der Ph. Helv. (11. Ausgabe, Inkraftsetzung am 1. Juli 2012)
enthielt unter Ziffer 20.1.1.3 die gleichlautende Regelung.
In Kapitel 20.2 äussert sich die seit 1. Juli 2019 in Kraft
stehende Fassung der Ph. Helv. zu den Regeln der Guten Herstellungspraxis für
sterile Arzneimittel in kleinen Mengen (Steril-Anhang). In der mit
"Aseptische Produktion von Arzneimitteln, die potentiell
gesundheitsgefährdende Wirkstoffe (z.B. Zytostatika) enthalten" betitelten
Ziffer 20.2.5.4 wird vorgegeben, dass die durch solche Arzneimittel gegebenen
Risiken durch geeignete Massnahmen zu minimieren sind (Abs. 1). Die Ziffer 20.2.5.4
nennt Beispiele solcher technischer Massnahmen bei der Produktion (Abs. 2) und fügt
an, es seien "ebenso" Massnahmen zum Schutz der herstellenden Person
zu ergreifen. Empfehlungen zum Arbeitnehmerschutz seien in der SUVA-Publikation
"sicherer Umgang mit Zytostatika" zu finden.
Die vor Inkraftsetzung der Ph. Helv. per 1. Juli 2019
massgebliche Fassung der Ph. Helv. (11. Ausgabe, Inkraftsetzung am 1. Juli
2012) enthielt unter Ziffer 20.2 die "Regeln der Guten Herstellungspraxis
für Zytostatika in kleinen Mengen (Zytostatika-Anhang)". Zum
Geltungsbereich ist in Ziffer. 20.2.A.2 festgehalten, der Zytostatika-Anhang
sei zusammen mit den Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in
kleinen Mengen und im Rahmen von deren Geltungsbereich für die Verfahrensweise
zur aseptischen Herstellung (inklusive Prüfung) applikationsfertiger
Arzneimittel mit toxischem Potential massgebend (Abs. 1). Die Empfehlungen für
den Personenschutz seien in der SUVA-Publikation «Sicherer Umgang mit
Zytostatika» zu finden (Abs. 2). Auch dieser Regelung lag zu Grunde, dass die
durch die zu bearbeitenden Arzneimittel gegebenen Risiken durch geeignete
Massnahmen zu minimieren sind (vgl. die mit "Personalhygiene"
betitelte Ziffer. 20.2.2.4 Abs. 3).
Die dargestellte Ordnung gemäss HMG, AMBV sowie Ph. Helv. zeigt,
dass sich die prozeduralen Anforderungen an die Zytostatika-Herstellung mit den
in ALT II D 2 formulierten Vorgaben an die Herstellung im Sinne der Beachtung
der Regeln der Guten Herstellungspraxis decken. Eine Entschädigung gemäss Alt
II D 2 für diese Bearbeitung darf nur dann erfolgen, wenn jene Regeln und
Standards eingehalten sind, welche auch dem Normzweck der angeführten Regelung
im HMG, der AMBV sowie der Ph. Helv. entsprechen. Der Normzweck von ALT II D 2
ist somit, sicherzustellen, dass bei der Bearbeitung von Zytostatika all jene
Anforderungen erfüllt sind, die auch bei der Herstellung im Sinne von Art. 4
Abs. 1 lit. c HMG beachtet werden müssen.
4.4.
4.4.1. Wie vorstehend ausgeführt, knüpft die Massgeblichkeit der Ph.
Helv. sowie der darin geregelten Guten Herstellungspraxis an die Herstellung im
Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c HMG an. Die Beklagten machen jedoch wie erwähnt
geltend, die vorliegend strittigen Bearbeitungen seien nicht unter diesen
Begriff der Herstellung zu subsumieren und folglich könne auch die Ph. Helv.
mit den darin formulierten Vorgaben nicht zum Zuge kommen.
Die swissmedic stellt ihrem im Rahmen der amtlichen Erkundigung
eingeholten Antwortschreiben vom 21. Oktober 2021 die Abgrenzung der Begriffe
Herstellung und Rekonstitution von Arzneimitteln voran. Beide Begriffe seien in
im Kapitel 20.1.B der ‘Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in
kleinen Mengen’ der Ph. Helv. definiert. Herstellung umfasse im Geltungsbereich
der Regeln der Ph. Helv. alle Arbeitsgänge wie Beschaffung von Material und
Produkten, Produktion, Qualitätskontrolle, Freigabe, Lagerung und Auslieferung
von Arzneimitteln und die dazugehörenden Kontrollen. Rekonstitution beinhalte
(im Sinne der Regeln der Ph. Helv.) die Vorbereitung eines zugelassenen,
verwendungsfertigen Arzneimittels gemäss konkreter Anweisungen in der
Fachinformation zur Applikation (Verabreichung, Anwendung) an einer Patientin
oder einem Patienten durch eine hierzu berechtigte Person. Aus formaler Sicht
seien die Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen
Mengen nur für Tätigkeiten verbindlich, die unter die oben zitierte Definition
der Herstellung fielen. Tätigkeiten, die unter die Definition der
Rekonstitution fielen, lägen ausserhalb des Geltungsbereichs der genannten
Regeln.
4.4.2. Damit ist jedoch über die Frage der Anwendbarkeit von
ALT II D 2 auf die vorliegend in Rechnung gestellten Bearbeitungen und
insbesondere über die Massgeblichkeit "guten Herstellungspraxis
(GMP)" im Sinne der Ph. Helv. noch nicht entschieden.
Das Schiedsgericht hat der swissmedic im Rahmen seiner
amtlichen Erkundigung die Frage unterbreitet, ob der heute geltende
medizinische Standard sowie die Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der
Mitarbeitenden und der Patientensicherheit zwingend verlangten, dass die
Aufbereitung der erwähnten Zytostatika durch eine Apotheke erfolge. Das
Schiedsgericht hat bei der Formulierung dieser Frage auf Art. 26 Abs. 1 HMG hingewiesen,
wonach bei der Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln die
anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften
beachtet werden müssen. Die swissmedic hält dazu in ihrem Schreiben vom 21.
Oktober 2021 einleitend fest, ungeachtet der in der Ph. Helv. getroffenen
Unterscheidung zwischen Herstellung und Rekonstitution fordere die
Fachinformation (vgl. im Einzelnen nachstehende Erw. 5.2.2) eine aseptische
Zubereitung der genannten Zytostatika. Formal sei eine aseptische Zubereitung
gemäss Fachinformation zwar als Rekonstitution zu taxieren. Es gelte aber zu
eruieren, wie «unter aseptischen Bedingungen» rekonstituiert werden könne.
Gemäss Art. 26 Abs. 1 HMG müssten bei der Abgabe von Arzneimitteln die
anerkannten Regeln der pharmazeutischen Wissenschaften beachtet werden. Die
‘Regeln der guten Herstellungspraxis in kleinen Mengen’ beschrieben den heute
geltenden Standard zur Einhaltung aseptischer Bedingungen. Die entsprechenden
Anforderungen hinsichtlich Qualitätssicherungssystem, Personal, Räumlichkeiten
und Ausrüstung, Dokumentation, Produktion, Qualitätskontrolle, Monitoring, etc.
seien im Anhang 2 der genannten Regeln enthalten (Steril-Anhang, Kapitel 20.2
Ph. Helv.).
Die swissmedic hält damit zwar einerseits fest, dass die Ph.
Helv. die in Kapitel 20.1 f. Ph. Helv. formulierten Regeln als auf die
Rekonstitution nicht anwendbar erklärt (vgl. Ph. Helv. Ziff. 20.1.A.2 Abs. 2:
Die Regeln "gelten nicht für die Rekonstitution [im Sinne diese Regeln;
siehe Begriffsbestimmungen]"). Anknüpfend an Art. 26 Abs. 1 HMG stellt die
swissmedic jedoch klar, dass nach ihrer Auffassung "aseptische Bedingungen
nur unter Beachtung der Anforderungen gewährleistet werden kann (recte:
können), die im Anhang 2 der ‘Regeln der Guten Herstellungspraxis für
Arzneimittel in kleinen Mengen’ (Steril-Anhang, Kapitel 20.2 Ph. Helv.)
festgelegt sind. Nach unserer Einschätzung verfügt in Spitälern nur die
Spitalapotheke über entsprechende fachliche und betriebliche
Voraussetzungen".
