Geschäftsnummer: ZB.2018.40 (AG.2019.459)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 18.06.2019 
Erstpublikationsdatum: 23.07.2019
Aktualisierungsdatum: 10.06.2022
Titel: Haftung / Regressforderung
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Kammer

 

ZB.2018.40

 

ENTSCHEID

 

vom 18. Juni 2019

 

 

Mitwirkende

 

Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey,

Dr. Andreas Traub, Dr. Carl Gustav Mez

und Gerichtsschreiber PD Dr. Benedikt Seiler

 

 

 

Parteien

 

Eidgenössische Invalidenversicherung                                     Klägerin 1

Bundesamt für Sozialversicherungen,                          Berufungsklägerin 1

Effingerstrasse 20, 3003 Bern

 

Eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung   Klägerin 2

Effingerstrasse 20, 3003 Bern                                        Berufungsklägerin 2

beide vertreten durch lic. iur. A____, Advokat, [...]   

 

gegen

 

B____                                                                                                    Beklagter

[…]                                                                                        Berufungsbeklagter

vertreten durch Dr. C____, Advokatin, [...]   

 

 

Gegenstand

 

Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts vom 28. Juni 2018

 

betreffend Forderung


Sachverhalt

 

Am 24. Dezember 2009 ereignete sich im 1. Untergeschoss der Liegenschaft an der [...] in Basel ein schwerer Arbeitsunfall. Arbeitgeberin und zugleich Mieterin dieser Liegenschaft war die D____ AG. Zwei Mitarbeitende der D____ AG hatten direkt vor dem Warenlift eines von sechs Boden-Metallgittern aus seiner Verankerung gelöst, um Schmutz zu entfernen. Unter den Metallgittern befanden sich nicht tragfähige Styroporplatten, die dazu dienten, den Luftzug aus dem Weinkeller im 2. Untergeschoss zu verhindern. Der damals 32-jährige Lagermitarbeiter und Chauffeur E____ (Verunfallter) wollte die Stelle mit dem fehlenden Metallgitter, eine Bodenöffnung von 82 x 106 cm, passieren, durchbrach dabei die Styroporplatten und stürzte rund 4 m tief auf den darunterliegenden Boden. Dabei zog er sich schwere Verletzungen zu. Die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) richtete in der Folge gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % die gesetzlichen Leistungen aus, die voraussichtlich nach Eintritt ins ordentliche Rentenalter des Verunfallten durch die Eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zu übernehmen sind.

 

Nachdem im Schlichtungsverfahren keine Einigung erzielt werden konnte, reichten die IV und die AHV (Versicherungsträger und Berufungsklägerinnen) am 24. Februar 2016 beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage ein gegen B____, den Eigentümer der Liegenschaft an der [...] (Werkeigentümer und Berufungsbeklagter). Darin beantragten sie, dieser sei zu verurteilen, der IV CHF 745‘285.– (zuzüglich 5 % Zins) und der AHV CHF 92‘721.– (zuzüglich 5 % Zins) zu zahlen. Mit Klageantwort vom 15. August 2016 beantragte der Werkeigentümer die Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei. Nach einem zweiten Schriftenwechsel und je einer weiteren Eingabe der Parteien fand am 28. Juni 2018 die Hauptverhandlung statt. Mit begründetem Entscheid vom selben Tag wies das Zivilgericht die Klage ab.

 

Gegen diesen Entscheid haben die beiden Versicherungsträger am 1. Oktober 2018 Berufung beim Appellationsgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Werkeigentümer zur Zahlung der vor Zivilgericht beantragten Beträge zu verurteilen; eventualiter sei die Streitsache zur Festlegung des Quantitativs an das Zivilgericht zurückzuweisen. Mit Berufungsantwort vom 21. November 2018 beantragt der Werkeigentümer, es sei die Berufung abzuweisen. Der vorliegende Entscheid ist nach Beizug der Zivilgerichtsakten auf dem Zirkulationsweg gefällt worden.

 

 


 

Erwägungen

 

1.        Formelles

 

In vermögensrechtlichen Angelegenheiten steht die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheide offen, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF 10'000.– beträgt (Art. 308 Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Im vorliegenden Fall wird dieser Streitwert mit CHF 839‘006.– bei Weitem überschritten. Die Berufung ist sodann frist- und formgerecht erhoben worden, so dass darauf eingetreten werden kann.

 

Zuständig zur Beurteilung der vorliegenden Berufung ist die Kammer des
Appellationsgerichts (§ 91 Abs. 1 Ziffer 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Mit der Berufung können die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO).

 

 

2.         Entscheid des Zivilgerichts und Standpunkt der Versicherungsträger

im Überblick

 

2.1      Das Zivilgericht hat im angefochtenen Entscheid zunächst seine örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit und auch das Vorliegen der weiteren Prozessvoraussetzungen geprüft und bejaht (angefochtener Entscheid, E. 1).

 

Das Zivilgericht hat sodann die Haftungsgrundlage des Anspruchs der Versicherungsträger gegenüber dem Werkeigentümer geprüft und Folgendes festgehalten: Die IV und die AHV als Versicherungsträger treten gegenüber einem Dritten, der für den Versicherungsfall haftet – hier: dem Werkeigentümer – in die Haftpflichtansprüche der versicherten Person – hier: des Verunfallten – ein (vgl. Art. 72 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SG 830.1]). Dieser Regressanspruch begründet keinen neuen, selbständigen Anspruch der Versicherungsträger, vielmehr übernehmen die Versicherungsträger diesen durch Legalzession übergegangenen Haftpflichtanspruch der versicherten Person im Grundsatz mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen (E. 2.1). Das Zivilgericht hat in diesem Zusammenhang geprüft, ob die beiden Versicherungsträger ihren Regressanspruch auf die Werkeigentümerhaftung (Art. 58 des Obligationenrechts [OR, SR 220]) stützen können. Dabei hat es einen Werkmangel bejaht (E. 2.2 bis 2.10) und eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs mangels eines groben Verschuldens des Verunfallten oder eines Dritten verneint (E. 2.11 und 2.12). Ein direktes Regressprivileg des Werkeigentümers (sog. Arbeitgeberprivileg gemäss Art. 75 Abs. 2 ATSG) hat das Zivilgericht verneint, da er nicht Familienangehöriger der als juristische Person konstituierten Arbeitgeberin sein könne (E. 2.13).

 

Im Weiteren hat das Zivilgericht aber ein indirektes Regressprivileg des Werkeigentümers bejaht, dies gestützt auf den BGE 143 III 79. Ausgangspunkt dieses Entscheids – so das Zivilgericht – bilde der Umstand, dass im Aussenverhältnis eine solidarische Haftung von Arbeitgeber und nicht privilegiertem Drittem (Werkeigentümer) entfalle, wenn neben dem Arbeitgeber einzig ein nicht privilegierter Haftpflichtiger für das schädigende Ereignis einzustehen habe. Aufgrund der entfallenden solidarischen Haftung bleibe dem nicht privilegierten Haftpflichtigen gemäss der Rechtsprechung im Innenverhältnis ein Rückgriff auf den Arbeitgeber verwehrt. Begründet werde dies mit zwei Argumenten: Zum einen bestehe bei fehlender Solidarität keine gemeinsame Schuld, die es intern aufzuteilen gelte; zum anderen würde das Regressprivileg des Arbeitgebers unterlaufen, wenn er des Vorteils, den er sich mit der Bezahlung der Unfallversicherungsprämien erkauft habe, verlustig gehen würde (E. 3.1). Es sei aber gemäss BGE 143 III 79 gerechtfertigt, dass der nicht privilegierte Haftpflichtige den Versicherungsträgern nur insoweit hafte, als er im Innenverhältnis mit dem Arbeitgeber den Schaden tragen müsste, wenn kein Regressprivileg bestünde (E. 3.2).

 

Das Zivilgericht hat sodann festgehalten, es sei an die Erwägungen des BGE 143 III 79 grundsätzlich gebunden. Zu fragen sei einzig, ob die bundesgerichtlichen Erwägungen zum Regressprivileg unbesehen auf den vorliegenden Fall zu übertragen seien. Die Versicherungsträger bestritten dies mit dem Argument, dass im besagten BGE neben der IV und der AHV auch die Unfallversicherung einen Regressanspruch geltend gemacht habe. Das Zivilgericht hält dazu fest, dass das Bundesgericht im BGE 143 III 79 in keiner Weise festgehalten habe, dass die Erwägungen zum Regressprivileg nur im Fall des Rückgriffs der Unfallversicherung Geltung beanspruchten. Auch der Wortlaut des Regressprivilegs von Art. 75 Abs. 2 ATSG und die Ge-setzessystematik brächten zum Ausdruck, dass das Privileg nicht nur gegenüber der Unfallversicherung, sondern gegenüber sämtlichen Versicherungsträgern gelten soll (E. 4).

