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Appellationsgericht
Dreiergericht
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ZB.2021.38
ENTSCHEID
vom 7.
Juli 2022
Mitwirkende
Dr. Olivier Steiner, lic. iur. André
Equey, MLaw Manuel Kreis
und Gerichtsschreiber
PD Dr. Benedikt Seiler
Parteien
A____ Berufungsklägerin
[...]
Klägerin
vertreten durch [...], Advokatin,
[...]
gegen
B____ Berufungsbeklagter
[...] Beklagter
Gegenstand
Berufung gegen einen
Entscheid des Zivilgerichts
vom 22. Juni 2021
betreffend Forderung aus
Mietvertrag
Sachverhalt
Mit Mietvertrag
vom 20. August 2017 vermietete B____ (Vermieter) A____ (Mieterin) eine 3
½-Zimmerwohnung an der [...] in Basel. Der Mietzins betrug monatlich CHF
1'290.– zuzüglich CHF 200.– akonto für Nebenkosten. Nachdem die Mieterin dem
Vermieter immer wieder Mängel in der Wohnung angezeigt hatte, teilte sie ihm
mit eingeschriebenem Brief vom 22. September 2019 mit, dass mehrere gravierende
Mängel immer noch nicht behoben seien und sie die Mietzinsen bei der
Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Schlichtungsstelle)
hinterlegen werde, wenn sie weiterhin nicht gegen Quittung die Waschkarte
aufladen könne. Sie bat den Vermieter, die Mängel möglichst bald
fachmännisch beheben zu lassen und die Waschkarte umgehend nachzuladen.
Ab 28. November
2019 hinterlegte die Mieterin die Mietzinsen bei der Schlichtungsstelle und
stellte ein Schlichtungsgesuch (Mängelbeseitigung, Schadenersatz,
Mietzinsherabsetzung und Herausgabe der hinterlegten Mietzinsen). Nachdem im
Schlichtungsverfahren keine Einigung erzielt worden war, gelangte die Mieterin mit
Klage vom 9. März 2020 an das Zivilgericht Basel-Stadt und verlangte im
Wesentlichen die unverzügliche Beseitigung> der Mängel gemäss ihrem Brief vom
22. September 2019, die Zahlung von CHF 1'759.–, die Herabsetzung des
Mietzinses seit Mietbeginn um 25 % beziehungsweise 20 % und die Herausgabe der
hinterlegten Mietzinsen. Mit Klageantwort und Widerklage vom 10. Mai 2020
beantragte der Vermieter die Abweisung der Klage und stellte verschiedene
Widerklagebegehren. Mit Stellungnahme vom 6. November 2021 beantragte die
Mieterin, es sei auf die Widerklage nicht einzutreten, eventualiter sei sie
abzuweisen. Am 29. April 2021 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis fristlos
per Ende April 2021. In der mündlichen Hauptverhandlung vom 4. Mai 2021 zog die
Mieterin ihr Rechtsbegehren um Mängelbeseitigung zurück. Der Vermieter hielt an
seinen Begehren fest. Mit begründetem Entscheid vom 22. Juni 2021 schrieb
das Zivilgericht die Klage der Mieterin in Bezug auf die Mängelbeseitigung als
erledigt ab, verpflichtete den Vermieter <zur> Zahlung von CHF 635.–,
reduzierte den Mietzins um 25 % (CHF 731.– für die Zeit vom 23. September
2019 bis November 2019) und um 20 % (CHF 1'032.– für die Zeit von Dezember
2019 bis März 2020) und gab die hinterlegten Mietzinsen dem Vermieter frei.
Zudem hiess es die Widerklage des Vermieters im Umfang von CHF 200.– gut,
schrieb oder wies sie im Übrigen aber ab. Die Gerichtskosten von
CHF 1'000.– auferlegte es zu CHF 900.– der Mieterin und zu
CHF 100.– dem Vermieter.
Gegen den
schriftlich begründeten Entscheid erhob die Mieterin am 1. September 2021
Berufung beim Appellationsgericht. Darin beantragt sie, der Vermieter sei <zur>
Zahlung von CHF 1'759.– zu verpflichten, der Mietzins sei um insgesamt CHF 13'093.50
(1. September 2017 bis 30. April 2021), eventualiter um CHF 5'031.–
(2. Oktober 2019 bis 30. April 2021) herabzusetzen, und die hinterlegten
Mietzinsen seien in den genannten Umfängen an die Mieterin und im Übrigen an
den Vermieter herauszugeben. Eventualiter sei der Entscheid des Zivilgerichts
aufzuheben und die Sache <zur> Neubeurteilung an das Zivilgericht zurückzuweisen.
Der Vermieter reichte innert <Frist> keine Berufungsantwort ein. Die Akten des
Zivilgerichts wurden beigezogen. Der vorliegende Entscheid wurde auf dem
Zirkulationsweg gefällt.
Erwägungen
1. Formelles
In
vermögensrechtlichen Angelegenheiten steht die Berufung gegen erstinstanzliche
Entscheide offen, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen
Rechtsbegehren mindestens CHF 10'000.– beträgt (Art. 308 Abs. 2
der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Im vorliegenden
Fall ist dieser Streitwert ohne Weiteres erreicht. Auf die im Übrigen <frist>-
und formgerecht erhobene Berufung ist demnach einzutreten.
Im vorliegenden
Fall reichte der Vermieter keine Berufungsantwort ein. Diesfalls berücksichtigt
das Berufungsgericht diejenigen Eingaben, die im bisherigen Verfahren beim
Zivilgericht und beim Berufungsgericht eingereicht wurden. Die vom Vermieter
vor Zivilgericht vorgebrachten Behauptungen, Bestreitungen und Einreden, die
sich aus den Akten ergeben, sind demgemäss zu berücksichtigen
(vgl. Art. 234 Abs. 1 ZPO; Reetz/Theiler,
in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 3. Auflage 2016,
Art. 312 N 8).
Zuständig <zur>
Beurteilung der vorliegenden Berufung ist das Dreiergericht des
Appellationsgerichts (§ 92 Ziff. 6 des Gerichtsorganisationsgesetzes
[GOG, SG 154.100]).
2. Zivilgerichtsentscheid
und Kritik der Mieterin im Überblick
2.1 Im
angefochtenen Entscheid bejahte das Zivilgericht in einem ersten Schritt die
Prozessvoraussetzungen und trat auf die Klage der Mieterin und die Widerklage
des Vermieters ein (Zivilgerichtsentscheid E. 1.1 bis E. 1.7). Zudem
legte es die Grundsätze des vereinfachten Verfahrens und die Standpunkte der
Parteien dar (E 1.8 und E. 2).
In einem zweiten
Schritt prüfte es die Voraussetzungen des Anspruchs der Mieterin auf
Mietzinsherabsetzung und bejahte einen Anspruch von insgesamt CHF 1'763.–
für die Zeit vom 23. September 2019 bis zum 31. März 2020 (E. 3).
In einem dritten
Schritt beurteilte das Zivilgericht das Begehren der Mieterin um Schadenersatz.
Dabei bejahte es einen Schadenersatzanspruch von CHF 635.– für die
Behebung der Mängel an den Elektroinstallationen. Den Anspruch von CHF 1'124.–
für den Kauf einer Waschmaschine und eines Tumblers durch die Mieterin lehnte
es dagegen ab (E. 4).
In einem vierten
Schritt prüfte es den Anspruch der Mieterin auf Herausgabe eines Teils der
hinterlegten Mietzinse an sie. Diesen Anspruch lehnte es ab, da die
Mieterin dem Vermieter keine angemessene <Frist> <zur> Behebung der monierten
Mängel gesetzt habe (E. 5).