Weiter hält die swissmedic fest, die Anforderungen an eine
aseptische Herstellung gälten sowohl für monoklonale Antikörper bzw.
Immunologika als auch "klassische" Zytostatika. Damit ist der Einwand
der Beklagten (ergänzte Klageantwort S. 10 Ziff. 3.1) entkräftet, es handle
sich bei den Arzneimitteln Q___, W___, U___ um monoklonale Antikörper, von
denen keine speziellen Gefahren ausgingen, weshalb es keiner aseptischen
Herstellung nach GMP bedürfe und auch keine besonderen Vorsichtsmassnahmen
erforderlich seien, weil von diesen - im Unterschied zu den anderen Zytostatika
- keine speziellen Gefahren ausgingen (ergänzte Klageantwort S. 19 Ziff. 7.2.2
lit. a).
4.4.3. Aufgrund dieser Erörterungen der swissmedic ergibt sich
zusammenfassend, dass die Beklagten mit ihrem Einwand, die den Rechnungen 1 bis
4 zugrundliegenden Bearbeitungen seien nicht unter den Begriff der Herstellung
zu subsumieren, nicht durchdringen. Die am Normzweck orientierte Auslegung von
ALT II D 2 ergibt, dass nicht der Wortlaut "Herstellung" entscheidend
ist, sondern dass die Bearbeitung Vorgaben erfüllen muss, welche jenen der
Herstellung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c HMG sowie den Regeln der
medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft im Sinne von Art. 26 Abs. 1 HMG
entsprechen.
Dieses Ergebnis lässt sich auch auf ein in den Akten
befindliches Schreiben der Gesellschaft Schweizerischer Amts- und
Spitalapotheker (GSASA) vom 16. März 2007 (Beilage 36 zur Klage mit ergänzter
Klagebegründung vom 16. März 2020) stützen. Die GSASA legt dar, um die
pharmazeutische Leistung im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Zytostatika
zur Applikation (inkl. Qualitätssicherung und Personenschutzmassnahmen
definiert durch die SUVA) abzugelten, sei im Jahre 2002 der Tarif gemäss ALT II
D 2 betreffend die Zubereitung von Zytostatika in die ALT aufgenommen worden. Dies
bestätigt auch die KAV, welche ausführt, zur Abgeltung des Zusatzaufwandes der
zentralen Herstellung sei die Taxe gemäss ALT II D 2 in der ALT (Stand 2005)
eingeführt worden (Auskunftsschreiben der KAV vom 25. Januar 2022 S. 4 lit. d).
Die GSASA führt in ihrem Schreiben vom 16. März 2007 weiter
aus, zuvor sei dieser Leistungstarif zwischen Krankenversicherungsverband sowie
einem Spitalverband und der GSASA verhandelt worden. Die GSASA und der
Spitalverband seien deshalb als Verhandlungspartner aufgetreten, weil es primär
Spitalapotheken und nur in Ausnahmefällen öffentliche Apotheken seien, die
dieses Verfahren anwendeten. Die pharmazeutische Leistung sei auch nicht im
TarMed enthalten, weshalb eine Aufnahme in der ALT vom damals zuständigen Bundesamt
für Sozialversicherungen als sinnvoll erachtet worden sei. In der Folge sei es
zu einem Disput um die Begriffe „Herstellung“ und „Zubereitung“ gekommen,
"zumal die onkologischen Praxen den selben Tarif für sich beanspruchten".
Aufgrund dessen sei die swissmedic damit beauftragt worden, die Probleme
bezüglich der Voraussetzungen und Definitionen, welche sich in der Praxis beim
Zubereiten von Zytostatika ergeben, zu klären. Aus dieser Klärung habe sich
eine Textanpassung in der ALT ergeben, wonach neu nicht mehr von Zubereitung,
sondern von Herstellung gesprochen werde. Die im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe noch umstrittenen Definitionen hätten in der Ph. Helv. "Einzug
gehalten (GMP für kleine Mengen), die als verbindliche Rechtsgrundlage für die
Inspektionen durch die kantonalen Behörden" dienten. Im Sommer 2006 sei zudem
ebenfalls in der Ph. Helv. die GMP für Zytostatika erlassen worden, die als
Grundlage für die Ausstellung einer kantonalen Herstellungsbewilligung zur
Herstellung von Zytostatika diene (Art. 52 HMG). Schliesslich wird im Schreiben
vom 16. März 2007 ausgeführt, alle Betriebe mit kantonaler Herstellungsbewilligung
hätten für die Bereitstellung zur Applikation von Zytostatika immer das
Verfahren der Herstellung anzuwenden. "D.h. die Herstellung kann auch das
in der Fachinformation definierte Verfahren der Zubereitung enthalten, fügt
jedoch die Qualitätskontrolle, die Freigabe und die Lagerung aufgrund der in
der Pharmakopie festgelegten Grundlagen hinzu".
ALT II D 2 umschreibt, welche Vorgaben bei der Bereitstellung
von Zytostatika gemäss SL in einer NaCl-Lösung zur unmittelbaren Injektion
bzw., was den vorliegenden Rechnungen 1 – 4 zugrunde liegt, zur unmittelbaren
Infusion beim Patienten einzuhalten sind. Das Schreiben der GSASA vom 16. März
2007 gibt im Sinne einer historischen Auslegung von ALT II D 2 einen Hinweis
auf die Hintergründe, welche zu der in Alt II D 2 niedergelegten Formulierung
dieser Vorgaben geführt haben. Aus dem Schreiben der GSASA vom 16. März 2007 ist
zu schliessen, dass das vorrangige Ziel darin bestand, die Bearbeitung von
Zytostatika nur dann zu entschädigen, wenn diese unter Beachtung der in der Ph.
Helv. formulierten Voraussetzungen der Guten Herstellungspraxis (GMP) durch die
dafür geeignete Institution erfolgt. Damit geht einher, dass die GSASA im
Kontext von ALT II D 2 die Zubereitung der Herstellung gleichsetzte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der in ALT II D 2
verwendete Begriff der Zytostatika-"Herstellung" der grundsätzlichen
Anwendbarkeit der Regelung von ALT II D 2 auf die in den Rechnungen 1 bis 4
geltend gemachten Positionen "Herstellungstaxe ALT Zyto ambulant"
nicht entgegensteht, sofern die in dieser Bestimmung genannten prozeduralen
Voraussetzungen erfüllt sind.
5.
5.1.
Die Beklagten bestreiten jedoch, dass für die Bearbeitung von
Zytostatika, wie sie den Rechnungen 1- 4 zugrunde liegt, die in ALT II D 2
niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Insbesondere wird geltend
gemacht (ergänzende Klageantwort S. 10 Ziff. 3.1), bei den Arzneimitteln Q___, W___,
U___ handle es sich um monoklonale Antikörper, von denen keine speziellen
Gefahren ausgingen, die besondere Schutzmassnahmen rechtfertigen würden,
weshalb bereits deshalb auch keine ALT-Bearbeitungstaxe im Sinn der aseptischen
Zytostatika-Herstellung gemäss guter Herstellungspraxis (GMP) verrechnet werden
dürfe. Bei allen von der Klägerin aufgelisteten Zytostatika (Q___, W___, U___, S___
und Y___) handle es sich zudem um konfektionierte und verwendungsfertige
Zytostatika-Arzneimittel der SL, die lediglich in einer Natriumchlorid (NaCl)-Lösung
aufgelöst werden müssten. Ein Herstellungsverfahren im eigentlichen Sinn finde
dabei nicht statt.
