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Appellationsgericht
Dreiergericht
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ZB.2022.6
ZB.2022.7
ENTSCHEID
vom 8. August 2022
Mitwirkende
Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius
Gelzer, MLaw Manuel Kreis
und Gerichtsschreiber lic. iur.
Johannes Hermann
Parteien
A____ AG
Berufungsklägerin 1
[...]
Berufungsbeklagte 2
vertreten durch [...], Advokat,
Beklagte
[...]
gegen
B____ AG
Berufungsklägerin 2
[...]
Berufungsbeklagte 1
vertreten durch [...], Advokat,
Klägerin
[...]
Gegenstand
Berufungen gegen einen
Entscheid des Zivilgerichts
vom 28. Januar 2022
betreffend Herabsetzung des
Mietzinses
Sachverhalt
Mit
Mietverträgen vom Dezember 2003 und Juni 2004 mietete die B____ AG (Mieterin)
von der A____ AG (Vermieterin) am [...]platz [...] in Basel Innenflächen von
etwa 504 m2 und eine Aussenfläche von etwa 36 m2. Als
Mietzweck wurde der Betrieb eines «[...]-Schnellimbiss-Restaurants oder eines
gleichwertigen Betriebes» vereinbart. Am 16. März 2020 verschärfte der
Bundesrat die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung aufgrund der
Corona-Pandemie. Er stufte die Situation in der Schweiz neu als ausserordentliche
Lage gemäss Epidemiengesetz ein und schloss Läden, Restaurants, Bars sowie
Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe bis voraussichtlich zum 19. April 2020.
Unter anderem blieben Take-aways und Bahnhöfe offen. Am 29. April 2020
entschied der Bundesrat, die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu
lockern und unter anderem Restaurants ab 11. Mai 2020 wieder zu öffnen. Mit
Schreiben vom 30. März 2020 verlangte die Mieterin von der Vermieterin eine Mietzinsherabsetzung
ab 1. März 2020. Mit Schreiben vom 9. April 2020 lehnte die Vermieterin eine
Mietzinsherabsetzung ab, bot aber an, die Zahlungsfrist für den zwischen dem
13. März und 31. Mai 2020 fälligen Mietzins zu verlängern.
Mit
Schlichtungsgesuch vom 15. September 2020 gelangte die Mieterin an die
Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten Basel-Stadt
(Schlichtungsstelle) und beantragte eine Mietzinsherabsetzung um 100 % für die
Zeit vom 16. März bis 10. Mai 2020 und die Rückzahlung des während dieses
Zeitraums zu viel bezahlten Mietzinses von CHF 64'719.45 nebst Zins. Nachdem im
Schlichtungsverfahren keine Einigung hatte erzielt werden können, gelangte die
Mieterin mit Klage vom 1. Februar 2021 an das Zivilgericht Basel-Stadt und
beantragte weiterhin eine Mietzinsherabsetzung um 100 %, allerdings nur noch
für den Zeitraum vom 16. bis 31. März und vom 1. bis 10. Mai 2020 sowie die
Rückzahlung des während dieses Zeitraums zu viel bezahlten Mietzinses von
(noch) CHF 29'274.85 nebst Zins. Mit Klageantwort vom 11. Juni 2021 beantragte
die Vermieterin die Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei. An der
Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2021 beschränkte die Mieterin ihr
Klagebegehren auf den Zeitraum vom 17. bis 31. März und vom 1. bis 10. Mai 2020
und reduzierte ihre Rückzahlungsforderung von CHF 29'274.85 auf CHF 23'717.75
nebst Zins. Mit schriftlich begründetem Entscheid vom 28. Januar 2022 hiess das
Zivilgericht die Klage teilweise gut, reduzierte den Mietzins vom 17. bis 31.
März und 1. bis 10. Mai 2020 um 30 % und verpflichtete die Vermieterin zur
Rückzahlung von CHF 7'115.30 nebst Zins an die Mieterin.
Gegen diesen
Entscheid erhob die Vermieterin am 28. Februar 2022 Berufung beim
Appellationsgericht. Darin beantragt sie im Kern die vollständige Abweisung der
Klage der Mieterin. Am 4. März 2022 erhob auch die Mieterin Berufung. Darin
beantragt sie im Wesentlichen die vollständige Gutheissung ihrer an der
Hauptverhandlung vor Zivilgericht gestellten Klagebegehren. Mit
Berufungsantwort vom 7. Mai 2022 beantragt die Mieterin die Abweisung der
Berufung der Vermieterin. Mit Berufungsantwort vom 23. Mai 2022 beantragt die
Vermieterin ihrerseits die Abweisung der Berufung der Mieterin, sofern darauf
einzutreten sei. Der Verfahrensleiter des Appellationsgerichts vereinigte mit
Verfügung vom 25. Mai 2022 die beiden Berufungsverfahren. Mit unaufgefordert
eingereichten Eingaben vom 29. Juni 2022 hielt die Mieterin an ihren im
Berufungsverfahren gestellten Begehren fest. Die Zivilgerichtsakten wurden
beigezogen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.