 

Das Zivilgericht hat im Weiteren ausgeführt, dass das Regressprivileg des Arbeitgebers gelte, soweit er nicht absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt habe. Vor Inkrafttreten des ATSG sei der Begriff des Arbeitgebers stets in einem engen Sinn verstanden worden: Absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten seiner Hilfspersonen seien dem Arbeitgeber nicht zugerechnet worden; bei juristischen Personen habe diese zur Folge gehabt, dass nur dann auf den Arbeitgeber habe Regress genommen werden können, wenn einem Organ absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten habe vorgeworfen werden können. Mit dem Inkrafttreten des ATSG habe sich an dieser Rechtslage nichts geändert (E. 5.1 und 5.2). Im vorliegenden Fall verneint das Zivilgericht ein grobfahrlässiges Verhalten eines formellen oder faktischen Organs der Arbeitgeberin (E. 5.3 und 5.4). Deshalb greife das Regressprivileg von Art. 75 Abs. 2 ATSG, sofern die Arbeitgeberin ihrerseits einen Haftungstatbestand erfülle. Werde im Rahmen von Art. 58 OR ein Werkmangel bzw. eine Verletzung der Sicherungspflicht festgestellt, so hafte hierfür auch der Arbeitgeber (nach Art. 97 OR in Verbindung mit Art. 328 und Art. 101 OR), soweit der Werkmangel durch dessen Hilfspersonen verursacht worden sei. Dies sei vorliegend der Fall, weshalb die Arbeitgeberin für das Verhalten ihrer Hilfspersonen einzustehen habe (E. 5.5).

 

Schliesslich hat das Zivilgericht geprüft, wer im Innenverhältnis zwischen dem beklagten Werkeigentümer und der Arbeitgeberin welche Quote tragen müsste, wenn das Regressprivileg von Art. 75 Abs. 2 ATSG nicht spielen würde (E. 5.5 am Ende). Die Frage nach dem Innenverhältnis zwischen Solidarhaftpflichtigen, die aus verschiedenen Rechtsgründen hafteten, werde in Art. 51 Abs. 2 OR geregelt. Gemäss der in Art. 51 Abs. 2 OR vorgesehenen Kaskadenordnung hafte in erster Linie derjenige, der den Schaden durch unerlaubte Handlung verschuldet habe, in zweiter Linie derjenige, welcher aus Vertrag hafte (so die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall), und in dritter Linie derjenige, der ohne Verschulden nach Gesetzesvorschrift in Anspruch genommen werde (so der beklagte Werkeigentümer im vorliegenden Fall) (E. 6.1). Werde dieser Kaskadenordnung gefolgt, so entfalle im Innenverhältnis eine Haftung des beklagten Werkeigentümers vollständig. Die Kaskadenordnung vermöge gerade im vorliegenden Fall die richtigen Wertungen zu setzen: Der beklagte Werkeigentümer trage am vorliegenden Ereignis keinerlei Verschulden; das Ereignis sei einzig auf das Verhalten der Arbeitgeberin bzw. von deren Hilfspersonen zurückzuführen. Bei dieser Ausgangslage dränge es sich auf, dass der Werkeigentümer im Innenverhältnis nicht hafte und damit im Aussenverhältnis (gegenüber der IV und der AHV) indirekt vom Regressprivileg der Arbeitgeberin profitiere (E. 6.2 bis 6.4).

 

Zusammenfassend hat das Zivilgericht festgehalten, dass das Regressprivileg von Art. 75 Abs. 2 ATSG im vorliegenden Fall voll auf den beklagten Werkeigentümer durchschlage, womit ein Regress gegen ihn entfalle. Demgemäss trügen die klagenden Versicherungsträger die Gerichtskosten von CHF 20‘000.–, die Schlichtungskosten von CHF 6‘100.– und eine Parteientschädigung von CHF 105‘600.– zuzüglich Mehrwertsteuer an den beklagten Werkeigentümer (E. 7).

 

2.2      Die Versicherungsträger kritisieren den Entscheid des Zivilgerichts in fünf Punkten: Erstens habe das Zivilgericht den Sachverhalt falsch festgestellt, indem es als nicht erwiesen erachtet habe, dass der Geschäftsführer der Arbeitgeberin den Auftrag zur Reinigung der Metallgitter gegeben habe (Berufung, S. 13 ff.). Zweitens hätte das Zivilgericht davon ausgehen müssen, dass das Regressprivileg der Arbeitgeberin (zufolge grober Fahrlässigkeit ihrer Organe oder Hilfspersonen) weggefallen sei (Berufung, S. 17 ff.). Drittens kritisieren sie den Entscheid BGE 143 III 79 und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall (Berufung, S. 24 ff.). Viertens habe das Zivilgericht die Erwägungen von BGer 4A_453/2017 (= BGE 144 III 319) zur internen Aufteilung zwischen dem privilegierten und dem nicht privilegierten Haftpflichtigen zu Unrecht nicht berücksichtigt (Berufung, S. 35 ff.). Schliesslich habe es die Prozesskosten falsch verteilt und dem Werkeigentümer eine zu hohe Parteientschädigung zugesprochen (Berufung, S. 41 ff.). Geprüft werden diese fünf Einwände der Versicherungsträger in den nachfolgenden E. 3 (Auftrag zur Reinigung der Metallgitter), E. 4 (Wegfall des Regressprivilegs der Arbeitgeberin zufolge grober Fahrlässigkeit eines Organs oder einer Hilfsperson), E. 5 (Kritik an BGE 143 III 79 und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall), E. 6 (Kritik an der Nichtanwendung von BGE 144 III 209 und BGE 144 III 319 auf den vorliegenden Fall) und E. 7 (Prozesskosten im erstinstanzlichen Verfahren).

 

 

3.         Auftrag zur Reinigung der Metallgitter

 

3.1      Ein Regressrecht der Versicherungsträger gegen die Arbeitgeberin der versicherten Person besteht nur, wenn die Arbeitgeberin den Versicherungsfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat (Art. 75 Abs. 2 ATSG). Von diesem Regressprivileg der Arbeitgeberin profitiert nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung von BGE 143 III 79 unter Umständen auch der nicht privilegierte Haftpflichtige, im vorliegenden Fall der beklagte Werkeigentümer. Das Zivilgericht hat in diesem Zusammenhang zum einen als unbewiesen erachtet, dass F____ als Geschäftsführer der Arbeitgeberin den Auftrag zur Reinigung der Metallgitter gegeben hat; ein grobes Verschulden eines formellen Organs der Arbeitgeberin komme somit nicht in Frage (angefochtener Entscheid, E. 5.3). Zum anderen hat das Zivilgericht festgestellt, dass die Versicherungsträger zu Recht nicht vorgebracht hätten, dass ein faktisches Organ der Arbeitgeberin ein grobes Verschulden treffe; weder die Aushilfe G____ noch der weniger als ein Jahr beschäftigte Lagerchef H____ seien faktische Organe der Arbeitgeberin (E. 5.4). Nach Auffassung des Zivilgerichts fehlt es somit an einer grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Arbeitgeberin, weshalb diese – und möglicherweise indirekt auch der nicht privilegierte Werkeigentümer – in den Genuss des Regressprivilegs gemäss Art. 75 Abs. 2 ATSG kämen.

 

3.2      In ihrer Berufung bringen die Versicherungsträger in Bezug auf diese Sachverhaltsfeststellung vor, entgegen der Auffassung des Zivilgerichts sei davon auszugehen, dass F____ als Geschäftsführer der Arbeitgeberin den Auftrag zur Reinigung der Metallgitter vom 24. Dezember 2009 erteilt habe (Berufung, S. 13 unten). Sie hätten in der Klage und in der Replik behauptet, die Aushilfe G____ habe den Auftrag zur Reinigung des Gitters vom Lagerleiter H____ und dieser seinerseits vom Geschäftsführer F____ erhalten (S. 14 f.). Die Feststellung des Zivilgerichts, die Auftragserteilung durch F____ sei nicht nachgewiesen, sei aus mehreren Gründen unhaltbar: Zunächst verschweige das Zivilgericht die Aussage von H____, der unmittelbar nach dem Unfall angegeben habe, er habe vor dem Mittagessen mit F____ einen Rundgang gemacht, wobei er ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass bei den Gittern ein Absätzlein sei, worauf F____ gesagt habe, man sollte dies einfach mal putzen (S. 14 f. Ziffern 2.4, 2.7 und 2.8). Sodann sei es unhaltbar, auf die Aussage der Aushilfe G____ abzustellen, wonach der Reinigungsauftrag nicht von oben herab erteilt worden sei; G____ habe gar nicht wissen können, welchen Auftrag H____ von F____ erhalten habe (S. 14–16 Ziffern 2.5, 2.7 und 2.8). Im Weiteren habe das Zivilgericht ausser Acht gelassen, dass F____ seine Aussagen nicht unterschriftlich bestätigt habe, wogegen H____ seine Aussagen im Strafverfahren zunächst als Auskunftsperson und dann als Angeschuldigter übereinstimmend gemacht habe; im Zeitpunkt der ersten Einvernahme sei das Arbeitsverhältnis noch nicht gekündigt gewesen (S. 16, Ziffern 2.9 und 2.10). Schliesslich habe F____ ein grosses Interesse daran gehabt, dass im Lager keine Bodenunebenheiten beständen, um Schädigungen des Lagerguts zu vermeiden; damit liege es nahe, dass F____ den Auftrag erteilt habe, diesen Zustand zu beseitigen. Zudem habe er ein Interesse daran gehabt, auf keinen Fall als Urheber des Unfalls zu erscheinen, da er sonst mit der Eröffnung eines Strafverfahrens gegen sich hätte rechnen müssen (S. 16 f., Ziffern 2.11 und 2.12). Aufgrund dieser Umstände sei der Schluss zu ziehen, dass F____ als formelles Organ die Reinigungsarbeiten vom 24. Dezember 2009 angeordnet habe (S. 17, Ziffer 13).