Bei der Beimischung von Zytostatika in einer NaCI-Lösung könne von
einer "Herstellung im eigentlichen Sinn" - entgegen der Auffassung
der Klägerin - damit offensichtlich keine Rede sein, insbesondere könne gemäss
Anhang 4 lit. D Ziff. 2 KLV auch nicht von einer "aseptischen
Zytostatika-Herstellung gemäss guter Herstellungspraxis (GMP)" gesprochen
werden (ergänzende Klageantwort S. 11 Ziff. 3.3).
Weiter wird ausgeführt (ergänzte Klageantwort S. 11 Ziff. 3.3),
die von der Klägerin verrechnete ALT-Herstellungstaxe setze (neben einem
verwendeten ALT-Präparat, Wirk- und Hilfsstoff, vgl. vorstehende Erw. 3.2.)
zusätzlich auch eine qualifizierte Arbeitseinheit mit Sicherheitswerkbank
voraus. Dies sei jedoch vorliegend nicht erforderlich. Keine der von der
Klägerin aufgelegten Fachinformationen der swissmedic sehe eine aseptische
Herstellung nach GMP vor. Die Fachinformationen hielten lediglich (wenn
überhaupt) eine "aseptische Technik" oder "Zubereitung unter
aseptischen Bedingungen" oder "Einhaltung der Standardvorschriften
für den Umgang mit Zytostatika" fest. Dass diese in einem Reinraum und an
einer Sicherheitswerkbank der Klasse II zu erfolgen hätten, beweise die
Klägerin damit nicht.
5.2.
5.2.1. Die KAV bestätigt mit ihrem im Rahmen der amtlichen
Erkundigung eingeholten Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022 die in
vorstehender Erw. 4.4.2. wiedergegebenen Äusserungen der swissmedic. Sinngemäss
mit Hinweis auf Art. 26 Abs. 1 HMG schliesst das Schreiben vom 25. Januar 2022
mit den Worten, die Fachexperten der KAV seien "dezidiert der Meinung,
dass nur eine zentralisierte aseptische Rekonstitution und Herstellung vor
allem von parenteralen Lösungen mit Wirkstoffen mit einem besonderen
Risikoprofil dem aktuellen Stand der pharmazeutischen und medizinischen
Wissenschaft entspricht".
Die Anforderungen an eine aseptische Herstellung seien in den
Pharmacopoen, aber auch in der durch das EDQM ("European Directorate for
the Quality of Medicines" des Europarats, Herausgeberin der Europäischen
Pharmakopoe) in Kraft gesetzten “Resolution CM/Res (2016)/2 on good
reconstitution practices in health care establishments for medical products for
parenteral use” (vgl. Beilage 31 zur ergänzten Klagebegründung vom 16. März
2020) im Detail umschrieben. Die KAV hält fest, dass bereits heute die
Hersteller in der Fachinformation für bestimmte Arzneimittel explizit eine
aseptische Herstellung bzw. Rekonstitution verlangten. Einige Hersteller
präzisierten dies noch. So stehe bei Q___ (ein monoklonaler Antikörper) in der
Fachinformation: "Die Dosierungsspritze unter kontrollierten und
validierten aseptischen Bedingungen vorbereiten" (vgl. Arzneimittelinformation
zu Q___ SC, Injektionslösung, eingesehen unter www.swissmedicinfo.ch). Wenn
andere Hersteller von einer aseptischen Rekonstitution sprächen, so sei analog
vom Erfordernis der aseptischen Herstellung bzw. Rekonstitution auszugehen.
5.2.2. Zum Erfordernis der Asepsis ist festzuhalten, dass die
Fachinformationen sich wie folgt äussern:
-
Q___ vgl. Rechnung 1, Duplikbeilage 13): "Die
Infusionslösung muss unter Einhaltung aseptischer Technik … zubereitet werden
". Hierauf weisen auch die Beklagten (Duplik S. 5 ii) hin.
-
S___ (vgl. Rechnung 2, Klagbeilage 20; Duplikbeilage 15): "Bei
der … Zubereitung der Infusionslösung … sind die Vorschriften für Zytostatika
zu befolgen". Aus mikrobiologischen Gründen sollte die gebrauchsfertige
Zubereitung unmittelbar nach Verdünnung/Rekonstitution verwendet werden. Falls
dies nicht möglich sei, lägen Aufbrauchsfristen und Lagerbedingungen in der
Verantwortung des Anwenders und sollten normalerweise nicht länger als 24 Std.
bei 2-8 °C betragen, ausser wenn die Verdünnung/Rekonstitution unter
kontrollierten und validierten aseptischen Bedingungen erfolgte. Die Beklagten
(Duplik S. 5 ii) weisen ihrerseits auf die Vorgabe hin, wonach die
gebrauchsfertige Zubereitung nach Möglichkeit unmittelbar nach der Zubereitung
zu erfolgen hat.
Entscheidend bleibt jedoch, dass
auch die Produktinformation für S___ auf die Vorschriften für Zytostatika
verweist, was die Beachtung aseptischer Bedingungen beinhaltet.
-
Zu U___ (vgl. Rechnung 2, Klagbeilage 19; Duplikbeilage 16)
findet sich bezüglich Asepsis kein expliziter Hinweis. Entgegen den Darlegungen
der Beklagten (Duplik S. 5 ii) ist daraus jedoch nicht abzuleiten, bei
Anwendung von U___ kämen die Vorgaben der Beachtung aseptischer Bedingungen
nicht zum Zuge. Bei den Hinweisen zur Handhabung wird nämlich festgehalten,
dass durchsichtige bis weisse, proteinhaltige Partikel in der verdünnten Lösung
sichtbar sein können; Die Infusionslösung werde während 30 Minuten intravenös
unter Verwendung eines sterilen, pyrogenfreien Inline- oder Add-on-Filters mit 0,2
bis 5 µm Porengrösse und geringer Proteinbindung verabreicht. Zutreffend legt
die Klägerin (Klage mit ergänzter Klagebegründung S. 28 Rz 61) dar, dass im
Fall von U___ die mögliche Immunsuppression bereits in der
Herstellerinformation angegeben werde, was wiederum die Notwendigkeit einer
aseptischen Herstellung für die Patientensicherheit beinhalte.
-
W___ (vgl. Rechnung 3, Klagbeilage 14; Duplikbeilage 14):
"…. sollte durch eine medizinische Fachperson unter aseptischen
Bedingungen zubereitet werden". Auch die Beklagten weisen auf diese Stelle
der Fachinformation hin (Duplik S. 5 ii). Entscheidend ist dabei nicht, dass
die Fachinformation nicht auf eine Sicherheitswerkbank hinweist, sondern, dass
aseptische Bedingungen zu beachten sind. Die Fachinformation (S. 14) gibt vor,
dass eine nicht verabreichte Infusionslösung maximal 24 Stunden gelagert werden
könne, es sei denn die Verdünnung habe unter kontrollierten und validierten
aseptischen Bedingungen stattgefunden. Auch dies widerspiegelt klar die Vorgabe
der Bearbeitung unter aseptischen Bedingungen (vgl. Stellungnahme der Klägerin
vom 25. April 2022 S. 2 Ziff. 5). W___ gehört unbestrittenermassen zu den
monoklonalen Antikörpern. Hinzuweisen ist auf die Ausführungen sowohl der
swissmedic (vgl. Erw. 4.4.2.) als auch der KAV (vgl. Auskunftsschreiben der KAV
vom 25. Januar 2022 S. 4 lit. a), wonach die Anforderungen bezüglich Asepsis
für klassische Zytostatika und monoklonale Antikörper identisch sind.
-
Y___ (vgl. Rechnung 4, Klagbeilage 24): "… wird unter
aseptischen Bedingungen … für Injektionszwecke rekonstituiert". Die
Beklagten (Duplik S. 6 ii) legen darum unzutreffend dar, es finde sich in der
Fachinformation kein Hinweis auf die massgeblichen aseptischen Bedingungen. Die
Beklagten selber erwähnen (a.a.O.) zusätzlich, dass die Fachinformation für Y___
auf die Standardvorschriften für den Umgang mit Zytostatika verweist.