Erwägungen
1. Eintreten
In
vermögensrechtlichen Angelegenheiten steht die Berufung gegen erstinstanzliche
Entscheide offen, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren
mindestens CHF 10'000.– beträgt (Art. 308 Abs. 2 der Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Beim angefochtenen Entscheid handelt es
sich um einen Endentscheid der ersten Instanz. Der Streitwert vor Zivilgericht
betrug gemäss dem zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren der Mieterin CHF
23'717.75 (Zivilgerichtsentscheid, E. 1.2). Die beiden vorliegenden
Rechtsmittel sind deshalb als Berufungen zu behandeln. Auf die im Übrigen
frist- und formgerecht erhobenen Berufungen ist demnach einzutreten. Zuständig
zur Beurteilung der Berufungen ist das Dreiergericht des Appellationsgerichts (§
92 Abs. 1 Ziffer 6 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).
2. Zivilgerichtsentscheid
und Standpunkte der Parteien im Überblick
2.1 Im
angefochtenen Entscheid bejahte das Zivilgericht zunächst seine Zuständigkeit,
die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens, die Rechtzeitigkeit der Klage
und die Zulässigkeit der Klageänderung (Zivilgerichtsentscheid, E. 1).
Sodann führte
das Zivilgericht aus, dass die Mieterin im Kern einen Mangel am Mietobjekt
während der Dauer der staatlich angeordneten Schliessung ihres
Restaurantbetriebs geltend mache (E. 2.1). In diesem Zusammenhang legte es den
Begriff des Mangels dar. Im vorliegenden Fall bejahte das Zivilgericht das
Bestehen eines Mangels; namentlich bejahte es einen mietobjektsbezogenen Mangel
beziehungsweise zog es in Zweifel, dass ein Mangel mietobjektsbezogen sein
müsse (E. 2.2 bis 2.4). Der Mieterin sei es während der Dauer der staatlich angeordneten
Schliessung weiterhin möglich gewesen, das Schnellimbissrestaurant als
Take-away zu betreiben; in diesem Fall komme eine gänzliche Mietzinsaufhebung
nicht in Frage, sondern nur eine angemessene Mietzinsherabsetzung (E. 2.5 und
2.6). Eine Befreiung der Mieterin wegen nachträglicher Unmöglichkeit der
Vertragsleistung sowie eine Vertragsanpassung wegen wesentlich veränderter
Umstände lehnte das Zivilgericht ab (E. 2.7 und 2.8). Das Mass der
mangelbedingten Mietzinsherabsetzung schätzte es aufgrund der vorliegenden
Umstände auf 30 % beziehungsweise auf CHF 7'115.30 (E. 2.9 bis 2.11).
Entsprechend dem
Ausgang des Verfahrens auferlegte das Zivilgericht die Gerichtskosten von CHF
3'000.– zu 70 % der Mieterin und zu 30 % der Vermieterin (E. 3).
2.2 Im
Berufungsverfahren bezweifeln die Parteien nicht, dass sich eine Mietzinsherabsetzung
nicht mit einer Unmöglichkeit der Vertragsleistung oder mit wesentlich
veränderten Umständen begründen lässt. Sie sind sich einig, dass einzig noch
eine Mietzinsherabsetzung aufgrund eines Mangels am Mietobjekt zu prüfen ist.
In diesem Zusammenhang kritisiert die Vermieterin den Zivilgerichtsentscheid in
zwei Punkten: Erstens habe das Zivilgericht zu Unrecht einen Mangel bejaht
(Berufung der Vermieterin, Rz. 11–21). Zweitens habe es zu Unrecht angenommen,
dass die Mieterin den Umfang der Mietzinsherabsetzung genügend substantiiert
habe (Rz. 22). Die Mieterin erachtet den Entscheid in drei Punkten als
mangelhaft: Erstens habe das Zivilgericht den Sachverhalt nicht korrekt festgestellt,
so bei der Fläche und Lage des Mietobjekts und bei der Ermittlung des Kunden-
und Passagieraufkommens (Berufung der Mieterin, S. 4–20). Zweitens habe es bei
der Qualifizierung des Mangels das reduzierte Kundenaufkommen, die Home-Office-Pflicht
für Angestellte und den Charakter der Pandemie zu wenig berücksichtigt (S.
20–27). Drittens habe es den Umfang der Mietzinsherabsetzung nicht korrekt
geschätzt (S. 27–33).
2.3 Im
Folgenden wird zunächst geprüft, ob die staatlich angeordneten Betriebsschliessungen
zur Bekämpfung des Coronavirus einen mietrechtlichen Mangel begründen. Ist die
Frage zu verneinen, fehlt es an einer Grundlage für eine mangelbedingte
Mietzinsherabsetzung. Ist die Frage zu bejahen, ist über den Umfang der
Herabsetzung zu befinden.
3. Mangel
3.1 Das
Zivilgericht legte zunächst dar, dass das Vorliegen eines Mangels des
Mietobjekts eine Mietzinsherabsetzung rechtfertige. Der Mangel charakterisiere
sich dadurch, dass der Ist-Zustand des Mietobjekts vom vertraglich geschuldeten
Soll-Zustand abweiche. Ein Mangel liege auch dann vor, wenn dem Mietobjekt eine
von der Vermieterin versprochene Eigenschaft fehle oder es eine Eigenschaft
nicht aufweise, mit welcher die Mieterin aufgrund der Bezugnahme auf den zum
vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand habe rechnen dürfen. Durch die
Bestimmung des Mietobjekts und die Bezeichnung des Verwendungszwecks im
Mietvertrag werde eine stillschweigende Vereinbarung über den Zustand und die
Eigenschaft des Mietobjekts getroffen. Der Begriff des Mangels setze sodann
kein Fehlverhalten der Vermieterin voraus: Ein Mangel könne auch dann
vorliegen, wenn die Vermieterin auf den Mangel keinen Einfluss nehmen könne
oder wenn der Mangel sich aus der Umwelt oder dem Verhalten Dritter ergebe,
also etwa bei Baulärm einer benachbarten Baustelle, bei vermehrtem Bahnlärm
nach dem Ausbau einer Bahnstrecke oder bei vermehrtem Fluglärm infolge
Flughafenausbaus, sofern der Lärm übermässig und bei Vertragsschluss nicht
voraussehbar gewesen sei. Wenn das Mietobjekt aufgrund einer
öffentlich-rechtlichen Vorschrift an die Adresse der Vermieterin nicht
verwendet werden könne, liege ein Mangel vor, nicht aber dann, wenn sich die
Vorschrift an die Mieterin richte (wie etwa bei einem Wirtepatent)
(Zivilgerichtsentscheid, E. 2.2).