In einem fünften
Schritt beurteilte das Zivilgericht die widerklageweise erhobenen Ansprüche des
Vermieters. Das Begehren um Gewährung des Zugangs <zur> Wohnung schrieb es als
gegenstandslos ab (E. 6). Das Begehren um Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustands wies es ab (E. 7). Die Forderung des Vermieters
auf Zahlung von CHF 1'214.30 hiess das Zivilgericht im Umfang von
CHF 200.– gut (Nachladen der Waschkarte); im Übrigen wies es die Forderung
ab (E. 8).
Schliesslich
setzte das Zivilgericht die Gerichtkosten für die Klage und die Widerklage auf
je CHF 500.– fest und auferlegte diese zu 90 % der Mieterin.
2.2 Mit
ihrer Berufung kritisiert die Mieterin den Zivilgerichtsentscheid in fünf
Punkten:
- Erstens sei der Mietzins nicht erst ab
dem 23. September 2019 herabzusetzen, sondern bereits ab dem 1. September 2017,
eventualiter ab dem 2. Oktober 2019; zudem sei die Herabsetzung jedenfalls bis
zum 30. April 2021 zu gewähren.
- Zweitens habe das Zivilgericht zu
Unrecht ihren Schadenersatzanspruch von CHF 1'124.– für den Kauf einer
Waschmaschine und eines Tumblers verneint.
- Drittens habe die Mieterin die
Mietzinsen zulässigerweise hinterlegt, was der Vermieter nicht bestritten habe. Die
Mietzinse seien folglich im Umfang der Herabsetzungsbegehren und
Schadenersatzbegehren an die Mieterin herauszugeben.
- Viertens habe das Zivilgericht die
Widerklage des Vermieters zu Unrecht im Umfang von CHF 200.– gutgeheissen.
- Fünftens kritisiert die Mieterin die
Höhe und Verteilung der Gerichtskosten.
Diese fünf
Kritikpunkte der Mieterin werden in den nachfolgenden E. 3 bis E. 7.2
behandelt.
3. Mietzinsherabsetzung
3.1 Zum
Anspruch der Mieterin auf Herabsetzung des Mietzinses hielt das Zivilgericht
zunächst fest, dass die von der Mieterin angegebenen Mängel entweder nicht
bestritten oder belegt seien. Zudem sei nicht erstellt, dass die Mieterin die
Mängel verursacht habe (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.1 bis E. 3).
Sodann sei unbestritten, dass die Mängel die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung
beeinträchtigt hätten und eine Herabsetzung des Mietzinses um 20 % bis November
2019 und von 25 % ab Dezember 2019 rechtfertigten (E. 3.4 und E. 3.6).
Zum Beginn des
Herabsetzungsanspruchs legte das Zivilgericht dar, dass die Mieterin zwar
bereits mit E-Mail vom 8. September 2017 – und damit vor ihrem
Einschreiben vom 22. September 2019 – die Mängel gerügt habe. Bei den am
8. September 2017 gerügten <Mängeln> – Nichtfunktionieren des Dunstabzugs und
Nichtrichtigfunktionieren des Backofens – handle es sich aber nicht um
diejenigen Mängel, die mit Einschreiben vom 22. September 2019 gerügt worden
seien. Nicht belegt sei sodann, dass die Vermieterin auch ohne Mitteilung der
Mieterin vor dem 22. September 2019 Kenntnis von den <Mängeln> gehabt habe. Der
Umstand, dass die Mieterin im E-Mail vom 8. September 2017 den Dunstabzug und
den Backofen erwähnt, sonst aber keine Beanstandungen vorgebracht habe, deute
vielmehr darauf hin, dass die strittigen Mängel erst im Verlauf des
Mietverhältnisses entstanden seien. Das von der Mieterin eingereichte
undatierte Protokoll stelle nur eine Parteibehauptung dar. Ein
Mietzinsherabsetzungsanspruch bestehe somit erst ab der Kenntnisnahme des
Schreibens vom 22. September 2019 durch die Vermieterin – und nicht schon ab
September 2017 (E. 3.5).
Zum Ende des
Herabsetzungsanspruchs legte das Zivilgericht dar, dass der Vermieter nicht
nachgewiesen habe, dass der Hauswart am 28. September 2019 versucht habe, die
Wohnung der Mieterin anzuschauen, oder dass er der Mieterin an der
Schlichtungsverhandlung vom 4. Februar 2020 Termine angeboten habe. Die
Mieterin räume ein, dass der Vermieter sie mit E-Mail vom 15. Februar 2020
gebeten habe, zwecks Terminvereinbarung den Hauswart zu kontaktieren. Sie
belege nicht, dass sie dem Hauswart daraufhin Terminvorschläge unterbreitet
habe. Hätte die Mieterin bereits auf das E-Mail vom 15. Februar 2020
reagiert, hätten – so das Zivilgericht – die Besichtigung und Behebung der
Mängel bis Ende März 2020 erfolgen können. Demgemäss bestehe der
Mietzinsherabsetzungsanspruch nur bis Ende März 2020 (E. 3.7).
Insgesamt
bejahte das Zivilgericht einen Herabsetzungsanspruch der Mieterin von insgesamt
CHF 1'763.–, dies für die Zeit vom 23. September 2019 bis zum 31. März
2020.
3.2 Die
Mieterin kritisiert in ihrer Berufung zum einen den vom Zivilgericht
festgesetzten Beginn des Herabsetzungsanspruchs. Das Zivilgericht habe die
Aussagen der Parteien und die Beweismittel unrichtig gewürdigt. Sie führt aus,
was sie vor Zivilgericht zum Beginn des Herabsetzungsanspruchs vorgebracht
habe: Die Mängel hätten beim Einzug bestanden; sie habe vergeblich versucht,
ein gemeinsames Abnahmeprotokoll zu erstellen; auf Aufforderung des Vermieters
habe sie das Protokoll selbst erstellt und ihm zugestellt; der Vermieter habe
nicht bestritten, dass die Mängel beim Einzug bestanden hätten. Unter
Berücksichtigung dieser Umstände hätte die Aussagewürdigung zu Gunsten der
Mieterin ausfallen müssen (Berufung, Rz 10 mit Verweis auf Klage, Rz 4 und 6,
und die Plädoyernotizen, S. 3).
Mit diesen Ausführungen legt die Mieterin ihre Sicht der Dinge in Bezug
auf den Beginn des Herabsetzungsanspruchs dar, ohne sich mit dem
Zivilgerichtsentscheid auseinanderzusetzen. Damit kommt sie ihrer Pflicht <zur>
Berufungsbegründung nicht nach: Begründen im Sinn von Art. 311 Abs. 1
ZPO bedeutet nämlich, dass aufzuzeigen ist, inwiefern der angefochtene
Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Dieser Anforderung genügt die
Berufungsklägerin nicht, wenn sie lediglich auf die vor der ersten Instanz
vorgetragenen Vorbringen verweist, sich mit Hinweisen auf frühere
Prozesshandlungen zufriedengibt oder den angefochtenen Entscheid in allgemeiner
Weise kritisiert (BGE 138 III 374 E. 4.3.1 S. 375; BGer 5A_141/2014 vom
28. April 2014 E. 2.4). Indem die Mieterin auf ihre Ausführungen vor
Zivilgericht Bezug nimmt und einfach ihre Sicht der Dinge wiederholt, ohne
aufzuzeigen, weshalb der Zivilgerichtsentscheid fehlerhaft sein soll, verletzt
sie ihre Begründungspflicht. Auf die entsprechende Kritik kann deshalb aus
prozessualen Gründen nicht eingetreten werden.
Wenn auf die
Kritik einzutreten wäre, wäre zweierlei festzuhalten: Erstens ist die
Behauptung der Mieterin unzutreffend, dass der Vermieter nicht bestritten habe,
dass die Mängel bereits beim Einzug bestanden hätten. So gab er in seiner
Klageantwort an, dass «in der Wohnung keine solchen Mängel vorhanden waren»
(Klageantwort, S. 5 unten). In der Hauptverhandlung führte er sodann aus, «die
Wohnung funktionierend abgegeben» zu haben (Verhandlungsprotokoll, S. 5). Unter
diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Zivilgericht den Beginn
des Herabsetzungsanspruchs auf den 23. September 2019 festsetzte, dem Tag, an
welchem der Vermieter vom Einschreiben der Mieterin vom 22. September 2019 und
den darin angegebenen <Mängeln> Kenntnis erhielt.