Die Voraussetzungen für eine aseptische Herstellung bzw.
Rekonstitution sind gemäss den Ausführungen der KAV heute in der Regel nur in
einer Spitalapotheke mit einer Herstellbewilligung und Räumen für eine
aseptische Herstellung gegeben. Die KAV bestätigt das Erfordernis der
Herstellung in einer Apotheke für Produkte mit erhöhtem Sicherheitsrisiko zudem
mit Hinweis auf Abschnitt 4 der Resolution CM/Res (2016)/2.
Das Auskunftsschreiben der KAV vom 25. Januar 2022 (S. 4 lit.
a) bestätigt sodann die Äusserung der swissmedic, dass die Anforderungen für
monoklonale Antikörper bzw. Immunologika einerseits und die klassischen
Zytostatika andererseits hinsichtlich der Anforderungen an die Asepis identisch
seien. Ergänzend führt die KAV dazu aus, monoklonale Antikörper seien zwar
nicht auf der Liste der CMR-Substanzen (CMR steht für: karzinogen, mutagen und reproduktionstoxisch)
aufgeführt, hätten jedoch meist reproduktionstoxische Eigenschaften bzw. ein reproduktionstoxisches
Potential, oder aber dies sei noch nicht abgeklärt. Deshalb gehöre es zur
Sorgfaltspflicht des Betriebes, das Personal beim Umgang mit diesen Substanzen
zu schützen. Darum sei es auch aus Sicherheitsgründen üblich, monoklonale
Antikörper wie Zytostatika in einem biohazard laminar flow in Räumen der
Klassifizierung A in B herzustellen. Damit bekräftigt die KAV das in ALT II D 2
angesprochene Erfordernis der qualifizierten Arbeitseinheit ("für
Zytostatika qualifizierten Arbeitseinheit mit Sicherheits-Werkbank nach
SUVA-Empfehlungen", vgl. Broschüre der SUVA "Sicherer Umgang mit
Zytostatika", Ziff. 5 "Schutzmassnahmen bei der Herstellung und
Zubereitung von Zytostatika", Klagbeilage 2 S. 33 ff.). Diese
Argumentation der KAV vermögen die Beklagten mit der nicht näher begründeten
Äusserung eines Mitarbeiters eines Pharmaunternehmens (E-Mail vom 29. November
2019, Beilage 5 zur Stellungnahme vom 5. Dezember 2019 im Hinblick auf die
Vermittlungsverhandlung), es seien bei der Handhabung von Zytostatika in
Gestalt monoklonaler Antikörper keine speziellen Vorsichtsmassnahmen
erforderlich, nicht zu entkräften.
5.2.3. Vor dem Hintergrund der Ausführungen der KAV wird klar,
dass eine aseptische Technik ungenügend ist, die sich darauf beschränkt, eine
Zytostatika-Lösung mittels einer sterilen Spritze aufzuziehen und dieser NaCl
zuzufügen (so die ergänzte Klageantwort S. 18 Ziff. 7.1.4.). Die KAV stellt zur
Frage, ob sie im Rahmen ihrer Kontrolle eine Aufbereitung der Verwendung von
sterilisierten Druckausgleichssystemen und einem sorgfältigen Umfang durch
entsprechend geschultes Fachpersonal ausserhalb der Reinraum-Umgebung einer
Apotheke beanstanden würde, nochmals klar, dass aseptische Rekonstitutionen und
Herstellungen von Präparaten, bei denen die Mitarbeitenden ein gesundheitliches
Risiko besteht, in einer kontrollierten Umgebung mit einer Sicherheitswerkbank
erfolgen müssen (Auskunftsschreiben der KAV vom 25. Januar 2022 S. 4 lit. b).
Die KAV stellt überdies klar, (a.a.O. S. 4 lit. c), dass dieser Sacherhalt
durch die Kantonsapothekerinnen und Kantonsapotheker einheitlich beurteilt
werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. Stellungnahme vom 21. März
2022 S. 6 Ziff. 7.4) lässt die KAV die hier erörterte Frage somit nicht offen.
5.2.4. Auch der Hinweis auf BGE 144 V 333 vermag den Beklagten
nicht weiterzuhelfen. Die Beklagten argumentieren, die gemäss Rechnungen 1 bis
4 eingesetzten Zytostatika seien verwendungsfertig. Somit komme ein
Herstellungsverfahren gar nicht zum Tragen.
In dem von den Beklagten angerufenen Präjudiz (BGE 144 V 333 E.
10.2.1 S. 345) wird dargelegt, der Begriff "verwendungsfertig" finde
sich auch in Art. 9 Abs. 1 HMG. Darunter sei nach der dazugehörenden Botschaft
zu verstehen, dass das Produkt in der endgültigen Form sei, wie es an die
Patientinnen und Patienten abgegeben werden dürfe. Ein gefriergetrocknetes
Produkt, welches unmittelbar vor der Applikation mit einem Lösungsmittel
aufgelöst werden müsse, gehöre auch dazu. Demgegenüber gelte Bulkware, die noch
abgepackt (konfektioniert) werden müsse (z.B. fertig gepresste, aber
unverpackte Tabletten in Grossmengen), nicht als verwendungsfertig (Botschaft
vom 1. März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte
[Heilmittelgesetz, HMG], BBl 1999 3453 ff., 3495). Aufgrund dieser Ausführungen
in der bundesrätlichen Botschaft sei "verwendungsfertig" mit "in
der endgültigen, abgabefertigen Form" gleichzusetzen. Medikamente seien
dann verwendungsfertig, wenn sie die letzte Stufe des Produktionsprozesses
durchlaufen hätten und "bereit zum Gebrauch" seien. Im konkreten Fall
bezeichnete das Bundesgericht Augentropfen als verwendungsfertig, welche im
letzten Produktionsschritt in sogenannte Ophtiolen abgefüllt worden seien, aus
denen der Patient sich das Arzneimittel ins Auge tropfen kann. Daran ändere
sich selbst dann nichts, wenn die Augentropfen im Unterschied zu herkömmlichen
Produkten dem Patienten tiefgefroren abgegeben würden und vor der Anwendung
aufgetaut werden müssten. Dieser Vorgang sei vergleichbar mit dem in der
Botschaft erwähnten Auflösen eines (ebenso als verwendungsfertig geltenden)
gefriergetrockneten Produkts.
Definitionsgemäss ist ein Arzneimittel nur dann
verwendungsfertig, wenn es nicht noch einer Herstellungstätigkeit bedarf (vgl.
Urteil des Bundesgerichts 2A.343/2006 vom 1. November 2006, E. 2.4 mit
Hinweisen). Vorliegend erfolgt gemäss dem Dargelegten die Vorbereitung zur
Abgabe an den Patienten unter aseptischen Bedingungen. Die Dosierung bedarf
höchster, durch Fachpersonal sicherzustellender Exaktheit. Die grundsätzliche
Anwendbarkeit der Regelung von ALT II D 2 auf die vorliegend in Rechnung
gestellten Bearbeitungen steht wie erwähnt in Einklang mit ihrem Normzweck. Die
von ALT II D 2 erfassten Arbeitsschritte können zwar auch die Rekonstitution
beinhalten, jedoch darüber hinaus auch die Qualitätskontrolle, die Freigabe und
die Lagerung aufgrund der in der Ph. Helv. festgelegten Grundlagen (vgl.
vorstehend Erw. 4.4.2. f.), somit weitere Schritte im Sinne der Herstellung. Für
die Frage der Subsumtion der gemäss Rechnungen 1 bis 4 zu entgeltenden Bearbeitung
unter ALT II D 2 lässt sich folglich aus dem Begriff "verwendungsfertig"
und dem hierzu ergangenen Präjudiz (BGE 144 V 333) nichts herleiten.