Das Zivilgericht
legte sodann den Meinungsstand in der Lehre und der Rechtsprechung dar zur
Frage, ob staatlich angeordnete Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des
Coronavirus einen mietrechtlichen Mangel begründeten. Bestimmte Autoren seien
der Auffassung, dass derartige Betriebsschliessungen nicht auf das Mietobjekt
und dessen Zustand zurückzuführen seien, sondern auf die von der Mieterin
ausgeübte Geschäftstätigkeit (Higi).
Bei derartigen Betriebsschliessungen fehle es an einer direkten Verbindung
zwischen dem störenden Ereignis und dem Mietobjekt (Peduzzi). Die Vermieterin könne nicht an Garantien gebunden
werden, die sich auf Elemente ausserhalb ihres Einflussbereichs bezögen; es
könne von ihr keine Zusicherung erwartet werden, dass die Öffnungszeiten von
Geschäften nie geändert würden oder die Behörden nie die Schliessung von
Geschäften anordneten (Iynedijan).
Die staatliche Schliessung des Betriebs sei nicht Folge eines Mangels, sondern
ein Umstand, der den Betrieb der Mieterin angehe und damit ihr
unternehmerisches Risiko betreffe (Mietgericht Zürich). Mehrere Autoren sowie
das Mietgericht Zürich verträten zudem die Auffassung, dass sich die
COVID-19-Verordnung 2 allein an die Adresse der Mieterin richte (Iynedijan, Bohnet, Saviaux, Streiff, Haefeli/Galli/Vischer
und Reichle/Stehle). Andere
Autoren hingegen bejahten einen Mangel: Die COVID-19-Verordnung 2 richte sich
gleichermassen an die Vermieterinnen wie an die Mieterinnen und weise einen
Bezug zum Mietobjekt auf, da sie gerade dessen Schliessung anordne. Die
Verordnung müsse nicht nur von der Mieterin eingehalten werden, sondern auch
von der Eigentümerin, wenn diese selbst Geschäftsinhaberin sei oder ein
leerstehendes Objekt während der Geltung der Verordnung vermieten wolle (Brutschin/Rubli/Stastny und Lachat/Brutschin). Die Mieterin von
Geschäftsräumen dürfe nach Treu und Glauben annehmen, dass die Räume für den
Betrieb eines Geschäfts gebraucht werden könnten; durch die behördliche
Schliessung sei die Führung des Betriebs nicht mehr möglich (Meier). Zudem habe die Mieterin keinen
Einfluss auf den Mangel (Schenkel)
(E. 2.3).
In Bezug auf den
vorliegenden Fall hielt das Zivilgericht fest, dass in einem [...]-Schnellimbissrestaurant
Essen und Trinken sowohl zur Konsumation vor Ort als auch zum Mitnehmen
(Take-away) ausgegeben würden. Durch die vom Bundesrat angeordnete Schliessung
der Restaurationsbetriebe sei eine Konsumation vor Ort nicht mehr möglich
gewesen und die Mieterin habe nur noch ein Take-away betreiben können. Während
der Dauer der Schliessung sei der tatsächliche Zustand des Mietobjekts vom
vereinbarten Zustand abgewichen. Nicht zu folgen sei dem Argument der
Vermieterin, wonach ein Mangel nur dann vorliegen könne, wenn sich die
fragliche Anordnung – wie die Betriebsschliessung gemäss der COVID-19-Verordnung
2 – an die Vermieterin richte und auf das fragliche Mietobjekt ziele, und zwar
aus mehreren Gründen: Erstens treffe es nicht zu, dass sich die COVID-19-Verordnung
2 ausschliesslich an die Mieterinnen oder Vermieterinnen richte, vielmehr
betreffe sie die Allgemeinheit. Zweitens könne auch eine einschränkendeMassnahme,
die sich an die Allgemeinheit richte, einen Mangel begründen. Drittens werde
ein Mangel auch bei Immissionen bejaht, die ihre Ursache ausserhalb der
Einflusssphäre der Vermieterin hätten und nicht zwingend objektbezogen seien.
Zusammenfassend hielt das Zivilgericht fest, dass der tatsächliche Zustand des
Mietobjekts während der Dauer der Schliessung der Restaurationsbetriebe vom
vertraglich vereinbarten Zustand abgewichen sei, wodurch der Gebrauch des
Mietobjekts eingeschränkt gewesen sei. Ein Mangel sei deshalb zu bejahen (E.
2.4).
3.2 Die
Mieterin fasst in ihrer Berufung die Erwägungen des Zivilgerichts zum Begriff
und zum Vorliegen eines Mangels zusammen, ohne diese inhaltlich zu kritisieren
(Berufung der Mieterin, S. 20–24).