 

3.3      Diese Schlussfolgerung der Versicherungsträger wird durch die Aussagen der Beteiligten nicht gestützt: Der Geschäftsführer F____ gab noch am Unfalltag gegenüber der Detektivin der Staatsanwaltschaft an, dass das Gitter seit 1996 noch nie geputzt worden sei. Weshalb die beiden Mitarbeiter diesen Gitterrost heute geputzt hätten, wisse er nicht und sie hätten keinen Auftrag von ihm gehabt (Akten der Staatsanwaltschaft, S. 51 [Klagebeilage 4]).

 

Die Aushilfe G____ gab ebenfalls am Unfalltag gegenüber der Staatsanwaltschaft an, dass man mit dem Gitterwagen nicht mehr habe über das Gitter fahren können, weil die Fugen des Gitters schmutzig gewesen seien. Da habe man die Gitterroste und die Fugen putzen wollen, damit sie wieder flach seien. Die Gitter hätten sie und der Lagerchef H____ aufgehoben (Akten der Staatsanwaltschaft, S. 51 [Klagebeilage 4]). Am 24. März 2010 – drei Monate nach dem Unfall – gab G____ einleitend an, dass sie nicht mehr alles wisse, was passiert sei (S. 84). Auf die Frage hin, wer ihr den Auftrag zur Reinigung erteilt habe, gab sie an, sie habe in der Woche vor dem Unfall zum Lagerchef gesagt, dass man da unten mal putzen sollte. Dieser habe zu ihr gesagt, dass sie dies machen würden, wenn sie nicht mehr so viel mit dem Rollwagen drüber fahren müssten, so Ende Woche. An diesem Tag habe sie ihn dann gefragt, ob sie dies nun machen könnten. Und da sei der richtige Zeitpunkt gewesen, weil niemand mehr mit den Rollwagen habe drüber fahren müssen. Dies sei eine geplante Aktion gewesen. Dies sei „nicht von oben herab erteilt worden, denn dies ist unsere Aufgabe“ (S. 90).

 

Der Lagerist und Chauffeur I____ wurde am 2. Juli 2010 – rund ein halbes Jahr nach dem Unfall – ebenfalls befragt. Auf die Frage hin, wer G____ den Auftrag gegeben habe, die Gitter zu putzen, gab er an, dies sei der Lagerchef gewesen. Er gab auch an, dass vermutlich H____ die Gitter weggenommen habe, da diese schwer seien (Akten der Staatsanwaltschaft, S. 128 [Klagebeilage 4]).

 

Der Lagerchef H____ gab am Unfalltag gegenüber der Staatsanwaltschaft an, er habe um 13 Uhr zu putzen begonnen. Dann sei G____ zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, ob sie die Gitter endlich putzen wollten. Vor dem Mittagessen habe er mit dem Geschäftsführer F____ einen Rundgang gemacht und ihm gesagt, es habe bei den Gittern einen kleinen Absatz. F____ habe ihm gesagt, dass sie dies einfach mal putzen sollten (Akten der Staatsanwaltschaft, S. 52 [Klagebeilage 4]). Am 1. Juli 2010 – ein halbes Jahr nach dem Unfall – gab H____ an, er habe dieser jungen Frau den Auftrag erteilt, dass sie den Gitterrost aus dem Boden nähmen und sauber machten (S. 108 f.). Auf die Frage hin, wer ihm den Auftrag erteilt habe, unter den Gittern zu putzen, sagte er, F____ habe ihm den Auftrag erteilt, nachdem er – H____ – ihm gesagt habe, dass die Gitter wegen dem Dreck hoch seien (S. 113; vgl. auch S. 174).

 

Mit Strafbefehl vom 15. Juli 2011 erklärte die Staatsanwaltschaft H____ für schuldig wegen fahrlässiger Körperverletzung (Akten der Staatsanwaltschaft, S. 223 [Klagebeilage 4]). Sie stellte unter anderem fest, dass er „die durch seinen Auftrag geschaffene Gefahr (offener Schacht)“ ungenügend gesichert habe (S. 224 unten). Der Strafbefehl wurde nicht angefochten und ist somit rechtskräftig (S. 223 oben).

 

3.4      Zusammenfassend ist festzustellen, dass ausser dem wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochenen Lagerchef H____ niemand ausgesagt hat, dass der Geschäftsführer F____ den Auftrag zur Gitterreinigung erteilt habe. Die in E. 3.2 dargelegte Kritik der Versicherungsträger an der Beweiswürdigung des Zivilgerichts (unvollständige Wiedergabe der Aussagen von H____; fehlendes Wissen von G____ über eine mögliche Auftragserteilung durch F____; nicht berücksichtigtes Interesse von F____, Bodenunebenheiten im Lager zu beseitigen, aber nicht als Urheber des Unfalls zu erscheinen) vermag an diesem Umstand nichts zu ändern. Die Aussage von H____ ist aufgrund seines Interesses, sich selbst zu entlasten, von beschränktem Beweiswert. Dies gilt teilweise auch für die Aussage von F____, gegen den jedoch strafrechtlich nicht ermittelt wurde. Seine Aussage stimmt jedoch besser mit den Aussagen von G____ überein, wonach die Initiative zur Reinigung der Gitter von ihr ausgegangen sei. Insgesamt ergibt sich damit, dass die Ausführungen der beweisbelasteten Versicherungsträger höchstens geeignet sind, die Auftragserteilung durch den Geschäftsführer F____ als denkbar erscheinen zu lassen. Sie genügen aber klarerweise nicht, um die Auftragserteilung durch F____ zu beweisen, so dass das Gericht an der Auftragserteilung keine ernsthaften Zweifel mehr hätte oder allenfalls vorhandene Zweifel als leicht erschienen (zu den Anforderungen an den strikten Beweis vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324 f.; BGer 2C_16/2015 vom 6. August 2015 E. 2.5.3). Das Zivilgericht hat somit mit Recht festgestellt, dass der Beweis, dass ein formelles Organ ein Verschulden am Unfall trägt, als misslungen zu betrachten ist (angefochtener Entscheid, E. 5.3 am Ende). Fehlt es an einem (groben) Verschulden eines Organs der Arbeitgeberin, profitiert diese grundsätzlich vom Regressprivileg gemäss Art. 75 Abs. 2 ATSG.

 

 

4.         Wegfall des Regressprivilegs der Arbeitgeberin

zufolge grober Fahrlässigkeit

 

4.1      Das Zivilgericht hat in rechtlicher Hinsicht zunächst ausgeführt, dass das Regressprivileg des Arbeitgebers gelte, soweit er nicht absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt habe. Vor Inkrafttreten des ATSG sei der Begriff des Arbeitgebers stets in einem engen Sinn verstanden worden: Absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten seiner Hilfspersonen seien ihm nicht zugerechnet worden; bei juristischen Personen habe dies zur Folge gehabt, dass nur dann auf den Arbeitgeber habe Regress genommen werden können, wenn einem (formellen oder faktischen) Organ absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten habe vorgeworfen werden können. Mit dem Inkrafttreten des ATSG habe sich an dieser Rechtslage nichts geändert (angefochtener Entscheid, E. 5.1 und 5.2).

 

4.2     

4.2.1   Die Versicherungsträger sind der Auffassung, dass das von der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall zu vertretende Verhalten ihrer Angestellten, seien es Organe oder Hilfspersonen, als grobfahrlässig zu betrachten sei. Dies führe zwar zum Wegfall des Regressprivilegs der Arbeitgeberin, nicht aber zur Haftungsbefreiung des beklagten Werkeigentümers (Berufung, S. 6, Ziffer 1.1). Das Zivilgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass bei Arbeitgeberinnen, die als juristische Personen konstituiert seien, das Verschulden eines Organs massgeblich sei. Damit übersehe das Zivilgericht, dass sich die Rechtsstellung des Haftpflichtigen durch die Subrogation nicht verbessern dürfe. Die Durchsetzung des Regressanspruchs der Versicherungsträger sei nur durch das qualifizierte Verschulden erschwert; anders zu entscheiden hiesse, die Arbeitgeberin durch die Subrogation besser und die regressierenden Versicherungsträger schlechter zu stellen (S. 7–11). Die Versicherungsträger berufen sich schliesslich auf den BGE 128 III 76. Angesichts dieses Entscheids hätte das Zivilgericht von Amtes wegen prüfen müssen, ob im Licht der hierarchischen Arbeitsteilung nicht der Schluss zu ziehen sei, dass das Verschulden einer Hilfsperson als dasjenige eines Organs der Arbeitgeberin zu betrachten sei, mit dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberin für das (grobe) Verschulden ihrer Hilfspersonen einzustehen habe und das Regressprivileg entfalle (S. 11–13).