Zweitens: Das
Zivilgericht wies mit Recht darauf hin, dass der Herabsetzungsanspruch
voraussetzt, dass der Vermieter nicht nur Kenntnis vom Mangel hat, sondern
darüber hinaus weiss, dass sich die Mieterin an diesem Mangel stört und daher
nicht nur objektiv ein Ungleichgewicht zwischen den Leistungen der
Mietvertragsparteien besteht, sondern dies auch subjektiv von der Mieterin so
empfunden wird. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Mieterin entweder eine
Herabsetzung verlangt oder sonst wie deutlich macht, dass sie den Mangel als
belästigend empfindet, etwa indem sie dessen <Beseitigung> verlangt. Ohne das
eine oder das andere ist das Vertrauen des Vermieters berechtigt, die Mieterin
empfinde trotz des Mangels die gegenseitigen Leistungen nach wie vor als ausgewogen,
weshalb er davon ausgehen darf, die von der Mieterin vorbehaltlos beglichenen
Mietzinsen würden nicht nachträglich reduziert. Der Schutz des berechtigten
Vertrauens des Vermieters schliesst im entsprechenden Umfang eine nachträgliche
Herabsetzung des Mietzinses aus (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.4 S. 21 mit
Verweis auf BGE 142 III 557 E. 8.3.4). Mit ihren Ausführungen kann die
Mieterin nun nicht nachweisen, dass der Vermieter vor dem 23. September
2019 von den <Mängeln> Kenntnis hatte oder sich die Mieterin daran störte.
Es ist somit
richtig, dass das Zivilgericht den Beginn des Herabsetzungsanspruchs auf den
23. September 2019 festsetzte.
3.3 Die
Mieterin kritisiert in ihrer Berufung zum anderen das vom Zivilgericht
festgesetzte Ende des Herabsetzungsanspruchs. Die Herabsetzung sei nicht nur
bis Ende März 2020, sondern bis Ende April 2021 zu gewähren. Das Zivilgericht
werfe ihr zu Unrecht eine Verletzung ihrer Schadenminderungspflicht vor. Der Ersatzpflichtige
– hier der Vermieter – trage die Behauptungs- und Beweislast für
ersatzreduzierende Umstände wie etwa die Verletzung der
Schadenminderungspflicht durch die Mieterin. Eine solche Verletzung habe der
Vermieter aber vor Zivilgericht weder substantiiert behauptet, geschweige denn
bewiesen. Die Mieterin habe ihm an der Schlichtungsverhandlung vom 4. Februar
2020 zwei Termine angeboten, um die Mängel zu besichtigen; diese Termine habe
der Vermieter verstreichen lassen (Berufung, Rz 11).
Die Behauptung
der Mieterin, der Vermieter habe eine Verletzung der Schadenminderungspflicht
vor Zivilgericht weder behauptet noch bewiesen, trifft nicht zu. So gab er in
seiner Klageantwort an, dass die Mieterin dem Hauswart den Zugang <zur> Wohnung
am 28. September 2019 verweigert habe, dass sie sich nach der
Schlichtungsverhandlung vom 4. Februar 2020 nicht gemeldet und auch auf
das E-Mail vom 15. Februar 2020 nicht reagiert habe (Klageantwort, S. 8
f.). Die Mieterin verweist sodann auf den Umstand, dass sie dem Vermieter am 4. Februar
2020 zwei Termine angeboten habe und dies beweisen könne. Selbst wenn ihre
beiden Terminangebote vom 4. Februar 2020 erwiesen wären, würde ihr dies
nicht weiterhelfen. In Bezug auf das nachgewiesene Terminangebot des Vermieters
vom 15. Februar 2020 reagierte die Mieterin unbestrittenermassen nicht.
Darin liegt eine Verletzung der Schadenminderungspflicht, die nicht einfach
entfiele, weil sie 11 Tage zuvor ihrerseits Terminangebote gemacht hätte. Hätte
die Mieterin auf das Terminangebot des Vermieters vom 15. Februar 2020
rechtzeitig reagiert, hätten die Mängel voraussichtlich bis Ende März 2020
behoben werden können. Es kann in diesem Punkt in vollem Umfang auf die
zutreffenden Ausführungen des Zivilgerichts verwiesen werden (Zivilgerichtsentscheid,
E. 3.7).
Es ist somit
entgegen der Auffassung der Mieterin richtig, dass das Zivilgericht das Ende
des Herabsetzungsanspruchs auf Ende März 2020 festsetzte und einen
weitergehenden Herabsetzungsanspruch verneinte.
3.4 Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass das Zivilgericht den Herabsetzungsanspruch der Mieterin
zutreffend mit CHF 1'763.– festsetzte.
4. Schadenersatz
4.1 Zum
Anspruch auf Schadenersatz legte das Zivilgericht dar, dass die Mieterin den
Schaden durch die Behebung der Mängel und die vorenthaltene Waschmöglichkeit
erlitten haben will (E. 4.1). Es gehe zum einen um die Instandstellung von
Elektroinstallationen im Betrag von CHF 635.– und zum anderen um die
Lieferung und Installation von Waschmaschine und Tumbler im Betrag von CHF 1'124.–
(E. 4.2). Das Zivilgericht bejahte den Schadenersatzanspruch über
CHF 635.– (E. 4.4.). Den Schadenersatzanspruch über CHF 1'124.–
lehnte es dagegen ab: Die Mieterin habe nicht substantiiert dargelegt, weshalb
die vom Vermieter ausgestellten Rechnungen der KESB nicht genügten. Es sei
nicht ersichtlich, was der Vermieter denn noch hätte anders machen können als
aufzuschreiben, dass für den Monat x ein Betrag von CHF y auf die
Waschkarte der Mieterin geladen worden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass
die Mieterin dem Vermieter je mitgeteilt habe, was sie unter einer
«detaillierten Rechnung» verstehe beziehungsweise welche Anforderungen die KESB
stelle. Somit habe die Mieterin nicht belegt, dass die Waschmöglichkeit einen
Mangel aufgewiesen habe. Ohnehin könne die Mieterin nicht die gesamten Kosten
für die Anschaffung von Waschmaschine und Tumbler auf den Vermieter abwälzen,
habe sie doch auch die Auslagen für das Waschgeld gespart. Dies müsse sie sich
anrechnen lassen. Die Mieterin habe aber nicht dargelegt, wie viel Waschgeld
sie beispielsweise pro Monat verbraucht habe, so dass der verbleibende Betrag
nicht bestimmt werden könne (Zivilgerichtsentscheid, E. 4.5).
4.2 Die
Mieterin wendet dagegen ein, es verstehe sich von selbst, dass die KESB nicht
Zahlungen gestützt auf solche E-Mails wie dasjenige des Vermieters vom
10. März 2019 veranlassen könne (mit Verweis auf Klageantwortbeilage 7).
Zudem habe sie dem Vermieter mit Schreiben vom 22. September 2019 mitgeteilt,
was genau sie an der «Rechnung» vom 10. März 2019 beanstande und weshalb die
KESB diese so nicht akzeptieren könne (Berufung, Rz 6).
Das E-Mail des
Vermieters vom 10. März 2019 (Klageantwortbeilage 7) lautet so:
«Beilage sende Ich Ihnen
die offene Rechnungen.
-
200.00
Waschmaschinen Touch
-
245.55 Touch.
Ich bitte Sie die
Rechnung in den nächsten 10 Tagen auszugleichen.»