Die Vermieterin
dagegen bemängelt zunächst, das Zivilgericht befasse sich nur rudimentär mit
den Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Mietzinszahlungspflicht von
Mieterinnen stellten, die aufgrund von behördlichen Massnahmen die
Geschäftstätigkeit nicht mehr ausüben konnten. Die herrschende Lehre gehe davon
aus, dass aufgrund der behördlichen Massnahmen grundsätzlich kein Mangel im
mietrechtlichen Sinn resultiere. Zu dieser herrschenden Lehre gehörten
insbesondere Higi und Weber, der den Entscheid des
Mietgerichts Zürich vom 2. August 2021 gefällt habe (Berufung der Vermieterin,
Rz. 11). Im Widerspruch zur herrschenden Lehre und zum Entscheid des
Mietgerichts Zürich habe das Zivilgericht aus der behördlichen Anordnung
betreffend Schliessung von Restaurationsbetrieben eine Mangelhaftigkeit des
Mietobjekts und einen Mietzinsherabsetzungsanspruch abgeleitet (Rz. 12). Nicht
jeder für die Mieterin nachteilige Sachverhalt stelle aber einen Mangel dar.
Ein solcher liege nur vor, wenn der Zustand des Mietobjekts von den
vertraglichen Abmachungen in negativer Weise abweiche. Angesichts der
mietvertraglichen Hauptleistungspflicht der Vermieterin, das Mietobjekt
in einem gebrauchtstauglichen Zustand zu erhalten, könne als Mangel nur ein
konkreter objektbezogener Sachverhalt qualifiziert werden, der die Qualität des
Mietobjekts tangiere (Rz. 13). Bei den behördlichen Massnahmen, mit welchen
bestimmte Geschäftstätigkeiten untersagt worden seien, handle es sich von vornherein
nicht um einen physischen Mangel, sondern höchstens um einen rechtlichen
Mangel; ein solcher rechtlicher Mangel könne aber nur dann vorliegen, wenn sich
die behördliche Massnahme an die Vermieterin richte und auf das konkrete
Mietobjekt ziele. Von einem solchen objektbezogenen Sachverhalt könne bei den
in Frage stehenden Massnahmen keine Rede sein. Vielmehr zielten diese allein
auf Restaurationsbetriebe und deren Betreiberinnen ab. Die genannten
Anordnungen begründeten somit keinen mietobjektsbezogenen Mangel, sondern seien
betriebsbezogen und fielen in den Bereich des allein von der Betreiberin zu
tragenden unternehmerischen Risikos. Anders wäre es etwas dann, wenn aufgrund
eines Brands die Nutzung des Mietobjekts durch behördliche Anordnung verboten
würde; in diesem Fall beträfe die behördliche Anordnung klarerweise die
Vermieterin und das Mietobjekt und es läge somit ein mietrechtlicher Mangel vor
(Rz. 14). Nichts an dieser Ausgangslage änderten die Erwägungen des
Zivilgerichts zum mietvertraglichen Nutzungszweck im vorliegenden Fall, zum
Betriebsbezug der behördlichen Massnahmen, zu deren Mietobjektsbezug und zur
Vergleichbarkeit der fraglichen behördlichen Massnahmen mit übermässigen
Immissionen (Rz. 15–21).
3.3
3.3.1 Der
Herabsetzungsanspruch der Mieterin hängt im Kern davon ab, ob die staatlich
angeordneten Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des Coronavirus einen Mangel
am Mietobjekt im Sinn von Art. 259d des Obligationenrechts (OR, SR 220)
bewirken. Der Mangel wird im Gesetz
nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein Mangel
vor, wenn dem Mietobjekt eine vertraglich zugesicherte oder sich aus dem
vertraglichen Gebrauchszweck ergebende Eigenschaft fehlt. Worin der
vorausgesetzte Gebrauch besteht und welchen Zustand des Mietobjekts die Mieterin
erwarten darf, ergibt sich primär aus der Parteivereinbarung. Auch Mängel, die
nicht im Mietobjekt selbst begründet sind, sondern sich aus der Umwelt oder dem
Verhalten Dritter ergeben, können einen Mangel am Mietobjekt darstellen (zum
Ganzen vgl. BGer 4C.39/2003 vom 23. April 2003 E. 4).
Im Zusammenhang
mit staatlich angeordneten Betriebsschliessungen unterscheidet die überwiegende
Lehre zwischen mietobjektsbezogenen und betriebsbezogenen Umständen.
Mietobjektsbezogene Umstände, die den Gebrauch des Mietobjekts einschränken,
bewirken demgemäss einen Mangel, für welchen die Vermieterin einzustehen hat;
betriebsbezogene Umstände dagegen begründen keinen Mangel am Mietobjekt und
fallen grundsätzlich in die Risikosphäre der Mieterin. Die Unterscheidung
zwischen mietobjektsbezogenen und betriebsbezogenen Umständen geht auf die
Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zurück. Im Urteil XII ZR
189/09 vom 13. Juli 2011 hatte der BGH die Frage zu entscheiden, ob die
Einführung eines staatlichen Rauchverbots in Restaurants einen Mangel
begründet, für welchen die Vermieterin oder Verpächterin schadenersatzpflichtig
wird. Die Restaurantbetreiber befürchteten aufgrund des neu eingeführten
Rauchverbots ein Ausbleiben der Gäste und damit einen erheblichen
Umsatzrückgang (Urteil, Rz. 1–3). Der BGH hielt dazu Folgendes fest (Rz. 9–11):
«[9] Ergeben sich
aufgrund von gesetzgeberischen Massnahmen während eines laufenden
Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmässigen Gebrauchs eines
gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel […] begründen
[…]. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische
Massnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten
Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang
steht. Andere gesetzgeberische Massnahmen, die den geschäftlichen Erfolg
beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters […]. Denn der
Verpächter von Gewerberäumen ist lediglich verpflichtet, den Pachtgegenstand
während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Pächter die
vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der
Pachtsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter […].
Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen zu
können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Pächters aufgrund eines
nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein
typisches Risiko des gewerblichen Pächters. Dies gilt auch in Fällen, in denen
es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Massnahmen zu einer
Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Pächters kommt.
[10] Unter diesen
Voraussetzungen führt das durch das Nichtraucherschutzgesetz […] eingeführte
Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des
Pachtgegenstandes […].
[11] Die mit dem
gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruht nicht
auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache, sondern knüpft an die
betrieblichen Verhältnisse des Pächters an.»
In der
schweizerischen Lehre nehmen Reichle/Stehle
explizit auf dieses Urteil Bezug und erachten die Unterscheidung zwischen
mietobjekts- und betriebsbezogenen Umständen auch für das schweizerische
Mietrecht als überzeugend. Sie qualifizieren denn auch die staatlich
angeordneten Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des Coronavirus als
betriebsbezogene Umstände; bei diesen gehe es nicht um die Lage oder die
Beschaffenheit des Mietobjekts, sondern um den Betrieb der Mieterin. Ein Mangel
am Mietobjekt liege somit nicht vor (Reichle/Stehle,
Coronavirus und Geschäftsraummiete, in: Jusletter 18. Mai 2020, Rz. 38–43). Der
Hauptteil der schweizerischen Lehre nimmt zwar nicht explizit Bezug auf die
Rechtsprechung des BGH, unterscheidet aber ebenfalls zwischen mietobjekts- und
betriebsbezogenen Umständen und qualifiziert die staatlich angeordneten
Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des Coronavirus ebenfalls als
betriebsbezogene Einschränkungen, die keinen Mangel am Mietobjekt begründen (Higi, Gutachterliche Stellungnahme zur
Frage der Herabsetzung des Mietzinses wegen Mängeln des Geschäftsraums im
Zusammenhang mit der «Corona-Pandemie» vom 26. März 2020, S. 2;
Iynedjian, COVID-19 – Ordre de
fermeture des magasins et restaurants. Impact sur l’obligation de payer le
loyer, Rechtsgutachten vom 28. März 2020, S. 2–5 ; Saviaux, Covid-19 – paiement du loyer, Rechtsgutachten vom
6. April 2020, S. 3 f.; Bohnet,
Bail à loyer pour locaux commerciaux et Ordonnance 2 COVID-19, Rechtsgutachten
vom 8. April 2020, S. 5–7; Haefeli/Galli/Vischer,
Coronavirus SARS-CoV-2: Klärung mietrechtlicher Fragen, in: Jusletter 14. April
2020, Rz. 26–32; Peduzzi, Die
Auswirkungen der Notmassnahmen in der Coronakrise auf Geschäftsmietverträge,
MRA 2020, S. 3, 8 f.; Müller, Die
Behandlung von Vertragsverhältnissen und von Vereinsmitgliedschaften im
«Shutdown»/«Lockdown», CaS 2020, S. 214, 220; Gurbanov,
DB 2021, S. 31 ff., Rz. 66–72; Rohrer,
Mietrechtliche Folgen behördlich angeordneter Nutzungsbeschränkungen für
Geschäftsräume, MRA 2022, S. 27, 42 f.).
Die ersten
beiden Gerichte in der Schweiz, welche die vorliegende Frage zu entscheiden
hatten, waren das Tribunal des baux et loyers de Genève und das Mietgericht
Zürich. Das erstinstanzliche Genfer Gericht verneinte im Fall der staatlich angeordneten
Schliessung eines «café/restaurant» (im Zusammenhang mit der Bekämpfung des
Coronavirus) das Vorliegen eines Mangels. Es stützte sich dabei auf den
überwiegenden Teil der Lehre, der zwischen mietobjekts- und betriebsbezogenen
Einschränkungen unterscheidet (Jugement du Tribunal des baux et loyers de
Genève JTBL/565/2021 vom 28. Juni 2021 E. 4d). Die Betriebsschliessungen und
die weiteren staatlichen Massnahmen hätten zum Ziel gehabt, die Mobilität der
Bevölkerung und die Zahl der nahen Kontakte zu beschränken. Die Massnahmen
hätten – so das Gericht weiter – einen Einfluss auf diejenigen Tätigkeiten
gehabt, die nicht mit diesem Ziel vereinbar gewesen seien. Insofern hätten die
Massnahmen nicht auf das Mietobjekt selbst abgezielt, sondern auf die
Tätigkeiten, die als geeignet erschienen, die Verbreitung des Coronavirus zu
fördern (E. 4e).