Zwar spricht sich die Praxis (vgl. Urteil der Eidgenössischen
Rekurskommission für Heilmittel vom 11. Mai 2005, VPB 2005 Nr. 98 S. 1178, 1185
ff. E. 3.2.1.) für eine ausdehnende Auslegung des in Art. 9 Abs. 1 HMG
verwendeten Begriffs der verwendungsfertigen Arzneimittel aus. Dabei ist jedoch
im Auge zu behalten, dass der Zulassungspflicht gemäss Art. 9 Abs. 1 HMG nur
verwendungsfertige Arzneimittel unterliegen. Mit der ausdehnenden Auslegung des
Begriffs des verwendungsfertigen Arzneimittels wird bezweckt, "auszuschliessen,
dass einzelne Arzneimittel direkt an die Anwendenden abgegeben werden, ohne
dass alle (gesetzlich vorgeschriebenen) Herstellungsschritte umfassend
abgeschlossen wurden" (a.a.O.). Diese Praxis will somit die Unterstellung
einer möglichst grossen Bandbreite von Medikamenten unter die
Bewilligungspflicht gemäss Art. 9 Abs. 1 HMG sicherstellen. Damit unterscheidet
sich jedoch der Normzweck von Art. 9 Abs. 1 HMG klar von demjenigen der Regelung
von ALT II D 2, sodass auch aus diesem Grunde die zu Art. 9 Abs 1 HMG ergangene
Praxis für die Auslegung von in ALT II D 2 nicht einschlägig ist.
5.3.
Sowohl die swissmedic als auch die KAV bestätigen zusammenfassend
und entgegen der Auffassung der Beklagten, dass es für die Bearbeitung der
Zytostatika im Sinne der Rechnungen 1 bis 4 (1) der aseptischen Bearbeitung (2)
gemäss guter Herstellungspraxis (GMP) und es (3) hierfür einer für Zytostatika
qualifizierten Arbeitseinheit mit Sicherheits-Werkbank nach SUVA-Empfehlungen
bedarf. Nicht strittig ist, dass die Klägerin (4) über eine entsprechende
Herstellungsbewilligung verfügt. ALT II D 2 ist folglich auf die den Rechnungen
1 bis 4 zugrundeliegenden Zytostatika-Bearbeitungen durch die Spitalapotheke
der Klägerin anwendbar.
6.
Die Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich
sein (Art. 32 Abs. 1 KVG). Die Voraussetzungen der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit werden als WZW-Kriterien bezeichnet.
6.1.
Eine medizinische Leistung ist als wirksam zu bezeichnen, wenn sie
objektiv geeignet ist, auf den angestrebten diagnostischen, therapeutischen
oder pflegerischen Nutzen hinzuwirken. Wirksamkeit bezeichnet die kausale
Verknüpfung von Ursache (medizinische Massnahme) und Wirkung (medizinischer
Erfolg), mithin die einfache Tatsache der allgemeinen Eignung zur
Zielerreichung (BGE 133 V 115 E. 3.1).
Das Erfordernis der Wirksamkeit ist nicht strittig und im
Zusammenhang mit den vorliegend in Frage stehenden Zytostatika ohne Weiteres zu
bejahen.
6.2.
Ob eine Leistung zweckmässig ist, beurteilt sich nach dem
diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der Anwendung im Einzelfall, unter
Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken, gemessen am angestrebten
Heilerfolg der möglichst vollständigen Beseitigung der körperlichen oder
psychischen Beeinträchtigung. Die Zweckmässigkeit fragt unter anderem nach der
medizinischen Indikation der Leistung. Nach denselben Kriterien beurteilt sich,
welche von zwei unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit alternativ in Betracht
fallenden medizinischen Massnahmen die zweckmässigere ist und im Hinblick auf
den Umfang der Kostendeckung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung
grundsätzlich zu wählen ist (BGE 130 V 299 E. 6.1).
Nach den im Rahmen der amtlichen Erkundigung eingeholten
Auskünften der swissmedic vom 21. Oktober 2021 und der KAV vom 25. Januar 2022 ist
auch dieses Kriterium zu bejahen. Die swissmedic hebt hervor, dass nur die
Spitalapotheken bei der Bearbeitung (Herstellung/Rekonstitution) von Zytostatika
über die Voraussetzungen verfügen, um dem medizinischen Standard im Sinne von
Art. 26 Abs. 1 HMG zu genügen. Entscheidend sei dabei, den Herstellungsprozess
aseptisch durchzuführen. Die KAV verweist namentlich auf das Ziel, die
medizinischen Institutionen an den aktuellen Stand der pharmazeutischen und
medizinischen Wissenschaft und Technik heranzuführen. Nur so könne
sichergestellt werden, dass der Patient sicher sein könne, dass die Qualität
und Sicherheit der Arzneimittel, die er erhalte, dem aktuellen Stand der
pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaften entsprechen. Zusätzlich müsse
das Fachpersonal bei der Rekonstitution und Herstellung, insbesondere von
Arzneimitteln zur Behandlung von Krebserkrankungen, auch entsprechend geschützt
sein, wie dies das Arbeitsgesetz verlange. Deshalb müssten aseptische
Rekonstitutionen und Herstellungen von Präparaten, bei denen für die
Mitarbeitenden ein gesundheitliches Risiko bestehe, in einer kontrollierten
Umgebung und in einer Sicherheitswerkbank erfolgen. Mit diesen Ausführungen äussert
sich die KAV zur Frage (Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022, S. 4 lit. b),
ob sie im Rahmen ihrer Kontrollen eine Aufbereitung von Zytostatika durch
Verwendung von sterilisierten Aufziehspritzen beanstanden würde. Die KAV stellt
mit ihren Darlegungen zu dieser Frage den Aspekt der grösstmöglichen Sicherheit
entsprechend dem Stand der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft
sowohl für Patienten als auch Fachpersonal bei der Anwendung von Zytostatika in
den Vordergrund. Diese Äusserungen der KAV sind auch hinsichtlich des
Kriteriums der Zweckmässigkeit relevant. Die KAV bringt damit
unmissverständlich, wie schon die swissmedic, zum Ausdruck, dass nur die den
hohen Anforderungen im Sinne von ALT II D 2 genügende Vorgehensweise auch
zweckmässig ist.
6.3.
6.3.1. Das Wirtschaftlichkeitserfordernis im Sinne von Art. 32
Abs. 1 KVG bezieht sich nach der Rechtsprechung auf die Wahl unter
mehreren zweckmässigen Behandlungsalternativen: Bei vergleichbarem
medizinischem Nutzen ist die kostengünstigste Variante bzw. diejenige mit dem
besten Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu wählen. Unter dem allgemeinen Gesichtspunkt
der Verhältnismässigkeit ist eine Leistung zu verweigern, wenn zwischen Aufwand
und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht, was eine Beurteilung des
Verhältnisses von Kosten und Nutzen voraussetzt (BGE 136 V 395 E. 7.4).
6.3.2. In der Klage mit ergänzter Klagbegründung (S. 10 Rz 18)
legt die Klägerin dar, je nach Wirkstoffkomponente sei es möglich, soweit
Lagerfähigkeit gegeben sei, die Restmengen zur Weiterverwendung zu lagern. Bei
Einhaltung der aseptischen Herstellungstechnik und in der Umgebung der
Spitalapotheke könnten somit auch angebrochene Packungen, welche unter anderen
Bedingungen entsorgt werden müssten, weiterverwendet werden. Diese Ausführungen
werden in der ergänzten Klageantwort vom 16. Juni 2020 (S. 14 lit. i ad Rz 16
bis 18) nicht bestritten. Bei den mit den Rechnungen 1 – 4 fakturierten
Zytostatika handelt es sich um sehr teure Medikamente (jeweils handelte es sich
um Beträge über mehrere CHF 1'000.--; vgl. z.B die Position "U___"
vom 23. April 2019 über CHF 5'084.42 in der Rechnung 2 der Klägerin,
Klagbeilage 22). Im Verhältnis dazu erweist sich der finanzielle Aufwand von
CHF 58.-- je fakturierter "Herstellungstaxe ALT Zyto ambulant", der
erforderlich ist, um die kostspieligen Zystostatika möglichst sparsam zum
Einsatz zu bringen, als sehr geringfügig. Die geschilderte
Weiterverwendungsmöglichkeit trägt offensichtlich zu Einsparungen bei, da je
Patient nur die effektiv verwendete Menge des Medikaments verrechnet wird (vgl.
die Klage mit ergänzter Klagbegründung S. 21 Ziff. 37). Die KAV bestätigt dies
in ihrem Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022. Sie legt dar, der grosse
Vorteil einer zentralen Herstellung bestehe darin, dass den Krankenversicherern
nur die effektiv benötigte Arzneimittelmenge verrechnet werde. Mit einer
zentralen Bearbeitung könne insgesamt davon ausgegangen werden, dass die
Therapiekosten über alle Therapien bzw. Dosierung günstiger würden als bei
dezentraler Bearbeitung. Die ALT-Taxe stelle damit eine teilweise Abgeltung für
den erhöhten Aufwand bei der Sicherheit und Qualität dar.