 

Der beklagte Werkeigentümer führt aus, dass das Regressprivileg der Arbeitgeberin im erstinstanzlichen Verfahren bis zum Schluss des doppelten Schriftenwechsels unbestritten gewesen sei. Von keiner Partei und auch nicht vom Zivilgericht sei je Grobfahrlässigkeit der Arbeitgeberin und ihrer Hilfspersonen angenommen worden (Berufungsantwort, S. 13, Ziffer 20). Tatsächlich geben die Versicherungsträger im Berufungsverfahren nicht an, dass und an welchen Stellen sie bereits vor Zivilgericht eine Grobfahrlässigkeit der Angestellten der Arbeitgeberin behauptet und belegt hätten (vgl. dazu Berufung, S. 6–13 und 17–23). Die Behauptung hätte schon vor erster Instanz vorgebracht werden können und kann deshalb im Berufungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden (Art. 317 Abs. 1 ZPO).

 

4.2.2   Selbst wenn die Behauptung im Berufungsverfahren zu berücksichtigen wäre, ist dreierlei festzustellen. Erstens: Wie in E. 3 ausgeführt worden ist, hat das Zivilgericht zu Recht angenommen, dass nicht nachgewiesen ist, dass den Geschäftsführer F____ – ein formelles Organ der Arbeitgeberin – ein (grobes) Verschulden am Unfall trifft.

 

Zweitens: Selbst wenn die Behauptung, dass Hilfspersonen der Arbeitgeberin ein grobes Verschulden treffe, angesichts der Ausführungen des Werkeigentümers in der Klageantwort (Ziffern 56 und 64; vgl. Berufung, S. 18, Ziffer 3.3) bewiesen wäre, würde sie den Versicherungsträgern nicht weiterhelfen. Wie das Zivilgericht zu Recht ausgeführt hat, spielt das Verschulden der Hilfspersonen der Arbeitgeberin für das Regressprivileg der Arbeitgeberin (und für das indirekte Regressprivileg des Werkeigentümers; vgl. dazu E. 5) keine Rolle. Unter Hinweis auf Koller hat das Zivilgericht überzeugend dargelegt, dass der Begriff des Arbeitgebers im Anwendungsbereich von Art. 44 Abs. 2 aUVG stets in einem engen Sinn verstanden worden sei (vgl. auch BGE 145 III 63 E. 2.4.2 S. 69 f. am Ende) und dass grobfahrlässiges Verhalten von Hilfspersonen dem Arbeitgeber nicht zugerechnet worden sei; dies habe zur Konsequenz, dass ein Regress auf den Arbeitgeber nur möglich gewesen sei, wenn einem Organ einer juristischen Personen Grobfahrlässigkeit habe vorgeworfen werden können (angefochtener Entscheid, E. 5.1 mit Hinweisen auf Koller, Die Haftung des Arbeitgebers und das Sozialversicherungsrecht, in: AJP 1997, S. 428, 437; derselbe, Schleichende Einschränkung des Haftungsprivilegs von Art. 44 Abs. 2 aUVG durch schleichende Ausweitung des Organbegriffs nach Art. 55 Abs. 2 ZGB? – Bemerkungen zu BGE 4C.296/2001, in: recht 2002, S. 122 ff.). An dieser Rechtslage habe sich – so das Zivilgericht weiter – mit der Ablösung von aArt. 44 Abs. 2 UVG durch Art. 75 Abs. 2 ATSG nichts geändert (angefochtener Entscheid, E. 5.2).

 

Drittens: Die Berufung der Versicherungsträger auf BGE 128 III 76 geht fehl. In diesem Fall ging es um die Frage, ob eine juristische Person für das Verhalten einer Person haftet, die (faktisches) Organ war („Le chef de l‘exploitement était assuré­ment un organe“ [BGE 128 III 76 E. 1b S. 80]). Im vorliegenden Fall haben die Versicherungsträger vor Zivilgericht nicht dargelegt, wer neben dem formellen Organ F____ als faktisches Organ in Frage komme, dessen grobes Verschulden der Arbeitgeberin anzulasten wäre. Mindestens machen sie dies in der Berufung nicht geltend (vgl. Berufung, S. 11–13). Entgegen der Auffassung der Versicherungsträger ist es nicht Aufgabe des Zivilgerichts, von Amtes wegen zu prüfen, ob im Licht der hierarchischen Arbeitsteilung irgendwelche (nicht näher bezeichnete) Personen als faktische Organe zu betrachten seien, deren Verhalten der Arbeitgeberin zugerechnet werden könnte. Vielmehr wäre es Aufgabe der Versicherungsträger gewesen, bereits vor Zivilgericht faktische Organe zu bezeichnen und deren (grobfahrlässiges) Verhalten zu beschreiben und zu beweisen.

 

4.2.3   Die enge Umschreibung des Arbeitgebers in Art. 75 Abs. 2 ATSG führt – wie die Versicherungsträger zutreffend ausführen – zu einer Besserstellung des Arbeitgebers im Regress und zu einer Schlechterstellung der regressierenden Versicherungsträger. Damit wird das von ihnen betonte „Postulat, dass sich die Rechtsstellung des Haftpflichtigen durch die Subrogation nicht verbessern darf“ (Berufung, S. 8 f., Ziffer 1.7), nicht vollständig erfüllt. Da die Umschreibung des Arbeitgebers in Art. 75 Abs. 2 ATSG unbestrittenermassen eng ist, ist es hinzunehmen, dass dieses in der Lehre betonte Postulat Einschränkungen erfährt. Eine Rechtsverletzung liegt deswegen nicht vor.

 

4.3      Für den Fall, dass das Regressprivileg der Arbeitgeberin nicht nur bei einem groben Verschulden eines Organs entfalle, sondern auch bei einem groben Verschulden einer Hilfsperson, machen die Versicherungsträger geltend, dass dann die Schwere des Verschuldens der Hilfspersonen zu prüfen sei (Berufung, S. 17–23). Wie in E. 4.2 ausgeführt worden ist, entfällt das Regressprivileg der als juristischer Person konstituierten Arbeitgeberin nur dann, wenn deren Organe ein grobes Verschulden trifft. Dies hat das Zivilgericht zu Recht festgehalten und deshalb richtigerweise auch die Schwere des Verschuldens der Hilfspersonen der Arbeitgeberin nicht geprüft. Nach der in E. 4.2.2 dargelegten Rechtsprechung bestand und besteht dazu kein Anlass.

 

 

5.         Kritik an BGE 143 III 79 und an dessen Anwendung

auf den vorliegenden Fall

 

5.1      In rechtlicher Hinsicht hat das Zivilgericht sodann gestützt auf den BGE 143 III 79 ein indirektes Regressprivileg des eigentlich nicht privilegierten Werkeigentümers bejaht. Demgemäss hafte der nicht privilegierte Haftpflichtige den Versicherungsträgern nur insoweit, als er im Innenverhältnis mit der Arbeitgeberin den Schaden tragen müsste, wenn kein Regressprivileg bestünde (angefochtener Entscheid, E. 3.1 und 3.2). Das Zivilgericht hat sodann festgehalten, es sei an die Erwägungen des BGE 143 III 79 grundsätzlich gebunden. Zu fragen sei einzig, ob die bundesgerichtlichen Erwägungen zum Regressprivileg unbesehen auf den vorliegenden Fall zu übertragen seien. Die Versicherungsträger bestritten dies mit dem Argument, dass im besagten BGE neben der IV und der AHV auch die Unfallversicherung einen Regressanspruch geltend gemacht habe. Das Zivilgericht hält dazu fest, dass die bundesgerichtlichen Erwägungen zum Regressprivileg keinesfalls nur im Fall des Rückgriffs der Unfallversicherung Geltung beanspruchten. Auch der Wortlaut des Regressprivilegs von Art. 75 Abs. 2 ATSG und die Gesetzessystematik brächten zum Ausdruck, dass das Privileg gegenüber sämtlichen Versicherungsträgern gelten soll (E. 4).

 

5.2      Die Versicherungsträger legen zum einen dar, „weshalb die bundesgerichtlichen Erwägungen [von BGE 143 III 79] nicht überzeugen“ (Berufung, S. 28, Ziffer 2.1). Dabei führen sie drei Argumente ins Feld: Erstens seien die Versicherungsträger entgegen dem BGE 143 III 79 auch bei einer vollen Regressmöglichkeit auf den nicht privilegierten Haftpflichtigen nicht bereichert (S. 28 f.); zweitens sei es falsch, das Regressprivileg der Arbeitgeberin als Reduktionsgrund für die Haftung des nichtprivilegierten Haftpflichtigen zu betrachten (S. 29–31); drittens führe der BGE 143 III 79 dazu, dass der Grundsatz der integralen Subrogation verletzt und die regressierenden Versicherungsträger in die Kaskadenordnung von Art. 51 OR eingebunden würden (S. 31–35).