In einem Fall,
der die Schliessung eines Ladenlokals betraf, schloss sich das Mietgericht
Zürich ebenfalls der überwiegenden Lehre an. Unter Berufung auf Higi führte es aus, dass die Parteien
mit dem Abschluss eines Mietvertrags für einen Geschäftsraum ein
Dauerschuldverhältnis eingingen, in dessen Rahmen die Vermieterin der Mieterin
verspreche, ihr gegen Entgelt Räume zu überlassen, in denen die Mieterin ihrem
Geschäft nachgehen könne; dieses Geschäft sei aber, sofern nicht anders
vereinbart, nicht Bestandteil des Mietvertrags, sondern bestehe unabhängig
davon und gehöre zur Rechtssphäre der Mieterin. Eine Mitübernahme des
Unternehmensrisikos der Mieterin durch die Vermieterin bedürfte einer
besonderen Abrede, die im beurteilten Fall nicht vorliege (Urteil des
Mietgerichts Zürich MJ210008-L vom 2. August 2021 E. 4.4)
Eine abweichende
Auffassung vertreten in der Lehre Lachat/Brutschin.
Sie führen aus, dass sich ein Mangel im Sinn des Mietrechts nicht
notwendigerweise physisch und unmittelbar auf das Mietobjekt auswirke. In
mindestens zwei Konstellationen sei das Mietobjekt zwar intakt und als solches
gebrauchstauglich, aber dennoch mangelhaft: Erstens könnten Störungen durch die
Nachbarschaft oder durch andere Bewohner des Gebäudes die Mieterin daran
hindern, das Mietobjekt normal zu nutzen. Für solche Immissionen hafte die
Vermieterin, obwohl sie kein Verschulden treffe und sie diese je nach Umständen
nicht beseitigen könne. Zweitens könne der Mangel rechtlicher Natur sein und
seinen Ursprung in einer öffentlich-rechtlichen Norm haben, die den Gebrauch
des Mietobjekts verhindere oder einschränke. In diesen Fällen habe die
Vermieterin auf den Mangel keinen Einfluss und die Mieterin habe dennoch
Anspruch auf eine Herabsetzung des Mietzinses. Dies sei insbesondere auch dann
der Fall, wenn der Staat die vorübergehende Schliessung bestimmter Betriebe
anordne, um die Bevölkerung vor einer Pandemie zu schützen (Lachat/Brutschin, Die Mieten in Zeiten
des Coronavirus, mp 2020, S. 99, 107–109; vgl. auch Brutschin/Rubli/Stastny, Bezahlung des Mietzinses für
Geschäftsräume während der Covid-19-Epidemie, Rechtsgutachten, März 2020, S.
1–4; Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tessins 12.2021.41 vom 4.
November 2021 E. 7). Die beiden Autoren nennen damit zwei Konstellationen
(Immissionen und öffentlich-rechtliche Normen), in welchen ein Mangel bejaht
wird, obwohl es an einer physischen und unmittelbaren Auswirkung auf das
Mietobjekt fehlt. Sie setzen sich aber nicht mit der Unterscheidung von
mietobjekts- und betriebsbezogenen Einschränkungen auseinander, wie sie in der
Lehre gemacht wird. Darüber hinaus ist ihre Auffassung nicht richtig, dass
öffentlich-rechtliche Normen, welche die Nutzung des Mietobjekts einschränken,
generell einen mietrechtlichen Mangel begründen. Vielmehr war es bis zur
staatlich angeordneten Schliessung bestimmter Betriebe zur Bekämpfung des
Coronavirus im März 2020 unbestritten, dass die Nutzung eines Mietobjekts nur
im Rahmen der geltenden öffentlich-rechtlichen Normen ausgeübt werden darf und
dass öffentlich-rechtliche Normen, die sich auf die Umsätze eines Betriebs
auswirken können, keinen mietrechtlichen Mangel darstellen. So sind
beispielsweise das im Jahr 2010 in der Schweiz eingeführte
öffentlich-rechtliche Rauchverbot, die öffentliche-rechtliche Änderung von
Ladenöffnungszeiten oder die Herabsetzung der Promillegrenze im Strassenverkehr
zwar allesamt geeignet, den Umsatz eines Restaurationsbetriebs zu schmälern.
Sie begründen aber unbestrittenermassen keinen mietrechtlichen Mangel (Müller, Der «Lockdown» als
Herausforderung für die Vertragsparteien bei Miete und Pacht, in: COVID-19 –
Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, Basel 2020, S. 77 ff., Rz. 68).
Es liegt deshalb nahe, auch bei den öffentlich-rechtlichen
Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des Coronavirus einen mietrechtlichen
Mangel zu verneinen.
Aufgrund dieser
Erwägungen ist der überzeugend begründeten Unterscheidung von
mietobjektsbezogenen und betriebsbezogenen Einschränkungen zu folgen, wie sie
die überwiegende Lehre und die erstinstanzliche Rechtsprechung vornimmt. Ebenso
ist der Einschätzung zu folgen, dass die vorliegend strittigen staatlich
angeordneten Betriebsschliessungen zur Bekämpfung des Coronavirus auf den
Betrieb der Mieterin zielen – und nicht auf das Mietobjekt. Dass die
Schliessung auf den Betrieb und nicht das Mietobjekt zielt, ergibt sich
zwanglos aus dem Umstand, dass im strittigen Mietobjekt während der Schliessung
eine Vielzahl von anderen Geschäftstätigkeiten möglich geblieben wäre. Insofern
betrafen die staatlich angeordneten Massnahmen nicht das Mietobjekt an sich,
sondern die darin ausgeübte Geschäftstätigkeit. Handelt es sich bei den
Betriebsschliessungen aber nicht um mietobjektsbezogene Umstände, ist das
Vorliegen eines Mangels am Mietobjekt zu verneinen.