Dieses E-Mail
stellt tatsächlich keine hinreichende Rechnungsstellung dar: Entgegen seinem
Wortlaut enthält es zunächst keine Beilage (Rechnungen oder Ähnliches). Sodann bleibt
für eine unbefangene Leserin – wie etwa die KESB – unklar, was mit
«Waschmaschinen Touch» und «Touch» gemeint sein könnte, welchen Zeitraum die im
E-Mail erwähnten Beträge betreffen und welche Quantitäten (etwa Zahl der
Waschgänge) sie umfassen. Das E-Mail war somit nicht genügend detailliert, um
die KESB <zur> Zahlung zu veranlassen und so das Aufladen der Waschkarte der
Mieterin zu ermöglichen. Folglich hat letztlich der Vermieter mit der
ungenügenden Rechnungsstellung das Nichtaufladen der Waschkarte und damit den
Nichtzugang <zur> Waschmaschine zu vertreten.
4.3 Die
Mieterin wendet sodann ein, dass sie – entgegen der zivilgerichtlichen
Auffassung – ihren Schaden aus dem fehlenden Waschmaschinenzugang dargelegt und
bewiesen habe. Entgegen der Auffassung des Zivilgerichts habe sie nicht
darlegen müssen, wie viel Waschgeld sie pro Monat eingespart habe (Berufung, Rz
7 mit Verweis auf die Klage, Rz 7 und die Klagebeilagen 7 und 9–12). Im
Zusammenhang mit der Anschaffung von Waschmaschine und Tumbler durch die
Mieterin hielt das Zivilgericht fest, dass sie sich die diesbezügliche
Auslagenersparnis anrechnen lassen müsse, diese Ersparnis aber nicht dargelegt
habe. Diese Auffassung ist nicht durchwegs zutreffend: Zwar ist es richtig,
dass sich die Geschädigte finanzielle Vorteile anrechnen lassen muss, wenn das
schädigende Ereignis solche <zur> Folge hat. Dabei trägt aber der
Schadenersatzpflichtige die Behauptungs- und Beweislast dafür, welche Vorteile
der Geschädigten im Einzelnen anzurechnen sind (vgl. zum Ganzen BGE 132 III 186
E. 8.3). Im vorliegenden Fall hätte der schadenersatzpflichtige Vermieter also zumindest
behaupten müssen, dass die Mieterin durch die Anschaffung von Waschmaschine und
Tumbler eine Ersparnis erzielt hat. Eine solche Behauptung findet sich weder in
seiner Klageantwort noch in seinen Ausführungen in der mündlichen
Hauptverhandlung vom 4. Mai 2022 (vgl. Verhandlungsprotokoll, S. 3–6). Hat aber
der Vermieter eine Ersparnis der Mieterin nicht behauptet (geschweige denn
bewiesen), steht der Mieterin der geltend gemachte Schadenersatzanspruch von
CHF 1'124.– ungeschmälert – also ohne Anrechnung allfälliger finanzieller
Vorteile – zu.
4.4 Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass das Zivilgericht für die Instandstellung von
Elektroinstallationen zu Recht einen Schadenersatzanspruch der Mieterin von CHF
635.– bejahte. Darüber hinaus hat sie einen Schadenersatzanspruch von CHF
1'124.– für die Anschaffung von Waschmaschine und Tumbler zu. Insgesamt steht
der Mieterin somit ein Schadenersatzanspruch von CHF 1'759.– zu.
5. Mietzinsherausgabe
5.1 Zum
Anspruch auf Herausgabe der hinterlegten Mietzinsen legte das Zivilgericht dar,
dass die Mieterin vom Vermieter die <Beseitigung> eines Mangels verlangen könne,
indem sie ihm dazu schriftlich eine angemessene <Frist> setze und androhe, dass
sie bei unbenütztem Ablauf der <Frist> Mietzinsen, die künftig fällig würden, bei
der Schlichtungsstelle hinterlegen werde (Art. 259g des Obligationenrechts
[OR, SR 220]). Die Dauer der <Frist> hänge ab von der Art und Schwere des
Mangels, vom Umfang der auszuführenden Arbeiten, von der Dringlichkeit und vom
Zeitbedarf, um Pläne erstellen zu lassen sowie behördliche Bewilligungen oder
Konkurrenzofferten einzuholen (Zivilgerichtsentscheid, E. 5.2). Im
vorliegenden Fall habe die Mieterin in ihrem Schreiben vom 22. September
2019 einzig eine <Frist> <zur> <Beseitigung> des Schimmels gesetzt, indem sie
verlangt habe, dass dieser «sofort» behoben werde. Dies sei – so das
Zivilgericht – offensichtlich keine angemessene <Frist>. Die <Beseitigung> von
Schimmel müsse von einer Fachperson vorgenommen werden, die vom Vermieter gefunden
und beauftragt werden müsse. Zudem werde mit Vorteil gleich auch nach der
Ursache des Schimmels gesucht und diese ebenfalls beseitigt. Somit wäre für die
<Beseitigung> des Schimmels eine <Frist> von mindestens zwei bis drei Wochen
angemessen gewesen. Angesichts der offensichtlich zu kurzen <Frist> sei der
Vermieter nicht gehalten gewesen, diese als zu kurz zu beanstanden (mit Verweis
auf BGer 4A_647/2015 und 649/2015 E. 5.2.3). Bei den anderen <Mängeln> in
Küche und Bad habe die Mieterin lediglich verlangt, dass diese «sobald als
möglich» zu beseitigen seien. Dies sei keine genügend eindeutige <Frist>, die es
dem Vermieter ermöglichen würde, sich so zu verhalten, dass er die Mietzinshinterlegung
vermeiden könnte. Da die Mieterin keine angemessene <Frist> <zur>
Mängelbeseitigung gesetzt habe, seien die Voraussetzungen für eine
Mietzinshinterlegung nicht erfüllt. Somit sei der gesamte Mietzins dem
Vermieter herauszugeben (E. 5.3).
5.2 Die
Mieterin wendet dagegen ein, der Vermieter müsse gegen eine als zu kurz
empfundene <Frist> sofort protestieren, ansonsten die Vermutung gelte, dass er
sie als angemessen erachte. Das Zivilgericht verletze Art. 259g OR,
wenn es ohne entsprechende Behauptung des Vermieters die Voraussetzungen der
Mietzinshinterlegung mit der Begründung verneine, der Mieterin habe bewusst
sein müssen, dass für die <Beseitigung> des Schimmels mindestens eine <Frist> von
zwei bis drei Wochen angemessen gewesen wäre und der Vermieter nicht gehalten
gewesen sei, die kurze <Frist> zu beanstanden. Als Laiin habe die Mieterin nicht
ermessen können, wie lange die <Beseitigung> des Schimmels dauere. In der Folge
habe der Vermieter nicht reagiert: Er habe weder eine Fristverlängerung
verlangt noch die Mängel behoben. Zudem sei die zivilgerichtliche Verneinung
der Voraussetzungen der Hinterlegung auch in prozessualer Hinsicht fehlerhaft:
Die Mieterin habe bereits in der Klage (Rz 10) geltend gemacht, dass die
Hinterlegung angekündigt, rechtzeitig und zulässig gewesen sei, was der
Vermieter nicht bestritten habe (Berufung, Rz 13).