 

Diese Argumente waren dem Bundesgericht bei der Fällung des BGE 143 III 79 bekannt. Das Bundesgericht hat sich denn auch mit den in der Lehre vertretenen Auffassungen vertieft auseinandergesetzt. In der Folge ist der Entscheid von der Lehre breit und kontrovers diskutiert worden (vgl. kritisch: Hürzeler, Entwicklungen zum Sozialversicherungsregress: Sozialversicherungsträger, Gesamtgläubigerschaft, Rentenschaden, Regressprivileg und Substanziierung gesetzlicher Leistungen – Eine Nachlese zu BGer 4A_301/2016 und 4A_311/2016 vom 15. Dezember 2016, in: SZS 2017, S. 343, 347 f.; Frésard, Le privilège de recours subrogatoire de l’assureur social contre un tiers responsable non privilégié, in: HAVE 2017, S. 186, 189–191; Läubli Ziegler, Ein Ende der Gewissheiten, in: HAVE 2018, S. 30, 32–37, Hardegger/Brun, Die jüngste bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 75 Abs. 2 ATSG – eine kritische Würdigung einer Klägerin, in: HAVE 2018, S. 408, 411–416; (eher) zustimmend: Pribnow/Rueff, Gesetzliche Leistungen der Sozialversicherer als Grundlage haft­pflichtrechtlicher Prozesse, in: HAVE 2017, S. 310, 313; Overney, Privilège de recours en concours de responsabilité: une solution équitable à un problème complexe; analyse des arrêts du Tribunal fédéral 4A_301/2016 et 4A_311/2016, in: SZS 2017, S. 332, 334–342; Perritaz, La réduction de la créance récursoire de l’assureur social conte le responsabel non privilégié (Art. 44 al. 1 CO) – une analyse à partir de l’ATF 143 III 79, in: HAVE 2018, S. 145, 147–150). Das Appellationsgericht hat keinen Grund, von diesem kürzlich ergangenen und gut abgestützten Leitentscheid abzuweichen und stattdessen auf denjenigen Teil der Lehre abzustellen, welcher die Ausdehnung des Regressprivilegs auf den nicht privilegierten Haftpflichtigen ablehnt.

 

5.3      Die Versicherungsträger machen zum anderen geltend, im dem BGE 143 III 79 zugrunde liegenden Fall hätten nicht nur die AHV und IV regressiert, sondern auch die SUVA. Die Überlegungen zum Regressprivileg der Arbeitgeberin (Pflicht der Arbeitgeberin, die Prämien für die Berufsunfallversicherung voll zu tragen) gälten nur gegenüber der SUVA, nicht aber gegenüber der AHV und der IV, gegenüber welchen die Arbeitgeberin die Beiträge nur zur Hälfte trage (Berufung, S. 24–28).

 

Im Fall, der dem BGE 143 III 79 zugrunde liegt, hatten die SUVA, die IV und die AHV Regress auf einen nicht privilegierten Haftpflichtigen genommen. Im vorliegenden Fall ist die Unfallversicherung dagegen nicht beteiligt. Das Bundesgericht differenziert beim (indirekten) Regressprivileg des nicht privilegierten Haftpflichtigen nicht nach dem regressierenden Versicherungsträger, sondern hält dieses indirekte Regressprivileg allen Versicherungsträgern gleichermassen entgegen (BGE 143 III 79 E. 6.1.3 und 6.2 S. 94–102, insbes. S. 97). Das Bundesgericht hat denn auch festgehalten, dass die Begrenzung des Regressrechts von Art. 75 Abs. 2 ATSG nicht nur für den Bereich der Unfallversicherung, sondern auch für jenen der Alters- und Hinterlassenenversicherung gilt (BGer 2A.726/2006 vom 8. November 2007 E. 2.1; Kieser, ATSG Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 75 N 13). Demgemäss hat das
Zivilgericht zu Recht festgestellt, dass das Regressprivileg gegenüber sämtlichen Versicherungsträgern gilt.

 

 

6.         Kritik an der Nichtanwendung von BGE 144 III 209 und BGE 144 III 319

auf den vorliegenden Fall

 

6.1      In rechtlicher Hinsicht hat das Zivilgericht schliesslich geprüft, wer im Innenverhältnis zwischen dem beklagten Werkeigentümer und der Arbeitgeberin welche Quote tragen müsste, wenn das Regressprivileg von Art. 75 Abs. 2 ATSG nicht spielen würde. Gemäss der in Art. 51 Abs. 2 OR vorgesehenen Kaskadenordnung hafte in erster Linie derjenige, der den Schaden durch unerlaubte Handlung verschulde, in zweiter Linie derjenige, der aus Vertrag hafte (so die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall), und in dritter Linie derjenige, der ohne Verschulden nach Gesetzesvorschrift in Anspruch genommen werde (so der beklagte Werkeigentümer im vorliegenden Fall) (angefochtener Entscheid, E. 6.1). Werde dieser Kaskadenordnung gefolgt, so entfalle im Innenverhältnis eine Haftung des beklagten Werkeigentümers vollständig. Die Kaskadenordnung vermöge gerade im vorliegenden Fall die richtigen Wertungen zu setzen: Der beklagte Werkeigentümer trage am vorliegenden Ereignis keinerlei Verschulden; das Ereignis sei einzig auf das Verhalten der Arbeitgeberin bzw. von deren Hilfspersonen zurückzuführen. Bei dieser Ausgangslage dränge es sich auf, dass der Werkeigentümer im Innenverhältnis nicht hafte und damit im Aussenverhältnis (gegenüber der IV und der AHV) indirekt vom Regressprivileg der Arbeitgeberin profitiere (E. 6.2 bis 6.4).

 

6.2      Die Berufungsklägerinnen machen geltend für den Fall, dass das Berufungsgericht die in den obigen E. 3–5 geprüften Argumente verwerfen sollte, es sei die angemessene Haftungsquote des beklagten Werkeigentümers zu prüfen (Berufung, S. 35, Ziffer 1). Die Versicherungsträger berufen sich zunächst auf den BGE 144 III 209. Dieser Entscheid zeige, dass der aus Vertrag leistungspflichtige Versicherer auf einen Kausalhaftpflichtigen regressieren könne und das Abschneiden des Rückgriffs des Versicherers auf den Kausalhaftpflichtigen zu einer falschen Kostenverteilung führen würde. Das Prinzip der zutreffenden Kostenverteilung gelte ebenso im vorliegenden Fall, wo letztendlich zu entscheiden sei, ob die aus einem Haftpflichtereignis resultierenden Kosten vom Sozialversicherungssystem oder vom Haftpflichtsystem zu tragen seien. Es dürfe im vorliegenden Fall nicht übersehen werden, dass der beklagte Werkeigentümer über eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer
Deckungssumme von CHF 2‘000‘000.– verfüge (Berufung, S. 35–37, Ziffern 3 und 4). Sodann habe das Bundesgericht im BGE 144 III 209 die im allgemeinen Teil des Obligationenrechts normierten Kausalhaftungen als unerlaubte Handlung im Sinn von Art. 72 VVG qualifiziert. Damit sei es von seiner langjährigen Praxis abgewichen und habe den Regress des Schadenversicherers nicht mehr der Kaskadenordnung von Art. 51 OR unterstellt, sondern entschieden, dass der aus Vertrag leistungspflichtige Versicherer auf den Kausalhaftpflichtigen regressieren könne (S. 39 f., Ziffer 12).

 

Art. 72 VVG sieht vor, dass der Ersatzanspruch, der dem Anspruchsberechtigten gegenüber Dritten aus unerlaubter Handlung zusteht, insoweit auf den Versicherer übergeht, als er Entschädigung geleistet hat. Gemäss der bisherigen Praxis des Bundesgerichts konnte der vertragliche Schadenversicherer bisher auf den Kausalhaftpflichtigen keinen Rückgriff nehmen (BGE 137 III 352). Mit BGE 144 III 209 hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung geändert und festgehalten, dass neben dem aus Art. 41 OR Haftenden auch der kausalhaftpflichtige Unfallverursacher eine unerlaubte Handlung im Sinn von Art. 72 VVG begehe. Der vertragliche Schadenversicherer, der gemäss Art. 72 VVG in die Stellung des anspruchsberechtigten Geschädigten eintritt, fällt nach BGE 144 III 209 nicht in die Kaskadenordnung von Art. 51 OR.

 

Das Bundesgericht äussert sich in BGE 144 III 209 zur Frage, wie Kausalhaftungen im Rahmen von Art. 72 VVG einzuordnen sind. Zur vorliegend interessierenden Frage, wie Kausalhaftungen im Rahmen von Art. 51 OR zu qualifizieren sind (Haftung aus unerlaubter Handlung oder Haftung ohne Verschulden nach Gesetzesvorschrift) sagt der Entscheid nichts. Das Bundesgericht führt vielmehr aus, dass Art. 51 Abs. 2 OR über den internen Regress von Personen, die aus verschiedenen Rechtsgründen hafteten, keine Anwendung finde, weshalb eine „Auseinandersetzung mit der Lehre zur Auslegung dieser Norm (stärkere Berücksichtigung des Ausdrucks ‚in der Regel‘ […] einerseits, breiteres Verständnis der unerlaubten Handlung im Sinne des Einschlusses von Kausalhaftungstatbeständen auch im Rahmen der Regressordnung andererseits) […] hier nicht erforderlich“ sei (BGE 144 III 209 E. 2.6 S. 216). Mit anderen Worten: Der von den Versicherungsträgern angerufene BGE 144 III 209 ist im vorliegenden Fall, welcher Art. 51 Abs. 2 OR betrifft, nicht einschlägig.