3.3.2 Die
Argumente des Zivilgerichts sind nicht geeignet, das Vorliegen eines Mangels zu
bejahen. Das Zivilgericht führte erstens aus, dass sich die COVID-19-Verordnung
2 (AS 2020 773) weder ausschliesslich an die Mieterinnen oder an die
Vermieterinnen richte, sondern an die Allgemeinheit; damit könne die Verordnung
grundsätzlich sowohl Mieterinnen als auch Vermieterinnen betreffen. Im
vorliegenden Fall sei die Mieterin von der COVID-19-Verordnung 2 insofern
betroffen gewesen, als sie ihren Restaurantbetrieb nicht mehr habe führen
dürfen und auf den Take-away-Betrieb eingeschränkt gewesen sei. Die Vermieterin
sei insofern betroffen gewesen, als sie ihre Vertragspflicht, ein zum Betrieb
eines Schnellimbissrestaurants taugliches Mietobjekt zur Verfügung zu stellen,
nicht vollumfänglich haben erfüllen können (Zivilgerichtsentscheid, E. 2.4
dritter Absatz). Dazu ist Folgendes festzuhalten: Entgegen der Auffassung des Zivilgerichts
richten sich die in der COVID-19-Verordnung 2 angeordneten
Betriebsschliessungen nicht an die Allgemeinheit, sondern vielmehr an die
Betreiberinnen von Restaurants (und weiterer Betriebe) (Bohnet, Bail à loyer pour locaux commerciaux et Ordonnance 2
COVID-19, Rechtsgutachten vom 8. April 2020, S. 6; Haefeli/Galli/Vischer, Coronavirus SARS-CoV-2: Klärung
mietrechtlicher Fragen, in: Jusletter 14. April 2020, Rz. 18 und 29; Müller, Die Behandlung von
Vertragsverhältnissen und von Vereinsmitgliedschaften im «Shutdown»/«Lockdown»,
CaS 2020, S. 214, 220). Selbst wenn sich die Betriebsschliessungen an die
Allgemeinheit richteten, würde dies an deren Betriebsbezogenheit nichts ändern:
Wie der BGH im Fall des neu eingeführten Rauchverbots festhielt, richte sich
das Rauchverbot in erster Linie an Personen, die sich in den betroffenen
Gaststätten aufhielten, was ebenfalls für die Betriebsbezogenheit der
Gebrauchseinschränkung durch das Rauchverbot spreche (Urteil XII ZR 189/09 vom
13. Juli 2011 Rz. 13). Diese im Fall des Rauchverbots angestellte Überlegung
lässt sich zwanglos auf die vorliegende Betriebsschliessung übertragen: Auch
diese beschlägt die betrieblichen Verhältnisse der Mieterin und lässt die
Beschaffenheit des Mietobjekts völlig unberührt.
Zweitens nahm
das Zivilgericht Bezug auf die von der überwiegenden Lehre vertretene
Auffassung, dass nur mietobjektsbezogene, nicht aber betriebsbezogene
Einschränkungen einen Mangel darstellen. Aus dieser Auffassung – so das
Zivilgericht – könne nicht geschlossen werden, dass die durch eine an die
Allgemeinheit gerichtete staatliche Massnahme bewirkte Nutzungseinschränkung
keinen Mangel am Mietobjekt darstellen könne. Die ausdrückliche Vereinbarung,
das Mietobjekt als Schnellimbissrestaurant zu benutzen, bewirke «gleichsam» den
Objektbezug des an die Allgemeinheit gerichteten Verbots, Restaurants zu
betreiben (Zivilgerichtsentscheid, E. 2.4 vierter Absatz). Dazu ist Folgendes
festzuhalten: Zunächst richten sich die in der COVID-19-Verordnung 2 angeordneten
Betriebsschliessungen nicht an die Allgemeinheit, sondern an die Mieterinnen als
Betreiberinnen eines Restaurants (vgl. den vorstehenden Absatz). Insofern
gründet das Argument des Zivilgerichts auf einer unzutreffenden Annahme. Und selbst
wenn sich die Betriebsschliessung – wie das vom BGH beurteilte Rauchverbot – an
die Allgemeinheit richtete, wäre die Einschränkung dennoch als betriebsbezogen
und nicht als objektbezogen zu qualifizieren (vgl. den vorstehenden Absatz). Und
schliesslich bewirkt die Vereinbarung, das Mietobjekt als
Schnellimbissrestaurant zu nutzen, nicht «gleichsam» den Objektbezug des
angeblich an die Allgemeinheit gerichteten Verbots. Mit der Vereinbarung, das
Mietobjekt als Restaurant zu nutzen, sollen der Mieterin andere Nutzungen untersagt
werden. Dagegen soll ihr keine Garantie bezüglich der Öffnungszeiten oder des
Umsatzes gegeben werden, also bezüglich Umständen, die ausserhalb des
Einflussbereichs der Vermieterin stehen und die den Betrieb der Mieterin
betreffen (vgl. Gurbanov, DB 2021,
S. 31 ff., Rz. 67–69; vgl. auch Berufung der Vermieterin, Rz. 16). Unzutreffend
ist denn auch die in diesem Zusammenhang geäusserte Auffassung der Mieterin,
dass die Vermieterin mit der vereinbarten Nutzung («Schnellimbiss-Restaurant»)
eine Leistungspflicht oder Garantie übernommen habe bezüglich Passantenlage,
Zahl der Passagiere der [...], Laufkundschaft und Kunden von den Banken und
Versicherungen der Umgebung (vgl. Berufungsantwort der Mieterin, Rz. 36), also
bezüglich Umständen, die allesamt ausserhalb der Einflusssphäre der Vermieterin
liegen.