Das
Bundesgericht hielt in Bezug auf die Ansetzung einer <Frist> <zur>
Mängelbeseitigung Folgendes fest (BGer 4A_647/2015 vom 11. August 2016 E. 5.2.3):
«<Zur> angemessenen <Frist> im Sinne von Art. 83 Abs. 2 OR, Art. 107
Abs. 1 OR und Art. 259g Abs. 1 OR äusserte sich das
Bundesgericht dahingehend, dass sich der Schuldner, dem eine zu kurze <Frist>
gesetzt wird, hiergegen zu verwahren und eine längere <Frist> zu verlangen hat;
sonst ist anzunehmen, er sei mit der ihm gesetzten <Frist> einverstanden (BGE 116
II 436 E. 2a S. 440; 105 II 28 E. 3b S. 34; Urteil 4A_565/2009 vom
21. Januar 2010 E. 4.2 mit der Präzisierung, dies gelte nicht, wenn für
den Mieter von vornherein erkennbar war, dass die von ihm gesetzte <Frist>
unzureichend ist). In der Lehre wird diese Rechtsprechung auf die angemessene
<Frist> im Sinne von Art. 259b OR übertragen, sofern die Mieter
dem Vermieter eine (zu kurze) <Frist> <zur> Mängelbeseitigung gesetzt haben (Peter Higi, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1994, N. 30 zu Art. 259b OR; Raymond
Bisang und andere, Das schweizerische <Mietrecht>, SVIT-Kommentar, 3.
Aufl. 2008, N. 14 zu Art. 259b OR; Lachat/Roy, in: Das <Mietrecht> für die
Praxis, 8. Aufl. 2009, S. 168 Rz. 11/2.5; Martin
Züst, Die Mängelrechte des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen, 1992,
S. 258 Rz. 431; Beat Rohrer,
Mängelrechte des Mieters, in: Wohn- und Geschäftsraummiete, 2016, S. 228 Rz.
5.38). Dies überzeugt, da keine Gründe ersichtlich sind, die eine
abweichende Handhabung bezüglich der angemessenen <Frist> im Sinne
von Art. 259b OR rechtfertigen würden».
Im Grundsatz muss sich der Vermieter, dem die Mieterin eine
zu kurze <Frist> <zur> Behebung der Mängel ansetzt, also wehren. Dies gilt gemäss
dem soeben zitierten Bundesgerichtsentscheid nur dann nicht, wenn für den
Mieter «von vornherein erkennbar» ist, dass die gesetzte <Frist> zu kurz ist. In
BGer 4A_565/2009, auf welchen der zitierte Bundesgerichtsentscheid verweist,
wird die Ausnahme (Wirkungslosigkeit einer zu kurzen Fristansetzung) etwas
weiter umschrieben. Es genügt, wenn dies für den Mieter «erkennbar» war
(«devait être reconnaissable pour le locataire»). Auch in der Literatur finden
sich unterschiedlich weite Umschreibungen der Ausnahme. Sehr eng
umschrieben wird die Ausnahme von Higi/Wildisen,
wonach sich der Vermieter nur bei «Fristansetzungen mit schikanösem Charakter»
nicht wehren müsse (Higi/Wildisen,
Zürcher Kommentar, 5. Auflage 2020, Art. 259g OR N 28). Gemäss etwas
weiteren Umschreibungen muss die Unangemessenheit der <Frist> für den Mieter
«offensichtlich erkennbar» (Hulliger/Heinrich,
Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Auflage 2016, Art. 259g–i OR N
4; Rohrer, in: Müller [Hrsg.],
Wohn- und Geschäftsraummiete, 2015, N 5.95), «ohne Weiteres erkennbar» (Rohrer, a.a.O., N 5.38) oder – noch
weiter – «bei Anwendung üblicher Sorgfalt erkennbar» sein (Weber, Basler Kommentar, 7. Auflage
2020, Art. 259g OR N 6). Teilweise wird die Ausnahme nicht einmal erwähnt
(Lachat/Roy, <Mietrecht> für die
Praxis, 9. Auflage 2016, S. 244; Tschudi,
SVIT-Kommentar, 4. Auflage 2018, Art. 259g OR N 24).
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen genau eine zu
kurze Fristansetzung ausnahmsweise wirkungslos bleibt, kann im vorliegenden
Fall offengelassen werden. Wie die Mieterin mit Recht geltend macht, hatte sie
in der Klage (Rz 10) ausgeführt, dass die erfolgte Hinterlegung des
Mietzinses angekündigt, rechtzeitig und zulässig sei, was der Vermieter weder
in seiner Klageantwort noch in der Hauptverhandlung bestritten habe (Berufung,
Rz 13). Unter diesen Umständen hätte das Zivilgericht auf die unbestritten
gebliebenen Behauptungen der Mieterin nur dann nicht abstellen dürfen, wenn
diese «nicht schlüssig» (Sutter-Somm/Schrank,
in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 3. Auflage 2016, Art. 55 N 27) oder «offensichtlich
unrichtig» wären (Leuenberger in:
Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 3. Auflage 2016, Art. 222 N 19; vgl. auch Art. 153
Abs. 2 ZPO, wonach das Gericht von Amtes wegen Beweis erheben kann, wenn an der
Richtigkeit einer nicht streitigen Tatsache «erhebliche Zweifel» bestehen). Im
vorliegenden Fall war die Behauptung der Mieterin, dass die Hinterlegung rechtzeitig
angekündigt gewesen sei, weder «nicht schlüssig» noch «offensichtlich
unrichtig». In dieser Situation hätte das Zivilgericht davon absehen müssen,
die Frage zu prüfen, ob es für die Mieterin genügend klar erkennbar war, dass
die von ihr gesetzte <Frist> <zur> Mängelbehebung zu kurz war. Demgemäss ist im
Einklang mit der Mieterin anzunehmen, dass die Voraussetzungen der
Mietzinshinterlegung vor Zivilgericht erfüllt waren.
5.3 Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass die Mieterin entgegen der Auffassung des Zivilgerichts
die Mietzinsen korrekt hinterlegt hat. Die hinterlegten Mietzinsen sind
folglich der Mieterin im Umfang ihres Herabsetzungsanspruchs von CHF 1'763.–
(vgl. oben E. 3) und ihres Schadenersatzanspruchs von CHF 635.– (vgl. oben E.
4) herauszugeben. Im Übrigen sind sie dem Vermieter herauszugeben.
6. Aufladen
der Waschkarte (Widerklage des Vermieters)
6.1 <Zur>
Forderung des Vermieters auf Zahlung zweier Rechnungen über CHF 200.–
führte das Zivilgericht aus, dass der Vermieter geltend mache, die Mieterin
habe zwei Rechnungen für das Nachladen der Waschkarte nicht bezahlt. Die
Mieterin wende dagegen ein, die Widerklage des Vermieters sei in diesem Punkt
unsubstantiiert und der Verweis auf Beilagen genüge nicht. Das Zivilgericht
räumte ein, dass die Ausführungen des Vermieters nicht sehr detailliert seien,
doch sei zu beachten, dass er juristischer Laie sei. Aus der Beilage 1 zu
seiner Eingabe vom 10. Juni 2020 ergebe sich ohne Weiteres, dass es sich bei
den CHF 200.– um das Aufladen der Waschkarte am 15. Dezember 2017 und 20. Februar
2018 von je CHF 100.– handle. Die Mieterin bestreite nicht, dass
diese Aufladevorgänge stattgefunden hätten; vielmehr bringe sie vor, dass nur
eine Rechnung unbezahlt geblieben sei, ohne dies zu belegen. Wenn sie aber – so
das Zivilgericht – Guthaben bezogen habe, schulde sie den entsprechenden Betrag
von CHF 200.– (Zivilgerichtsentscheid, E. 8.2).
6.2 Die
Mieterin wendet ein, sie habe bereits in ihrer Widerklageantwort moniert, dass
die Widerklage in Bezug auf die Rechnungen für das Nachladen der Waschkarte
«nicht ansatzweise substantiiert» sei. Im Widerspruch <zur> Bundesgerichtspraxis
habe das Zivilgericht versucht, aus den verschiedenen vom Vermieter
eingereichten Beilagen dessen geltend gemachte Forderung für ihn zu
rekonstruieren. Dabei sei dem Zivilgericht aufgrund der fehlenden
Substantiierung ein relevanter Fehler unterlaufen: Die vom Vermieter
bezeichnete Beilage enthalte die vom Zivilgericht genannten Daten des Aufladens
der Waschkarte (15. Dezember 2017 und 20. Februar 2018) gerade nicht
(Berufung, Rz 14 und 15).