 

6.3      Die Versicherungsträger kritisieren sodann die starre Anwendung der Kaskadenordnung von Art. 51 OR (und namentlich auch die Anwendung von BGE 143 III 79 und BGE 144 III 319) auf den vorliegenden Fall. Die im vorliegenden Fall zu beantwortende Frage stelle sich nicht in einer Auseinandersetzung zwischen mehreren solidarisch Haftpflichtigen, sondern vor dem Hintergrund, dass den Sozialversicherungsträgern das ihnen zustehende Regressrecht auf einen nicht privilegierten Haftpflichtigen (hier: den beklagten Werkeigentümer) nicht vollumfänglich zu gewähren wäre, weil diesem seinerseits der Regress auf einen privilegierten Haftpflichtigen (hier: die Arbeitgeberin) verwehrt bliebe. Wenn schon die Ablehnung des vollen Regressanspruchs der Sozialversicherungsträger auf wertungsmässigen Gesichtspunkten beruhen soll, so hätten bei der Frage, welche Quote dem beklagten Werkeigentümer im internen Verhältnis (mit der Arbeitgeberin) zuzuweisen sei, ebenfalls wertungsmässige Gesichtspunkte einzufliessen. Die vom Zivilgericht vertretene Auffassung würde zum inakzeptablen Ergebnis führen, dass nicht nur die vom Gesetz genannten Personen in den Genuss des Regressprivilegs kämen, sondern auch Mithaftpflichtige, die in der Kaskadenordnung von Art. 51 OR vor dem privilegierten Haftpflichtigen stünden (Berufung, S. 35, Ziffer 2 und S. 37, Ziffer 5 und 6).

 

Diese Kritik der Versicherungsträger zielt auf die mit den BGE 143 III 79 und BGE 144 III 319 begründete Änderung der Bundesgerichtsrechtsprechung. Mit dieser Praxisänderung wird das Regressprivileg des Mitverursachers (hier: der Arbeitgeberin) als Reduktionsgrund für die Haftung des nicht privilegierten Haftpflichtigen (hier: des beklagten Werkeigentümers) verstanden (vgl. BGE 143 III 79 E. 6.1.3.4 S. 98). Der Kreis der im Gesetz genannten privilegierten Haftpflichtigen wird damit im Ergebnis tatsächlich erweitert, indem indirekt auch (im Gesetz nicht genannte) Mithaftpflichtige vom Regressprivileg profitieren. Dies war dem Bundesgericht bei der Fällung des BGE 143 III 79 bewusst und gibt keinen Anlass, die neue Praxis in Frage zu stellen. Im Übrigen kann diesbezüglich auf die obige E. 5.2 verwiesen werden.

 

6.4

6.4.1   Die Versicherungsträger kritisieren schliesslich, das Zivilgericht sei der für den Regelfall vorgesehenen Kaskadenordnung von Art. 51 OR gefolgt und habe zu Unrecht einen Ausnahmefall, der ein Abweichen von der Regel rechtfertige, verneint. Die Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 OR stelle die schärfste der einfachen Kausalhaftungen dar: Der Werkeigentümer habe nicht die Möglichkeit eines Sorgfaltsbeweises und er hafte auch dann, wenn nicht menschliches Verhalten, sondern ein Zufall Ursache des Mangels sei. Als Zufall sei im vorliegenden Fall zu werten, dass die Arbeitgeberin des Verunfallten für den Schaden einzustehen habe. Wenn der Werkeigentümer einer Zufallshaftung unterliege, rechtfertige es sich nicht, diese beim Regress der Sozialversicherungsträger auf null zu reduzieren, nur weil zufällig neben dem Werkeigentümer auch eine aus Vertrag haftpflichtige privilegierte Arbeitgeberin vorhanden sei (Berufung, S. 37 f., Ziffer 7). Gleich wie der Inhaber einer Rohrleitungsanlage (in BGE 144 III 319) aus Billigkeitsüberlegungen im Fall einer Sabotage hafte (weil nicht der Geschädigte das Risiko tragen soll), hafte auch der Werkeigentümer für die von Dritten verursachten Werkmängel. Die Werkeigentümerhaftung beruhe auf dem Gedanken eines Einstehens für die Änderung der natürlichen Welt und für den sich daraus ergebenden Zustand. Gleich wie bei den Rohrleitungsanlagen sei somit auch bei Werkeigentümern im Hinblick auf diese spezifische Gefahrenlage eine Kausalhaftung eingeführt worden (S. 38, Ziffer 8). Im vorliegenden Fall sei der „Werkmangel unbestrittenermassen von der Arbeitgeberin des Geschädigten herbeigeführt“ worden; indes sei nicht zu übersehen, dass die vom beklagten Werkeigentümer zusammen mit seinem Sohn angebrachten Styroporplatten einen wesentlichen Unfallbeitrag geleistet hätten, weil erst durch die verschmutzten Styroporplatten nach Wegnahme des Bodengitters der Eindruck entstanden sei, es handle sich um eine begehbare Fläche. Letztlich sei es „wegen eines Zusammenspiels zwischen der vom Werkeigentümer zu verantwortenden Zustandshaftung und dem Handeln der Arbeitgeberin“ zum Unfall gekommen. Es erscheine daher als gerechtfertigt, dem beklagten Werkeigentümer die Regressansprüche zu mindestens 50 % aufzuerlegen (S. 39 f., Ziffern 9 und 10).

 

6.4.2   Dem BGE 144 III 319 (und dem BGE 143 III 79) liegen folgender Sachverhalt und folgende Prozessgeschichte zugrunde: Ein Arbeitnehmer erlitt bei einem Arbeitsunfall in einem Abwasserkontrollschacht Verbrennungen. Seine Arbeitgeberin hatte den Auftrag, Kanalisationsleitungen und Schächte zu sanieren und abzudichten. Während der Arbeitnehmer im Schacht arbeitete, entzündete sich an einer von ihm gerauchten Zigarette (die Arbeitgeberin hatte kein Rauchverbot ausgesprochen) im Schacht befindliches Gas. Die SUVA, die IV und die AHV richteten nach dem Unfall Leistungen aus bzw. werden solche noch ausrichten. Das Gas stammte aus einer lecken Gasleitung des Gaswerks. Nach Ansicht der drei Versicherungsträger haftet das Gaswerk gestützt auf das Rohrleitungsgesetz (RLG, SR 746.1) für den Schaden des Arbeitnehmers. Für ihre Leistungen nahmen die Versicherungsträger Regress auf das Gaswerk bzw. deren Haftpflichtversicherung. Das Handelsgericht des Kantons Zürich nahm an, das Gaswerk hafte vollumfänglich für diese Regressforderung. Das Bundesgericht kam dagegen zum Schluss, die Versicherungsträger müssten sich den Vorteil anrechnen lassen, der ihren versicherten Arbeitgebern zugestanden werde. Es wies die Sache an das Handelsgericht zurück, damit dieses über die Berücksichtigung des Regressprivilegs neu entscheide (BGE 143 III 79; vgl. dazu auch obige E. 5). Das Handelsgericht kam (weitgehend mangels Bestreitung) zum Schluss, die Voraussetzungen des Regressprivilegs seien gegeben und wies die Klage ab: Nach der Kaskadenordnung von Art. 51 Abs. 2 OR hafte die Arbeitgeberin an zweiter Stelle und das Gaswerk erst an dritter Stelle. Somit betrage die Quote, die vom Gaswerk zu tragen sei, 0 %. Für ein Abweichen von der Kaskadenordnung nach Art. 51 Abs. 2 OR bestehe kein Anlass, zumal das Bundesgericht an der wortlautgemässen Anwendung dieser Bestimmung festgehalten habe. Zudem fehle es auch an genügenden Parteibehauptungen zum Verhältnis der beiden Haftpflichtigen (vgl. zum Ganzen BGE 144 III 319, Sachverhalt und E. 5, S. 320 f.).

 

Das Bundesgericht hat im daraufhin ergangenen BGE 144 III 319 festgehalten, dass die in Art. 51 Abs. 2 OR für den Regelfall vorgesehene Kaskadenordnung oder Stufenfolge – (1) Haftung aus Verschulden, (2) Haftung aus Vertrag, (3) Haftung aus Gesetzvorschrift (Kausal- und Gefährdungshaftungen) – nicht starr sei, sondern Raum lasse für Abweichungen mit Blick auf den konkreten Fall. Es – das Bundesgericht – sei im Einklang mit dem Wortlaut („in der Regel“) seit jeher davon ausgegangen, dass der Richter von dieser Stufenfolge im Einzelfall abweichen könne. Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, welchen Zweck der Gesetzgeber im Rohrleitungsgesetz (Art. 34 RLG) mit dem Verweis auf die Bestimmungen des Obligationenrechts über unerlaubte Handlungen verfolgt habe. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Haftung nach RLG zwei völlig unterschiedliche Musterfälle vor Augen gehabt: Zum einen sei es um die dem Betrieb einer Rohrleitungsanlage (für Gas und Öl) immanenten Risiken gegangen, die auch bei einem sorgfältigen Betrieb nie ganz ausgeschlossen werden könnten. So zeigten nordamerikanische Statistiken, dass selbst bei neueren Pipelines pro 100 km Leitungslänge im Durchschnitt alle drei Jahre mit einem Leck gerechnet werden müsse. Zum anderen habe der Gesetzgeber Schäden vor Augen gehabt, die nicht entstanden wären, wenn Dritte die notwendige Vorsicht hätten walten lassen. Der Rohrleitungsinhaber möge – so die Auffassung des Gesetzgebers – seine Haftung als hart empfinden, wenn der Schaden durch grobes Verschulden eines Dritten verursacht worden sei. Es wäre aber unbillig, diesfalls den Grundeigentümer, der von der Leitung überhaupt keinen Nutzen habe, den Schaden tragen zu lassen. In der Regel (zum Beispiel bei der Beschädigung der Leitung durch grobes Verschulden eines Bauunternehmers) werde der Leitungsinhaber auf den Verantwortlichen Rückgriff nehmen können. Sei dieser nicht in der Lage, den Schaden zu decken oder sei der Verantwortliche (zum Beispiel bei Sabotage) gar nicht bekannt, so sei ein solcher Rückgriff nicht möglich. In diesem Fall sei die Haftung des Leitungsinhabers – nach dem Grundsatz, wer den Nutzen hat, soll auch den Schaden tragen – immer noch billiger, als wenn der Geschädigte leer ausgehe. Weitere Einzelheiten der Haftpflicht bräuchten nach Auffassung des Gesetzgebers nicht geregelt zu werden; es genüge hierfür die Verweisung auf das Obligationenrecht (BGE 144 III 319 E. 5.3 S. 322 f.).