Drittens verwies
das Zivilgericht auf das Beispiel der Immissionen, die ebenfalls einen Mangel
darstellen könnten, obwohl sie ausserhalb des Einflussbereichs der Vermieterin
lägen und nicht zwingend mietobjektsbezogen seien. So sei der Objektsbezug
insbesondere in Fällen von erhöhtem Fluglärm fraglich, da dieser regelmässig
nicht nur ein einzelnes Mietobjekt, sondern ein ganzes Gebiet betreffe
(Zivilgerichtsentscheid, E. 2.4 fünfter Absatz). Wie die Vermieterin zutreffend
ausführt, ergibt sich die Objektbezogenheit der Einschränkung bereits aus dem
Begriff der Immission, also der Einwirkung auf ein bestimmtes Objekt. Demgemäss
kann auch Fluglärm nur dann einen – mietobjektsbezogenen – Mangel darstellen, wenn
er ein bestimmtes Mietobjekt oder eine Vielzahl von bestimmten Mietobjekten
betrifft (Berufung der Vermieterin, Rz. 19). Insofern besteht auch bei
Immissionen ein Mietobjektsbezug. Ein solcher Bezug fehlt dagegen bei den
vorliegend strittigen flächendeckenden Betriebsschliessungen.
3.3.3 Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass die staatlich angeordneten Betriebsschliessungen zur
Bekämpfung des Coronavirus auf den Betrieb von Restaurants (und anderer
Geschäftstätigkeiten) zielen, die konkrete Beschaffenheit des Mietobjekts aber
unberührt lassen. Damit fehlt es an einem Mangel am Mietobjekt. Liegt kein
Mangel vor, hat die Mieterin keinen Anspruch auf Mietzinsherabsetzung. Über die
Frage des Umfangs der Mietzinsherabsetzung ist deshalb nicht zu befinden.
4. Entscheid
und Prozesskosten
4.1 Aus
diesen Erwägungen folgt, dass das Zivilgericht die Klage der Mieterin auf
Mietzinsherabsetzung zu Unrecht nicht vollständig abgewiesen hat. Demgemäss ist
der angefochtene Zivilgerichtsentscheid aufzuheben und die Klage vollständig
abzuweisen.
4.2 Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt grundsätzlich die Mieterin die
Prozesskosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens (Art. 106 Abs. 1
ZPO).
In Verfahren vor
Zivilgericht und Appellationsgericht, die ihren Ursprung bei der
Schlichtungsstelle haben, betragen die Gerichtskosten zwischen CHF 200.– und
CHF 500.– bei einer Nettomonatsmiete bis CHF 2'500.– bei Wohnungsmiete und bis
CHF 3'500.– bei Geschäftsmiete (§ 2a Abs. 2 des Gesetzes über die
Gerichtsgebühren [Gerichtsgebührengesetz, SG 154.800]). Im vorliegenden Fall beträgt
der Nettomonatsmietzins rund CHF 30'000.– (vgl. Klagebeilagen 4 und 4a;
Berufungsantwort der Mieterin, Rz. 3). Demgemäss ist § 2a Abs. 2 des
Gerichtsgebührengesetzes nicht anwendbar. Anwendung findet vielmehr § 5 des
Gerichtsgebührenreglements (GGR, SG 154.810). Daraus ergeben sich
erstinstanzliche Gerichtskosten von CHF 3'000.– (Zivilgerichtsentscheid, E. 3)
und zweitinstanzliche Gerichtskosten von ebenfalls CHF 3'000.– (§ 5 und § 12
GGR).
In Verfahren vor
Zivilgericht und Appellationsgericht, die – wie das vorliegende Verfahren –
ihren Ursprung bei der Schlichtungsstelle haben, werden keine
Parteientschädigungen gesprochen (§ 2a Abs. 1 Gerichtsgebührengesetz).
Demgemäss erkennt
das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: In Gutheissung der Berufung der
Berufungsklägerin 1 wird der Entscheid des Zivilgerichts vom 28. Januar 2022 (MG.2021.20)
aufgehoben und die Klage der Berufungsklägerin 2 vom 1. Februar 2021
abgewiesen.
Die Berufung der Berufungsklägerin 2 gegen den
Entscheid des Zivilgerichts vom 28. Januar 2022 (MG.2021.20) wird abgewiesen.
Die Berufungsklägerin 2 trägt die Gerichtskosten des
erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 3'000.– und die Gerichtskosten des
Berufungsverfahrens von CHF 3'000.–.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden mit
dem Kostenvorschuss der Berufungsklägerin 1 von CHF 900.– und dem
Kostenvorschuss der Berufungsklägerin 2 von CHF 2'100.– verrechnet, so dass die
Berufungsklägerin 2 der Berufungsklägerin 1 CHF 900.– zu bezahlen hat.
Mitteilung an:
-
Berufungsklägerin 1
-
Berufungsklägerin 2
-
Zivilgericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Johannes Hermann
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid
kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG)
innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen
erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann,
wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a oder b BGG
erreicht (CHF 15'000.– bei Streitigkeiten aus Miete oder Arbeitsverhältnis bzw.
CHF 30'000.– in allen übrigen Fällen) oder wenn sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem
Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren
Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels
entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der
Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG),
ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl
Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide
Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.