Die Klage (oder Widerklage) muss die
Tatsachenbehauptungen und die Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den
behaupteten Tatsachen enthalten (Art. 221 Abs. 1 lit. d und e
ZPO). Zweck dieses Erfordernisses ist, dass das Gericht erkennen kann, auf
welche Tatsachen sich der Kläger (oder Widerkläger) stützt und womit er diese
beweisen will, und dass die Gegenpartei weiss, gegen welche konkreten
Behauptungen sie sich verteidigen muss (Art. 222 ZPO). Der Behauptungs-
und Substantiierungslast ist deshalb grundsätzlich in den Schriftsätzen selbst
nachzukommen; pauschale Verweise auf Beilagen genügen in aller Regel nicht,
denn es ist weder am Gericht noch an der Gegenpartei, die klägerische
Sachdarstellung aus den Beilagen zusammenzusuchen und danach zu forschen, ob
sich aus den Beilagen etwas zu Gunsten der behauptungsbelasteten Partei
ableiten lässt. Ausnahmsweise kann es zulässig sein, den Substantiierungsobliegenheiten
durch Verweis auf eine Beilage nachzukommen. Gerade wenn <zur> Substantiierung
von Tatsachen, die in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen im Schriftsatz
behauptet sind, eine Vielzahl von Einzelinformationen nötig sind, stellt die
Auslagerung der Informationen in eine Beilage unter Umständen keine Erschwerung
dar, sondern kann sowohl die Lesbarkeit der Rechtsschrift als auch den Zugriff
auf die entsprechenden Informationen erleichtern. Dabei genügt es freilich
nicht, dass in den Beilagen die verlangten Informationen in irgendeiner Form
vorhanden sind. Es muss auch ein problemloser Zugriff darauf gewährleistet
sein, und es darf kein Interpretationsspielraum entstehen. Der entsprechende
Verweis in der Rechtsschrift muss spezifisch ein bestimmtes Aktenstück nennen
und aus dem Verweis muss selbst klar werden, welche Teile des Aktenstücks als
Parteibehauptung gelten sollen. Ein problemloser Zugriff ist gewährleistet,
wenn eine Beilage selbsterklärend ist und genau die verlangten Informationen
enthält. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann ein Verweis nur
genügen, wenn die Beilage in der Rechtsschrift derart konkretisiert und
erläutert wird, dass die Informationen ohne Weiteres zugänglich werden und
nicht interpretiert und zusammengesucht werden müssen (vgl. zum Ganzen
BGer 5A_837/2019 vom 8. Mai 2020 E. 4.2, 4A_443/2017 vom 30. April 2018
E. 2.2).
Im vorliegenden
Fall gab der Vermieter in seiner Klageantwort und Widerklage vom 10. Mai 2020
an, dass die Mieterin die Rechnungen für das Aufladen ihres Wäscheschlüssels
«nicht immer bezahlt» habe. In einem E-Mail vom 10. März 2019, auf welches
der Vermieter verwies, wies er die Mieterin auf offene Rechnungen über
CHF 200.– für «Waschmaschinen Touch» hin und bat, die Rechnung zu bezahlen
(Klageantwort und Widerklage, S. 7 mit Verweis auf das E-Mail vom 10. März
2019). Mit Verfügung vom 22. Mai 2020 forderte die Zivilgerichtspräsidentin den
Vermieter auf, sein Rechtsbegehren 3 («Die Mieterin sei zu Verpflichten offene
Rechnungen sofort auszugleichen») zu beziffern. In einer kurzen Eingabe vom 10.
Juni 2020 bezifferte dieser das Rechtsbegehren 3 in Bezug auf das Aufladen der
Waschkarte dahingehend, dass er zwei Rechnungen bezeichnete («Waschschlüssel
Rechnung» vom «15.12.2018» im Betrag von CHF 100.– und «Offene
Waschschlüssel Rechnung» vom «20.2.2019» im Betrag von CHF 100.–) und auf
die Beilage 1 und hier auf die Positionen 1 und 2 verwies (Eingabe vom 10. Juni
2020). In der Beilage 1 waren die Positionen 1 und 2 («15.12.18» und «20.2.19»)
handschriftlich markiert.
Damit ist –
entgegen der Auffassung der Mieterin – festzustellen, dass der Vermieter die
behaupteten Tatsachen – zwei unbezahlt gebliebene Rechnungen von je CHF 100.–
für das Nachladen der Waschkarte am 15. Dezember 2018 und am 20. Februar
2019 – bereits in den Rechtschriften in ihren wesentlichen Umrissen behauptete. In
der Beilage 1 <zur> Eingabe vom 10. Juni 2020 werden sodann die beiden unbezahlt
gebliebenen Rechnungen vom 15. Dezember 2018 und 20. Februar 2019 über je
CHF 100.– handschriftlich und unmissverständlich markiert. Die Mieterin und das Gericht waren somit nicht
gezwungen, die Sachdarstellung des Vermieters aus den Beilagen zusammenzusuchen
und danach zu forschen, ob sich daraus etwas zu dessen Gunsten ableiten liesse. Vielmehr
ergab sich die Behauptung des Vermieters bereits aus dessen Rechtsschriften und
in diesen wurde auf die zutreffende und einschlägige Beilage 1 <zur> Eingabe vom
10. Juni 2020 verwiesen. Der Hinweis der Mieterin, dass die vom Vermieter
bezeichnete Beilage 1 die vom Zivilgericht genannten Daten des Aufladens der
Waschkarte nicht enthalte, ist zwar richtig, hilft ihr aber auch nicht weiter.
Bei den vom Zivilgericht bezeichneten Daten handelt es sich offensichtlich um
einen Verschrieb: Versehentlich nannte es den 15. Dezember 2017 und den 20. Februar
2018 als Rechnungsdaten und nicht den vom Vermieter korrekt bezeichneten und korrekt
belegten 15. Dezember 2018 und 20. Februar 2019.
6.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Zivilgericht
die Widerklage des Vermieters zu Recht im Betrag von CHF 200.– guthiess.
Aufgrund der Forderung der Mieterin wegen zu viel bezahlter Nebenkosten und
aufgrund ihrer Verrechnungserklärung hielt das Zivilgericht zudem zu Recht
fest, dass die Forderung des Vermieters von CHF 200.– untergegangen sei
(Zivilgerichtsentscheid, E. 8.5).
7. Prozesskosten
7.1
7.1.1 Das
Zivilgericht setzte die Gerichtskosten für die Klage und die Widerklage mit je
CHF 500.– fest und auferlegte diese im Umfang von 90 % der Mieterin. Die
Mieterin kritisiert die Höhe und Verteilung der Gerichtskosten vor
Zivilgericht. Bei den formellen Rechtsbegehren verlangt sie die Auferlegung der
erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Prozesskosten (Berufung, S. 2,
Rechtsbegehren 4), ohne die aus ihrer Sicht angemessenen Prozesskosten zu
beziffern.
Aus der Pflicht
<zur> Begründung des Rechtsmittels (vgl. Art. 311 Abs. 1 ZPO) ergibt
sich, dass die Berufungseingabe Rechtsbegehren enthalten muss. Bei auf eine
Geldleistung gerichteten Forderungen ist zudem eine Bezifferung erforderlich.
Bei teilweisem oder vollständigem Fehlen genügender Berufungsanträge ist auf
die Berufung grundsätzlich teilweise oder vollständig nicht einzutreten. Die
Rechtsfolge des Nichteintretens steht aber unter dem Vorbehalt des überspitzten
Formalismus (Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV, SR 101]).