 

Zusammenfassend hält das Bundesgericht fest, dass es bei Rohrleitungsanlagen trotz gebührender Vorsicht des Betreibers zu Fehlfunktionen wie Lecks und dadurch zur Schädigung Unbeteiligter kommen könne. Rohrleitungen an sich stellten in der Regel keine besonderen Ansprüche an die Aufmerksamkeit des Publikums. Seinen eigenen Betrieb habe der Betreiber so zu organisieren, dass seine Angestellten sich allfälliger Gefahren bewusst seien und diesen Rechnung tragen könnten. Vor diesem Hintergrund sei der Verweis von Art. 34 RLG auf die Stufenordnung von Art. 51 Abs. 2 OR zu sehen: Verwirkliche sich das Rohrleitungsanlagen inhärente Risiko (namentlich Lecks), stelle sich die Frage nach einem Verschulden des Betreibers. Sei dieses gegeben, bleibe es bei seiner Haftung auch nach Art. 51 Abs. 2 OR. Treffe den Betreiber dagegen kein Verschulden, hafte er nach der Stufenordnung zwar erst in letzter Linie; soweit sich das typische Risiko verwirkliche, bestehe die Gefahr in aller Regel aber ohne Drittverschulden oder eine Vertragsverletzung Dritter. Spielten dagegen Drittverschulden oder Vertragsverletzungen Dritter eine Rolle, dann gehe es in der Regel um Fälle, in den von den Rohrleitungen keine wesentliche Gefahr ausgegangen wäre, wenn sich die Dritten korrekt oder vertragsgemäss verhalten hätten. Es seien (wie beim Musterbeispiel der Sabotage) häufig Fälle, in denen die Dritten näher am Schaden stünden als der Betreiber (E. 5.4 S. 324).

 

Es spiele keine Rolle – so das Bundesgericht weiter –, ob das Risiko, dass Rohrleitungen ohne Verschulden des Inhabers oder Dritter zu Schäden führten – wirklich so gross sei, wie der Gesetzgeber angenommen habe. Relevant sei, dass er dieses Risiko als Regelfall angesehen und die Kausalhaftung gerade deshalb eingeführt habe. Entscheidend sei auch, dass es Fälle gegeben habe, in denen zwar ebenfalls die Kausalhaftung des Betreibers greifen sollte, in denen dem kausalhaftpflichtigen Betreiber aber jedenfalls der Rückgriff auf den Fehlbaren gewahrt werden sollte, namentlich, wenn der Schaden nicht durch eine Fehlfunktion der Anlage hervorgerufen werde (erster Musterfall), sondern die an sich korrekt funktionierende Anlage nur wegen des groben Verschuldens Dritter zu Schäden führe (zweiter Musterfall). Bei einem groben Verschulden Dritter führe die Anwendung von Art. 51 Abs. 2 OR zum vom Gesetzgeber gewollten Ergebnis. Dass diesfalls der Schaden nicht beim Betreiber verbleibe, decke sich wertungsmässig auch mit der Ausnahme in Art. 33 Abs. 2 RLG bei grobem Verschulden des Geschädigten und fehlendem Verschulden des Betreibers. Würde die Betriebsgefahr auch bei Verschulden oder gar Absicht Dritter zwingend mitberücksichtigt und dem Betreiber ein voller Rückgriff verwehrt, indem er im Innenverhältnis ohne Rücksicht auf die konkrete Situation vorweg mit einem Teil des Schadens belastet würde, hätte dies zur Konsequenz, dass ein Saboteur davon profitiere, dass er die Sabotage an einer besonders gefährlichen Anlage vorgenommen habe. Dies liesse sich nicht rechtfertigen. Anders könne es sein, wenn beispielsweise bereits eine leichte Fahrlässigkeit wegen der Rohrleitungsanlagen inhärenten Gefahr zu grossen Schäden führe oder aber, wenn zwar eine Fehlfunktion der Rohrleitung wie ein Leck vorhanden gewesen sei (erster Musterfall), dies aber für sich allein ausnahmsweise (noch) nicht zum Schaden geführt hätte (E. 5.3 S. 325).

 

In letztere Kategorie gehöre auch der vom Bundesgericht zu beurteilende Fall: Es gehe um den klassischen Fall eines Lecks und mithin um eine typische Betriebsgefahr, die sich auch ohne Zutun der Arbeitgeberin des Geschädigten insoweit verwirklicht habe, als austretendes Gas mit der Umgebungsluft ein explosives Gemisch gebildet habe, das sich durch den geringsten äusseren Anlass habe entzünden können. Konkret habe sich das Gas aber nur entzündet, weil der Geschädigte im Stollen geraucht habe bzw. weil seine Arbeitgeberin kein Rauchverbot (das vor ebensolchen Schäden schützen soll) durchgesetzt habe (E. 5.5.1 S. 325 f.). Zum Schaden sei es im vorliegenden Fall nicht gekommen, weil erst durch eine Vertragsverletzung die Gefahr heraufbeschworen worden sei (wie etwa dann, wenn Dritte grobfahrlässig Arbeiten an Rohrleitungen vornähmen). Vielmehr habe sich die typische Betriebsgefahr bereits unabhängig von der Vertragsverletzung im entzündlichen Luft-Gasge­misch ausserhalb der Rohrleitungen manifestiert. Das vertragswidrige Verhalten habe nur die Auslösung der Gefahrsverwirklichung beeinflusst. Einem derartigen Zusammenspiel trage die starre Stufenfolge von Art. 51 Abs. 2 OR nicht Rechnung. Die Situation entspreche nicht dem Regelfall, den der Gesetzgeber vor Augen gehabt habe; sie rechtfertige daher, wie im Gesetz vorgesehen, von der Stufenfolge abzuweichen (E. 5.5.2 S. 326). Um zu bestimmen, in welchem Umfang den Sozialversicherungsträgern der Rückgriff auf das Gaswerk verwehrt bleibe, sei die interne Haftungsaufteilung zwischen den beiden Haftpflichtigen vorzunehmen, wie wenn das Sonderrecht nicht spielen würde. Dabei seien folgende Aspekte zu berücksichtigen: Einerseits habe das Gaswerk seine typische Betriebsgefahr zu verantworten, die sich im Leck und dem Luft-Gasgemisch manifestiert habe, das eine Gefahr für unbestimmte Personen dargestellt habe. Konkret in Bezug auf den verunfallten Arbeitnehmer sei es aber Sache der Arbeitgeberin gewesen, für hinreichende Sicherheit zu sorgen. Zu den Unfallfolgen sei es damit aufgrund eines Zusammenspiels der Betriebsgefahr mit einer – wenn auch nicht grobfahrlässigen – Pflichtverletzung der Arbeitgeberin gekommen. Dieses Zusammenspiel lasse es als gerechtfertigt erscheinen, für die Bemessung der Regressforderung der Versicherungsträger gegen das Gaswerk einen allfälligen Schaden intern zwischen der Arbeitgeberin (die sich extern auf das Privileg berufen könne) und dem Gaswerk hälftig aufzuteilen. Den hälftigen Anteil, den die Arbeitgeberin ohne Subrogation hälftig zu tragen hätte und den das Gaswerk zufolge des Regressprivilegs nicht erhältlich machen könne, müssten sich die Versicherungsträger anrechnen lassen (E. 5.5.3 S. 326). Die Regressklage könne nicht allein mit Blick auf das Regressprivileg abgewiesen werden, da das Gaswerk ohne Subrogation den Schaden intern hälftig zusammen mit der Arbeitgeberin zu tragen hätte. Nur der Anteil der Arbeitgeberin verbleibe zufolge des Privilegs bei den Versicherungsträgern (E. 5.6 S. 326 f.).

 

6.4.3   Kurz zusammengefasst hat das Bundesgericht im BGE 144 III 319 somit angenommen, dass im von ihm beurteilten Fall die typische Betriebsgefahr von Rohrleitungen (Leckgefahr) im Zusammenspiel mit einem nicht grobfahrlässigen Verschulden der Arbeitgeberin (Nichtdurchsetzung des Rauchverbots) zu den Unfallfolgen geführt habe und deshalb im Innenverhältnis (zwischen Gaswerk und Arbeitgeberin) eine hälftige Aufteilung des Schadens gerechtfertigt sei – dies abweichend von der normalen Kaskadenordnung, gemäss welcher die vertragliche Haftung (der Arbeitgeberin) der Kausalhaftung (des Gaswerks) vorgeht.