Die Beklagten argumentieren (Stellungnahme vom 21. März 2022 S.
6 Ziff. 7.5), es sei der Klägerin und anderen Leistungserbringer nicht
freigestellt, ob sie angefangene Packungen aufbrauchen oder nicht. Vielmehr habe
das Spital von Gesetzes wegen seine Prozesse so zu optimieren und
zentralisieren, dass die Ressourcen bzw. besagten Medikamenten-Packungen
(vorliegend Zytostatika-Ampullen) bestmöglich aufgebraucht würden. Darum seien
von der KAV angeführte Berechnungsbeispiele zur Wirtschaftlichkeit (vgl.
Beilagen zum Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022) nicht aussagekräftig.
Dieser Argumentation ist jedoch zu entgegnen, dass auch bei optimaler
Organisation von einer bestimmten Substanz Restmengen anfallen können. Um deren
wirtschaftliche Verwendung zu ermöglichen, ist die Lagerung zwecks
Weiterverwendung unabdingbar.
Ins Gewicht fällt unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit
zudem, dass die gemäss ALT II D 2 resultierende Bearbeitungstaxe gemäss
Darstellung der Klägerin (Klage vom 5. November 2019 S. 12 Ziff. 26, ergänzte
Klagebegründung vom 16. März 2020 S. 10 f. Ziff. 19 und S. 19 Ziff. 32)
"bei weitem" nicht kostendeckend sei, dies obwohl ein Tarif
grundsätzlich mit Vollkosten zu rechnen hätte. Diesem Argument stellen die
Beklagten (vgl. ergänzte Klageantwort S. 15 Ziff. c ad Rz 25-26) lediglich den
von ihnen im Grundsatz vertretenen Standpunkt entgegen, vorliegend sei ALT II D
2 nicht anwendbar. Die Klägerin verweist diesbezüglich zu Recht auf Art. 44
KVG, wonach die Klägerin nur den geltenden Tarif und keine darüberhinausgehenden
Honorare geltend machen darf (ergänzte Klagbegründung vom 16. März 2020 S. 10
f. Ziff. 19).
6.3.3. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ist auch
die Unfallprävention zu würdigen Die KAV hält dazu im Schreiben vom 25. Januar
2022 fest, dass die vorliegend in Frage stehenden Arzneimittel (Q___, W___, U___,
S___ und Y___) durch eine Medizinalperson unter aseptischen Bedingungen
bearbeitet werden müssen. Nur durch die Gewährleistung der aseptischen
Bedingungen werde verhindert, dass die Sterilität des Arzneimittels durch die Bearbeitung
gefährdet werde.
6.3.4. Die Beklagten bestreiten die Wirtschaftlichkeit mit dem
Argument (vgl. Stellungnahme vom 5. Dezember 2019 im Hinblick auf
Vermittlungsverhandlung S. 8 Ziff. 3.4, vgl. auch Stellungnahme zu den
amtlichen Erkundigungen vom 21. März 2022 Ziff. 3.3, 7.1. und 7.4) eine sterile
bzw. aseptische Zubereitung lasse sich bei verwendungsfertigen, in Ampullen
konfektionierten Zytostatika-Wirkstoffen auch durch die Verwendung entsprechend
sterilisierten Aufziehspritzen mit Druckausgleichsystemen und einem
sorgfältigen Umgang durch entsprechend geschultes Fachpersonal erreichen
Die Beklagten untermauern diese Darstellung jedoch nicht näher.
In der Stellungnahme vom 21. März 2022 (Ziff. 7.4) argumentieren die Beklagten,
die KAV beantworte in ihrem Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022 die Frage, ob
sie die seitens Beklagte als zulässig erachtete Rekonstitutionsmöglichkeit
mittels steriler Aufziehspritzen mit Druckausgleichsystemen beanstanden würde,
nur vage und nicht sehr aussagekräftig. Die Beklagten leiten daraus ab, dass
bei der Rekonstitution zur Einhaltung der aseptischen Technik ein gewisser
Ermessens- und Beurteilungsspielraum bestehe und nicht strikt genau die
gleichen Anforderungen erfüllt sein müssen wie bei einem eigentlichen Herstellungsprozess.
Diese Interpretation beruhe auf der Annahme (der Beklagten), dass wenn die
gleichen Anforderungen wie beim Herstellungsprozess nach den Regeln der Guten
Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen Mengen auch für die
Rekonstitution gelten würden, die Antworten der KAV zu den obgenannten Fragen
offensichtlich klarer und eindeutiger hätten ausfallen müssen und eine
uneinheitliche Praxis strikt zu beanstanden wäre. Die Antwort der KAV ist
entgegen der Auffassung der Beklagten an der fraglichen Stelle
(Auskunftsschreiben vom 25. Januar 2022 S. 4 lit. b) klar. Die KAV legt dar, ein
Ziel von Kontrollen sei es, Betriebe an den aktuellen Stand der gesetzlichen
Vorgaben und damit an den aktuellen Stand der pharmazeutischen und
medizinischen Wissenschaft und Technik heranzuführen. Nur so könne sichergestellt
werden, dass der Patient sicher sein könne, dass die Qualität und Sicherheit
der Arzneimittel, die er erhalte, dem aktuellen Stand der pharmazeutischen und
medizinischen Wissenschaften entsprächen. Zusätzlich müsse das Fachpersonal bei
der Rekonstitution und Herstellung, insbesondere von Arzneimitteln zur
Behandlung von Krebserkrankungen, auch entsprechend geschützt sein, wie dies
das Arbeitsgesetz verlange. "Deshalb müssen aseptische Rekonstitutionen
und Herstellungen von Präparaten, bei denen für die Mitarbeitenden ein
gesundheitliches Risiko besteht, in einer kontrollierten Umgebung und in einer
Sicherheitswerkbank erfolgen". Diese Formulierung weist die von den
Beklagten geforderte Klarheit und Bestimmtheit auf. Aus ihr lässt sich unmissverständlich
ableiten, dass die von den Beklagten angesprochene Alternative mit sterilisierten
Aufziehspritzen mit Druckausgleichsystemen den Anforderungen gemäss ALT II D 2
nicht genügen würde.
6.4.
6.4.1. Die Klägerin (Klage mit ergänzter Klagebegründung vom 16.
März 2020 S. 20 Rz 33) macht geltend, das Verhalten der Beklagten laufe dem
Grundsatz von Treu und Glauben zuwider. Die Klägerin verrechne seit 2005 jedes
Jahr in gleichgearteten Fällen viele tausend Male die betreffende ALT-Taxe.
Alle Krankenversicherungen mit Ausnahme der Beklagten zahlten die ALT-Taxe für
die Zytostatika-Aufbereitung anstandslos. Auf die Beklagten entfielen pro Jahr
rund 100 Rechnungen, welche ALT-Taxen für die Aufbereitung von Zytostatika enthielten.