Demgemäss ist auf eine Berufung mit formell mangelhaften Rechtsbegehren
ausnahmsweise einzutreten ist, wenn sich aus der Begründung, allenfalls in
Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, ergibt, was der Berufungskläger in
der Sache verlangt (vgl. zum Ganzen BGE 137 III 617 E. 4.2.2 und
E. 6.2; AGE ZB.2021.31 vom 18. Oktober 2021 E. 1.2).
Im vorliegenden
Fall hat die Mieterin das formelle Berufungsbegehren (Rechtsbegehren 4) nicht
beziffert. Die Bezifferung ergibt sich allerdings aus der Berufungsbegründung,
wonach die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren auf je
CHF 200.– für die Klage und die Widerklage festzusetzen und dem Vermieter
aufzuerlegen seien (Berufung, Rz 20 am Ende und Rz 21). Aus dem
Berufungsbegehren 4 und der Begründung ergibt sich somit, dass die Mieterin
eine Reduktion der erstinstanzlichen Gerichtskosten auf je CHF 200.– und
deren Auferlegung an den Vermieter beantragt. Auf die Berufung ist somit auch
in Bezug auf die Höhe und Verteilung der Gerichtskosten einzutreten.
7.1.2 Die
Mieterin kritisiert zunächst, bei der Ermittlung der Höhe des Streitwerts und
damit auch der Gerichtskosten habe das Zivilgericht zu Unrecht auch die
hinterlegten Mietzinsen berücksichtigt. Unter Berufung auf einen Aufsatz von Lachat macht sie geltend, dass der Wert
der hinterlegten Mietzinsen bei der Ermittlung des Streitwerts nicht zu
berücksichtigen sei (Berufung, Rz 18).
Der Streitwert
wird durch das Rechtsbegehren bestimmt. Lautet das Rechtsbegehren nicht auf
eine bestimmte Geldsumme, setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich
die Parteien nicht darüber einigen oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig
sind (Art. 91 ZPO). Bei einer Klagenhäufung werden die geltend gemachten
Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie nicht gegenseitig ausschliessen
(Art. 93 Abs. 1 ZPO). Eine Zusammenrechnung hat nach der Lehre auch
dann nicht zu erfolgen, wenn bei einer Klagenhäufung die mehreren Ansprüche
zwar selbständig nebeneinander bestehen, aber wirtschaftlich nur eine Leistung
bezwecken, wie etwa bei der Verbindung einer Forderungsklage mit der Pfandklage
(Sterchi, Berner Kommentar 2012,
Art. 93 ZPO N 6; Stein-Wigger,
in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 3. Auflage 2016,
Art. 93 N 10 [mit Hinweisen auf die uneinheitliche Bundesgerichtspraxis]).
Zweck der Mietzinshinterlegung ist es, der Mieterin <zur> Durchsetzung ihres
Anspruchs auf Mängelbeseitigung ein Druckmittel in die Hand zu geben. Dieser
Zweck verdeutlicht, dass es sich bei der Mietzinshinterlegung im Wesentlichen
um einen Behelf der Mieterin handelt, den Anspruch auf Mängelbeseitigung
durchzusetzen – und nicht um einen Anspruch im engeren Sinn (Higi/Wildisen, in: Zürcher Kommentar,
5. Auflage 2019, Art. 259g OR N 9 und 10; vgl. auch Art. 259h OR
N 8). Handelt es sich bei der Mietzinshinterlegung aber um einen Rechtsbehelf
<zur Durchsetzung des Mängelbeseitigungsanspruchs (und der Ansprüche auf
Mietzinsherabsetzung und Schadenersatz; vgl. BGE 146 III 63 E. 4.4.4), ist
bei der Ermittlung des Streitwerts lediglich auf die zugrundeliegenden
Ansprüche (auf Mängelbeseitigung, Mietzinsherabsetzung oder Schadenersatz)
abzustellen und der Wert der hinterlegten Mietzinsen ausser Acht zu lassen. Im
Einklang damit führt Lachat aus,
dass der Streitwert sich nicht nach den hinterlegten Mietzinsen bemisst,
sondern nach den Forderungen der Mieterin (wie Ausführung von Reparaturen,
Mietzinsherabsetzung, Schadenersatz) (Lachat,
Die Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g und 259i OR), in: mp 1993, 1
ff., S. 12 Ziffer 8.3).
Aufgrund dieser
Erwägungen ist festzuhalten, dass das Zivilgericht bei der Ermittlung des
Streitwerts zu Unrecht auch den Wert der hinterlegten Mietzinsen von CHF 7'463.–
berücksichtigte. Lässt man die hinterlegten Mietzinsen ausser Acht, betrug der
Streitwert vor Zivilgericht richtigerweise rund CHF 20'000.–
(CHF 27'500.– [vgl. Zivilgerichtsentscheid, E. 9.2 am Ende] abzüglich
CHF 7'463.– = CHF 20'037.–).
7.1.3 Die
Mieterin kritisiert sodann, das Zivilgericht habe zu Unrecht den Rückzug ihres
Rechtsbegehrens um Mängelbeseitigung zu ihren Lasten berücksichtigt. Das
Zivilgericht führte aus, die Mieterin habe dieses Rechtsbegehren zurückgezogen,
weil sie per 1. März 2021 eine neue Wohnung bezogen und die beim Vermieter
gemietete Wohnung fristlos gekündigt habe. Es sei fraglich, ob die
Mieterin dazu berechtigt gewesen sei. Obwohl nach ihrer Darstellung die Mängel
schon seit Beginn des Mietverhältnisses bestanden hätten, habe sie bis Ende
April 2021 zugewartet mit der Kündigung. Es bestünden somit erhebliche Zweifel,
dass die geltend gemachten Mängel derart schwer seien, dass eine fristlose
Kündigung zulässig sei beziehungsweise dass es der Mieterin nicht zumutbar
gewesen sei, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Demgemäss sei der
Rückzug des Rechtsbegehrens um Mängelbeseitigung als Unterliegen der Mieterin
anzusehen (Zivilgerichtsentscheid, E. 9.3).
Die Mieterin
wendet ein, sie habe ihr Begehren um Mängelbeseitigung in der Hauptverhandlung
zurückgezogen und darum ersucht, dass dieser Rückzug bei der Kostenverteilung
nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werde. Da das Schlichtungs- und
Gerichtsverfahren über eineinhalb Jahre gedauert habe, sei sie zwischenzeitlich
aus der Wohnung ausgezogen. Die Mängelbeseitigung sei deshalb für sie obsolet
geworden. Entgegen der Auffassung des Zivilgerichts sei es irrelevant, dass die
Kündigung fristlos erfolgt sei. Auch bei einer ordentlichen Kündigung hätte sie
kein Interesse mehr an der Mängelbeseitigung gehabt. Auch diesfalls hätte sie
ihr Begehren um Mängelbeseitigung zurückgezogen. Die Gerichtskosten seien in
Anwendung von Art. 107 Abs. 1 lit. b und f ZPO nicht ihr aufzuerlegen
(Berufung, Rz 19).
Die Gerichtskosten
werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten und bei
Klagerückzug gilt die klagende Partei als unterliegend, bei Klageanerkennung
die beklagte Partei (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Mit Blick auf besondere
Umstände kann das Gericht von diesen Grundsätzen abweichen und die Gerichtskosten
nach Ermessen verteilen (Art. 107 ZPO). Nach seinem klaren Wortlaut ist
Art. 107 ZPO eine «Kann»-Bestimmung. Das Gericht verfügt im Anwendungsbereich
dieser Norm mithin nicht nur über Ermessen, wie es die Kosten verteilen will,
sondern insbesondere auch bei der Frage, ob es überhaupt von den allgemeinen
Verteilungsgrundsätzen nach Art. 106 ZPO abweichen will (BGE 139 III 358
E. 3 S. 360; BGer 4A_268/2018 vom 18. November 2019 E. 9.1.2).
Im vorliegenden
Fall ist die zivilgerichtliche Auffassung, wonach der Rückzug des Begehrens um
Mängelbeseitigung als Unterliegen der Mieterin anzusehen ist, ohne Weiteres
vertretbar. Eine Abweichung vom gesetzlichen Verteilungsgrundsatz von
Art. 106 Abs. 1 ZPO erscheint jedenfalls nicht als zwingend geboten.