In den Jahren 2005 bis 2018, also während 13 Jahren, hätten auch die Beklagten
diese Rechnungen anstandslos bezahlt, bis sie sich im Jahr 2018 auf den
Standpunkt gestellt hätten, diese Taxe sei nicht geschuldet sei.
Die höchstrichterliche Praxis hat sich zur Frage der
Praxisänderung im Rahmen der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung
geäussert (BGE 133 V 397, 39 E. 5.3.3). Sprechen keine entscheidenden Gründe zu
Gunsten einer Praxisänderung, ist die bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber
dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich
nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis,
veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen
entspricht. Nach der Rechtsprechung ist eine bisherige Praxis zu ändern, wenn
sie als unrichtig erkannt oder wenn deren Verschärfung wegen veränderter
Verhältnisse oder zufolge zunehmender Missbräuche für zweckmässig gehalten wird
(BGE 133 V 37, 39 E. 5.3.3 mit Hinweisen).
Nach dem vorstehend Dargelegten durfte die Klägerin die
Bearbeitungstaxe gemäss ALT II D 2 in Rechnung stellen. Bereits darum entfällt
von vornherein ein Grund für eine Praxisänderung.
6.4.2. Ohnedies erweisen sich die Argumente der Beklagten als
nicht stichhaltig:
Die Beklagten wenden ein (vgl. ergänzende Klageantwort vom 16.
Juni 2021 (S. 17 lit. j) ad Rz 33), die Klägerin verkenne, dass die Taxe
während Jahren immer wieder zu Diskussion zwischen Leistungserbringern und
obligatorischer Krankenversicherung geführt habe und die Beklagten seit
geraumer Zeit Unregelmässigkeiten in der Rechnungsstellung festgestellt und
dies auch kommuniziert hätten. Die Beklagten verweisen auf das Schreiben der
GSASA vom 16. März 2007 (Beilage 36 zur Klage mit ergänzter Klagebegründung vom
16. März 2020), wonach Differenzen bereits im Jahr 2007 thematisiert worden
seien. Das Schreiben gibt entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch einzig
wieder, dass die dort angesprochenen Differenzen Anlass gegeben hätten, ALT II
D 2 neu zu formulieren. Belege dafür, die Beklagte sich bereits vor 2018 gegen
die von der Klägerin auf ALT II D2 gestützte Rechnungstellung gewehrt hätte,
sind den Akten nicht zu entnehmen.
Hinzuweisen ist auf die Auskunft der KAV im Schreiben vom 25.
Januar 2022 (S.3 lit. d), "die entsprechende Taxe" (gemeint ist ALT
II D 2) sei "zur Abgeltung des Zusatzaufwandes der zentralen
Herstellung" eingeführt worden. Die Beklagten tun nicht dar, dass eine Veränderung
eingetreten wäre, welche zu einer anderen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit
führen müssten, als dies schon im Jahr 2005 der Fall war.
7.
7.1.
Unstreitig haben die Beklagten im Verlauf des Prozesses die mit der
Klage vom 5. November 2019 geltend gemachten Beträge über insgesamt CHF
58'143.40 an die Klägerin bezahlt.
Mit ergänzter Klageantwort vom 16. Juni 2020 und mit Duplik vom
8. September 2020 beantragen die Beklagten, die Klägerin sei zur Rückzahlung an
die Beklagte 2 zu verpflichten im Umfang von
-
CHF 117.60 (vormals E____; Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____; Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3).
Gegenüber der Beklagten 1 sei die Klägerin zur Rückzahlung zu
verpflichten im Umfang von
-
CHF 176.40 (Rechnung 4).
Demgegenüber beantragt die Klägerin mit der Replik vom 10.
August 2020 es sei festzustellen, dass folgende Zahlungen an die Klägerin zu
Recht erfolgt seien:
Zahlung der Beklagten 2 über
-
CHF 117.60 (vormals E____, Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____, Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3).
Zahlung der Beklagten 1 über
-
CHF 176.40 (Rechnung 4)
7.2.
Die Beklagten haben aus Gründen der Praktikabilität bzw. angesichts
mangelnder technischer Alternativen die mit der Klage geltend gemachten
Rechnungen in vollem Umfang bezahlt, dies verbunden mit dem Vorbehalt der
Rückforderung der von der Klägerin auf ALT II D 2 gestützten Teilbeträge. Angesichts
dieses Vorbehaltes der Beklagten sind die Forderungen der Klägerin trotz der
Überweisung der fraglichen Beträge noch Prozessgegenstand und können folglich
nach wie vor Gegenstand eines Leistungsurteils bilden. Vor diesem Hintergrund ist
die Klage, soweit sie nicht zufolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben ist,
gutzuheissen, indem die Beklagte 2 verpflichtet wird, der Klägerin zu leisten:
-
CHF 117.60 (vormals E____, Rechnung 1);
-
CHF 176.40 (vormals E____, Rechnung 2);
-
CHF 117.60 (Rechnung 3);
-
Total somit CHF 411.60;
und die Beklagte 1 verpflichtet wird, der Klägerin zu leisten:
-
CHF 176.40 (Rechnung 4).
und zugleich festzustellen, dass die Klägerin die genannten
Beträge bereits erhalten hat.
Im Übrigen ist das Klageverfahren zufolge teilweiser Anerkennung
der sowohl gegen die Beklagte 1 als auch die Beklagte 2 gerichteten Klage
gegenstandslos geworden und darum abzuschreiben.
Auf das Feststellungsbegehren der Beklagten gemäss ergänzter
Klageantwort vom 16. Juni 2020 Ziff. 6 bzw. Duplik vom 8. September 2020 Ziff.
6 ist zufolge Gegenstandslosigkeit nicht einzutreten.
8.
Gemäss § 23 SVGG gelten für Prozesskosten und Entschädigungen
die Bestimmungen der Zivilprozessordnung.
8.1.
Für die Festlegung der Prozesskosten ist das Reglement vom 11. September
2017 über die Gerichtsgebühren (Gerichtsgebührenreglement, GGR; SG 154.810)
massgeblich.
In vermögensrechtlichen Streitigkeiten bemisst sich die
Grundgebühr nach dem Streitwert (§ 5 Abs. 1 GGR).
Der Streitwert der noch strittigen Forderungen beträgt CHF
588.--. Hierfür sieht § 5 Abs. 1 GGR einen Gebührenrahmen von CHF 200.-- bis
1'000.-- vor. Angesichts der Komplexität ist hier das Maximum von CHF 1'000.--
einzusetzen.
Der ursprüngliche Streitwert gemäss Klage bemass sich mit CHF
58'143.40. Bei einem solchen Streitwert bewegt sich der Gebührenrahmen zwischen
CHF 3'000.-- bis CHF 6'000.--. Angesichts der Komplexität bemisst sich die
Grundgebühr mit CHF 5'000.--. Zufolge weitgehender Erledigung des Prozesses
ohne Entscheid kann die Grundgebühr gemäss § 17 Abs. 1 GGR bis auf einen
Viertel ermässigt werden. Angemessen erscheint vorliegend die Reduktion der Grundgebühr
für den ohne Entscheid erledigten Teil der Klagforderungen (CHF 58'143.40 /.
CHF 588.-- = 57'555.40) auf CHF 1'250.--. Nicht in Betracht fällt hier die
Reduktion der Grundgebühr auf einen Zehntel wegen besonders geringer
Beanspruchung des Gerichts.
Die Grundgebühr beträgt somit CHF 2'250.--.
Nach § 15 Abs. 1 lit. a GGR kann die Grundgebühr um je bis 30%
erhöht werden bei Instruktionsverhandlungen (vorliegend die Verhandlung vom 15.
Januar 2020) sowie Zwischenentscheiden (vorliegend Zwischenentscheid vom 13.
Juli 2020). Dies ergibt zwei Zuschläge zu je CHF 675.--. Gemäss § 15 Abs. 1
lit. b GGR kann bei amtlichen Erkundigung (vgl. Verfügung vom 18. Februar 2021)
ein Zuschlag von 10% vorgenommen werde. Dies ergibt einen weiteren Zuschlag von
CHF 225.--.
Bei Prozessen von weitläufiger Art kann gemäss § 15 Abs. 1 lit.
c GGR die Grundgebühr bis auf das Doppelte der maximalen Grundgebühr erhöht
werden. Vorliegend rechtfertigt sich, angesichts der Weitläufigkeit die
maximale Grundgebühr von CHF 1'000.-- auf CHF 2'000.-- zu verdoppeln.
Die Zuschläge betragen somit gesamthaft CHF 3'575.--.
§ 9 Abs. 2 des Reglements Reglement des
Sozialversicherungsgerichts und des Schiedsgerichts in Sozialversicherungssachen
vom 31. Juli 2016 (SG 154.250) sieht vor, dass zu den ordentlichen Kosten die
Vergütungen an die von den Parteien ernannten Mitglieder des Schiedsgerichts
hinzukommen. Diese entsprechen dem Doppelten der für die Richterinnen und
Richter des Sozialversicherungsgerichts geltenden Entschädigungen. In
ausserordentlichen Fällen kann das Schiedsgericht höhere Vergütungen festlegen.
Das Entschädigungsreglement der Gericht Basel-Stadt vom 24.
Juni 2019 (SG 154.300) sieht ein Sitzungsgeld pro halbtätige Sitzung bzw. eine
Vergütung für Aktenstudium von je CHF 210.-- vor. Vorliegend sind somit für die
Schiedsrichter CHF 420.-- einzusetzen. Es fanden je zwei Beratungen mit
vorgängigem Aktenstudium statt. Folglich beträgt die Vergütung für jeden
Schiedsrichter CHF 1'640.--, somit total CHF 3'280.--.
Die ordentlichen Kosten bemessen sich zusammenfassend wie
folgt:
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die ordentlichen
Kosten in Höhe von CHF 9'105.-- den Beklagten aufzuerlegen.
8.2.
Entsprechend dem Prozessausgang haben die Beklagten eine
Parteientschädigung an die Klägerin zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 der
Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 [Zivilprozessordnung,
ZPO; SR 272]). Die Parteientschädigung wird gemäss Art. 105 Abs. 2 ZPO nach den
von den Kantonen festzusetzenden Tarifen (vgl. Art. 96 ZPO) zugesprochen. Im
Kanton Basel-Stadt sind diese im Reglement vom 16. Juni 2020 über das Honorar
und die Entschädigung der berufsmässigen Vertretung im Gerichtsverfahren
(Honorarreglement, HoR, SG 291.400) geregelt.
Die Klägerin macht ein Honorar von CHF 25'118.47 (Honorarnote
vom 24. November 2020, Beilage zur Eingabe vom 25. November 2020) geltend,
dieses wird nach Stundenaufwand berechnet. Vorliegend ist jedoch nicht § 16
Abs. 1 HoR massgebend, welcher in Sozialversicherungssachen die Berechnung des
Honorars nach dem Zeitaufwand vorsieht, sondern wie erwähnt § 23 SVGG, welcher
für die die Entschädigungen in Streitigkeiten vor dem Schiedsgericht in
Sozialversicherungssachen auf die Grundsätze der Zivilprozessordnung verweist.
In vermögensrechtlichen Zivilsachen (mit bestimmtem oder
bestimmbarem Streitwert) bestimmt sich das Honorar aus einem Grundhonorar und
allfälligen Zuschlägen und Abzügen (§ 3 Abs. 1 HoR).
Ausgehend vom ursprünglichen Streitwert von CHF 58'143.40
ergibt sich ein Gebührenrahmen von CHF 4'500.-- bis CHF 10'000.-- (§ 5 Abs. 1
HoR). Für die vorliegende Streitigkeit ist das Grundhonorar mit CHF 6'000.--
festzusetzen.
Nach § 8 Abs. 1 HoR deckt das Grundhonorar im ordentlichen Verfahren
den Aufwand für einen Schriftenwechsel und eine Verhandlung. Gemäss § 8 Abs. 2
lit. d 3. HoR können Zuschläge bis 30% gemacht werden für jede zusätzliche
Rechtsschrift. Vorliegend erfolgten 3 zusätzliche Schriftenwechsel (Klage mit
ergänzender Klagebegründung vom 16. März 2020, die Replik vom 10. August 2020
sowie eine Stellungnahme vom 16. März 2020 im Verfahren betr. amtliche
Erkundigung). Dies ergibt einen Zuschlag von 3 x CHF 1'800.--, entsprechend CHF
5'400.--.
§ 8 Abs. 2 lit. b HoR sieht einen Zuschlag bis zu 100% vor in
Prozessen mit überdurchschnittlich grossem Aufwand in rechtlicher oder tatsächlicher
Hinsicht (z.B. weitläufige oder schwierige Instruktion) vor. Unter diesem Titel
rechtfertigt sich ein weiterer Zuschlag auf dem Honorar von 30%, entsprechend
CHF 1'800.--.
Total sind somit CHF 7'200.-- zur Grundgebühr von CHF 6'000.-- hinzuzurechnen.
Nach § 8 Abs. 4 lit. c HoR kann ein Abzug von insgesamt bis 50%
gemacht werden bei Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid. Vorliegend hat
sich wie erwähnt die Streitsumme zufolge Gegenstandslosigkeit von CHF 58'143.40
auf CHF 588.--reduziert. Durch die Reduktion der Streitsumme hat sich jedoch an
der hohen Komplexität der Streitsache nichts geändert. Folglich erscheint eine
Reduktion um 20% als angemessen.
Damit beträgt das Honorar CHF 10'560.-- (CHF 6'000.-- +
7'200.-- = CHF 13'200 x 0.8). Ferner sind der Klägerin die gemäss Honorarnote
geltend gemachten Auslagen (Kleinspesenpauschale) im Umfang von 3% (Art. 95
Abs. 3 lit. a ZPO) auf der Honorarsumme von CHF 10'560.--, entsprechend CHF
316.80, nebst Mehrwertsteuer von 7,7% zu vergüten.
Demgemäss erkennt das Schiedsgericht in
Sozialversicherungssachen des Kantons Basel-Stadt:
://: Die Beklagte 2 wird verurteilt, der Klägerin
CHF 411.60 (CHF 117.60 betreffend Rechnung 1008806337, CHF 176.40 betreffend Rechnung
1008950269, CHF 117.60 betreffend Rechnung 1008852954) zu bezahlen. Es wird
festgestellt, dass die Klägerin diesen Betrag von CHF 411.60 bereits erhalten
hat.
Die Beklagte 1 wird verurteilt, der Klägerin
CHF 176.40 (betreffend Rechnung 1009024556) zu bezahlen. Es wird festgestellt,
dass die Klägerin diesen Betrag von CHF 176.40 bereits erhalten hat.
Im Übrigen wird das Klageverfahren, zufolge
teilweiser Anerkennung der Klage gegenstandslos geworden, abgeschrieben.
Auf die Feststellungbegehren der Beklagten
gemäss ergänzter Klageantwort vom 16. Juni 2020 Ziff. 6 bzw. Duplik vom 8.
September 2020 Ziff. 6 wird zufolge Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten.
Die Beklagten tragen die ordentlichen Kosten
mit einer Gebühr von
CHF 9'105.--.
Die Beklagten bezahlen eine
Parteientschädigung von CHF 10'560.-- zuzüglich Auslagen von CHF 316.80
zuzüglich CHF 837.50 (7.7% auf
CHF 10'876.80) Mehrwertsteuern an die Klägerin.
Das Schiedsgericht
IN SOZIALVERSICHERUNGSSACHEN
Die Präsidentin Der
Gerichtsschreiber
lic. iur. R. Schnyder lic. iur.
H. Dikenmann
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid
kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim
Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die
Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist
dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung
zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu
genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist
in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit
Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht
verletzt;
c) die Urkunden, auf die
sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie
in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
– Klägerin
– Beklagte 1 + 2
– Bundesamt für Gesundheit
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