Entgegen der Auffassung der Mieterin liegt weder ein klarer Anwendungsfall von
Art. 107 Abs. 1 lit. b noch lit. f ZPO vor: Eine
Prozessführung in guten Treuen (lit. b) wird insbesondere bejaht, wenn die
obsiegende Partei vorprozessual und für die unterliegende Partei unerwartet
Einreden und Einwendungen nicht vorgebracht hat, die letztlich zum Obsiegen im
Prozess führen, oder wenn das Unterliegen durch eine unerwartete Praxisänderung
verursacht wurde (Jenny, in:
Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 3. Auflage 2016,
Art. 107 N 7; Sterchi,
Berner Kommentar 2012, Art. 107 N 6 und 7). Der Umstand, dass das
Schlichtungs- und Gerichtsverfahren insgesamt eineinhalb Jahre dauerte und die
Mieterin zwischenzeitlich eine neue Wohnung suchte und fand, gebietet nicht
zwingend ein Abweichen von der Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens.
Andere besondere Umstände, die eine Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens
als unbillig erscheinen lassen (lit. f), liegen klarerweise nicht vor
(vgl. dazu Jenny, a.a.O.,
Art. 107 N 17–22; Sterchi,
a.a.O., Art. 107 N 21–23, wonach die Bestimmung von lit. f «sehr
restriktiv» zu handhaben sei). Demnach ist festzustellen, dass das Zivilgericht
mit zumindest vertretbaren Gründen den Rückzug des Begehrens um
Mängelbeseitigung als Klagerückzug betrachtete und entsprechend bei der
Verteilung der Gerichtskosten berücksichtigte.
7.1.4 Die
Mieterin bemängelt schliesslich, das Zivilgericht habe – angesichts der tiefen
Streitwerte von Klage und Widerklage – zu Unrecht die maximale Gerichtsgebühr
von je CHF 500.– auferlegt. Aufgrund der tiefen Streitwerte hätten die
Gerichtskosten mit höchstens je CHF 200.– festgesetzt werden dürfen
(Berufung, Rz 20).
Die
Gerichtskosten in Verfahren vor Zivilgericht und Appellationsgericht, die ihren
Ursprung bei der Schlichtungsstelle haben, betragen zwischen CHF 200.– und
CHF 500.– bei einer Nettomonatsmiete bis CHF 2'500.– bei Wohnungsmiete
und bis CHF 3'500.– bei Geschäftsmiete (§ 2a Abs. 2 des Gesetzes über die
Gerichtsgebühren [Gerichtsgebührengesetz, SG 154.800]). Das
Gerichtsgebührengesetz führt nicht aus, nach welchen Kriterien die
Gerichtskosten im – engen – Rahmen zwischen CHF 200.– und CHF 500.–
zu bemessen sind. Es liegt nahe, auf die üblichen Bemessungsgrundsätze, wie sie
im Reglement über die Gerichtsgebühren (Gerichtsgebührenreglement, GGR, SG
154.810) vorgesehen sind, abzustellen. Grundlage für die Bemessung der Gerichtskosten
innerhalb des vom Gerichtsgebührenreglement vorgegebenen Rahmens bilden die
Bedeutung des Falls, der Zeitaufwand des Gerichts, die tatsächliche und
rechtliche Komplexität des Falls und der Streitwert (§ 2 GGR).
Angesichts des
Zeitaufwands des Gerichts und der Komplexität des Falls – der umfassend und
sorgfältig begründete Zivilgerichtsentscheid umfasst 34 Seiten – ist es nicht
zu beanstanden, dass das Zivilgericht den engen Rahmen ausschöpfte und die
Gerichtskosten für Klage und Widerklage mit je CHF 500.– festsetzte. Daran
ändert auch der Umstand nichts, dass der Streitwert für Klage und Widerklage von
CHF 27'500.– auf CHF 20'000.– zu reduzieren ist (vgl. E. 7.1.2).
7.1.5 Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass das Zivilgericht die Gerichtskosten im Ergebnis zu Recht
mit je CHF 500.– für die Klage und Widerklage festsetzte.
7.2 Im
Berufungsverfahren sind die Gerichtskosten nach den gleichen Grundsätzen wie im
erstinstanzlichen Verfahren zu bemessen (vgl. oben E. 7.1.4).
Angesichts des Gerichtskostenrahmens von CHF 200.– bis CHF 500.– und
aufgrund des Umstands, dass das Berufungsverfahren im Vergleich zum
erstinstanzlichen Klageverfahren etwas beschränkt wurde (vgl. § 16
Abs. 1 lit. c GGR analog), erscheinen Gerichtskosten von
CHF 300.– in Bezug auf die Klage als angemessen. In Bezug auf die
Widerklage sind die Gerichtskosten im Berufungsverfahren am untersten Rand des
Rahmens und somit bei CHF 200.– festzusetzen.
7.3 Die
Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 1'000.– und des
zweitinstanzlichen Verfahrens von CHF 500.– sind sodann neu zu verteilen. Die
Mieterin obsiegt teilweise mit ihrem Mietzinsherabsetzungsanspruch (CHF
1'763.–; vgl. oben E. 3), mit ihrem Schadenersatzanspruch (CHF 1’759.–;
vgl. oben E. 4) und unterliegt geringfügig in Bezug auf die
Widerklage des Vermieters (CHF 200.–; vgl. oben E. 6), insgesamt also
mit einem Betrag von CHF 3’722.–. Damit obsiegt sie zu knapp einem Fünftel
(CHF 3’722.– : Streitwert von Klage und Widerklage von CHF 20'000.– =
0,19). Demgemäss trägt sie die Gerichtskosten beider Verfahren von CHF 1'500.–
im Umfang von CHF 1'200.–, der Vermieter im Umfang von CHF 300.–.
Die
Gerichtskosten des zweitinstanzlichen Verfahrens sind durch den von der
Mieterin geleisteten Kostenvorschuss von CHF 500.– vollständig gedeckt.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 1000.– trägt
die Mieterin somit im Umfang von CHF 700.– und der Vermieter im Umfang von
CHF 300.–.
7.4 In
Verfahren vor Zivilgericht und Appellationsgericht, die – wie das vorliegende
Verfahren – ihren Ursprung bei der Schlichtungsstelle haben, werden keine Parteientschädigungen
gesprochen (§ 2a Abs. 1 und § 3a Gerichtsgebührengesetz).
Demgemäss erkennt
das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: In teilweiser Gutheissung der Berufung werden
die Dispositivziffern 2, 4 und 7 des Zivilgerichtsentscheids vom 22. Juni
2021 ([...]) aufgehoben und wie folgt neu gefasst.
«2. Der Berufungsbeklagte wird verpflichtet,
der Berufungsklägerin CHF 1'759.– zu zahlen.
4. Die bei der Staatlichen
Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten hinterlegten Mietzinsen werden im
Umfang von CHF 3’522.– der Berufungsklägerin und im übrigen Umfang dem
Berufungsbeklagten freigegeben.»
«7. Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen
Verfahrens werden im Umfang von CHF 700.– der Berufungsklägerin und im
Umfang von CHF 300.– dem Berufungsbeklagten auferlegt.»
Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.
Die Berufungsklägerin trägt die Gerichtskosten des
Berufungsverfahrens von CHF 500.–.
Mitteilung an:
-
Berufungsklägerin
-
Berufungsbeklagter
-
Zivilgericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
PD Dr. Benedikt Seiler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen
Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes
(BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen
erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann,
wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a
oder b BGG erreicht (CHF 15'000.– bei Streitigkeiten aus Miete oder
Arbeitsverhältnis bzw. CHF 30'000.– in allen übrigen Fällen) oder wenn
sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die
Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14)
einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG
verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das
Bundesgericht.
Ob an Stelle der
Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113
BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl
Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide
Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.