 

Überträgt man diese Kerngedanken des BGE 144 III 319 auf den vorliegenden Fall, liegt kein Grund für eine Abweichung von der normalen Kaskadenordnung vor. Nach der normalen Kaskadenordnung würde im vorliegenden Fall die vertragliche Haftung der Arbeitgeberin der Kausalhaftung des beklagten Werkeigentümers vorgehen. Die von den Versicherungsträgern genannten Argumente (vgl. obige E. 6.4.1) sind nicht geeignet, eine davon abweichende Aufteilung des Schadens zu rechtfertigen. Im Gegensatz zum BGE 144 III 319 fehlt es im vorliegenden Fall am „Zusammenspiel“ der von den beiden Haftpflichtigen gesetzten Schadensursachen: Vielmehr überwiegt der Unfallbeitrag der Arbeitgeberin die vom Werk des Werkeigentümers ausgehende Gefahr, welche ihrerseits durch die Arbeitgeberin verursacht worden ist, bei Weitem. Die Versicherungsträger räumen denn auch ein, dass der Werkmangel „unbestrittenermassen von der Arbeitgeberin des Geschädigten herbeigeführt“ worden ist (Berufung, S. 38, Ziffer 39). Selbst wenn sodann die Behauptung der Versicherungsträger nachgewiesen wäre, dass der beklagte Werkeigentümer Monate vor dem Unfall zusammen mit seinem Sohn die Styroporplatten unter dem Metallgitter angebracht habe (Berufung, S. 38, Ziffer 39 mit Hinweis auf erstinstanzliche Replik, Ziffer 12, S. 35), würde dieser Umstand an der Vernachlässigbarkeit des Unfallbeitrags des Werkeigentümers nichts ändern.

 

6.4.4   Die Richtigkeit dieses Ergebnisses ergibt sich auch aus folgenden Überlegungen, die bereits eine Haftung des beklagten Werkeigentümers im Aussenverhältnis entfallen liessen.

 

Wie die Versicherungsträger zutreffend ausführen (Berufung, S. 37 f., Ziffern 7 und 8; vgl. obige E. 6.4.1), handelt es sich bei der Werkeigentümerhaftung um eine einfache Kausalhaftung, gemäss welcher der Werkeigentümer grundsätzlich auch für Zufall und für von Dritten verursachte Mängel haftet (vgl. etwa Brehm, Berner Kommentar, 4. Auflage 2013, Art. 58 OR N 101 und 103; Müller, Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 3. Auflage 2016, Art. 58 OR N 1 und 2). Die Haftung für von Dritten verursachte Mängel findet zunächst dort eine Grenze, wo das Verhalten der Drittperson derart in den Vordergrund tritt, dass es den ursprünglichen Kausalzusammenhang unterbricht (Müller, a.a.O., Art. 58 OR N 2). Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs bzw. eine Entlastung des Werkeigentümers sei bei der als einfachen Kausalhaftung ausgestalteten Werkeigentümerhaftung jedenfalls anzunehmen, wenn die Unfallursache in einem absichtlichen oder grobfahrlässigen Verhalten eines Dritten liege; es wäre unlogisch, die einfache Kausalhaftung des Werk­eigentümers ebenso streng einzustufen wie die Bestimmungen der Gefährdungshaftungen, welche bei absichtlichem oder grobfahrlässigem Verhalten eines Dritten die Befreiung des Gefährdungshaftpflichtigen vorsähen (Brehm, a.a.O., Art. 58 OR N 104–108, insbesondere N 108). Da bei den strengen Gefährdungshaftungen ein absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten eines Dritten für eine Befreiung des Gefährdungshaftpflichtigen genüge, müsse bei der Werkeigentümerhaftung (als milderer einfacher Kausalhaftung) bereits ein mittelschweres Verschulden eines Dritten genügen, um den ursprünglichen Kausalzusammenhang mit dem Mangel zu unterbrechen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass den Werkeigentümer kein zusätzliches Verschulden treffe (Brehm, a.a.O., Art. 58 OR N 108a). Würde im vorliegenden Fall von einem (mindestens) mittelschweren Verschulden der Arbeitgeberin ausgegangen (vgl. dazu angefochtener Entscheid, E. 6.4), spräche dies dafür, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel und dem Unfall unterbrochen worden ist und eine Haftung des Werkeigentümers entfiele. Diesfalls würde sich die Frage der Stufenfolge gemäss Art. 51 Abs. 2 OR gar nicht stellen, da der Werkeigentümer bereits im externen Verhältnis gar nicht haftpflichtig wäre.

 

Geht man nicht von einem mittelschweren, sondern von einem leichten Verschulden der Arbeitgeberin aus, ist gemäss Brehm zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden: (1) Das leichte Verschulden des Dritten bezieht sich auf die direkte Mitwirkung am Schaden; (2) das leichte Verschulden des Dritten bezieht sich auf die Verursachnung des Mangels, der zum Schaden führt. Hat sich das leichte Verschulden des Dritten erst bei der Unfallverursachung ausgewirkt (erste Fallgruppe; Beispiel: Kollision zwischen einem Fussgänger und einem Velofahrer auf dem Fussgängerstreifen einer vereisten Strasse) besteht gemäss Brehm die Verschuldenshaftung des Velofahrers neben der Werkeigentümerhaftung des Strasseneigentümers. Der geschädigte Fussgänger kann sich auf die Anspruchskonkurrenz von Art. 51 Abs. 1 OR berufen und die interne Aufteilung erfolge gemäss Art. 51 Abs. 2 OR. In der zweiten Fallgruppe ist gemäss Brehm zwischen Erstellungsmängeln und Unterhaltsmängeln zu unterscheiden: Entstehe eine Mangel bei der Herstellung des Werks, so hafte der Werkeigentümer; er könne sich nicht auf des Verschulden des Werkherstellers berufen (Beispiel: ein Geländer ist schlecht verankert). Werde bei einem bestehenden Werk durch einen Dritten leicht fahrlässig eine Gefahr geschaffen, liege ein mangelhafter Unterhalt vor. Die Frage, ob der Werkeigentümer für diesen Zustand hafte, sei allein nach dem Massstab der Zumutbarkeit von Kontrollen zu beantworten. Hier komme der Unterschied zwischen einfacher Kausalhaftung und strenger Gefährdungshaftung zum Ausdruck: Sei es dem Werkeigentümer zeitlich gar nicht zumutbar, den Mangel rechtzeitig festzustellen oder ihn in nützlicher Frist zu beheben, so liege keine Haftung seinerseits vor und der Geschädigte könne sich nur an den Dritten halten. Falls hingegen noch vor dem Unfall eine Behebung des Mangels zumutbar gewesen wäre, bleibe der Werkeigentümer wegen seiner Unterlassung haftbar (zum Ganzen vgl. Brehm, a.a.O., Art. 58 OR N 108b–111a). Würde im vorliegenden Fall von einem leichten Verschulden der Arbeitgeberin ausgegangen, wäre von einem Unterhaltsmangel auszugehen, der vom beklagten Werkeigentümer nicht rechtzeitig festgestellt werden konnte und der deshalb die Haftung des Werkeigentümers im externen Verhältnis ebenfalls entfallen liesse.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall die Haftung des beklagten Werkeigentümers im Aussenverhältnis sowohl dann entfällt, wenn von einem mittelschweren Verschulden der Arbeitgeberin bzw. von deren Hilfspersonen ausgegangen wird, als auch dann, wenn ein leichtes Verschulden angenommen wird. Das Zivilgericht hat im angefochtenen Entscheid zu Recht angenommen, dass die Hilfspersonen der Arbeitgeberin ein Verschulden trifft, indem sie fahrlässig ein Metallgitter aus seiner Verankerung gelöst hätten (angefochtener Entscheid, E. 6.4). Der Werk­eigentümer geht ebenfalls von einem leichten bis mittelschweren Verschulden der Hilfspersonen aus (Berufungsantwort, S. 13 f., Ziffer 20; S. 55, Ziffer 71; S. 61, Ziffer 77); die Versicherungsträger vertreten im Berufungsverfahren gar die Auffassung, dass die Hilfspersonen grobfahrlässig gehandelt hätten (Berufung, S. 17–23, Ziffern 3.1–3.18 [im Rahmen der Frage, ob sich die Arbeitgeberin auf das Regressprivileg berufen kann]). Wenn nun im vorliegenden Fall bereits die Haftung des Werkeigentümers wegen eines leichten bis mittelschweren Verschuldens der Arbeitgeberin im externen Verhältnis entfällt (und somit die Stufenfolge im internen Verhältnis gar nicht zur Anwendung kommt), kommt die Zuweisung einer Haftungsquote an den Werkeigentümer im internen Verhältnis gemäss Art. 51 Abs. 2 OR erst recht nicht in Frage. Hat die Arbeitgeberin (als in der Stufenfolge vorrangig aus Vertrag Haftpflichtige) ein leichtes bis mittelschweres Verschulden zu vertreten und war dem Werkeigentümer (als nachrangigem Kausalhaftpflichtigem) die rechtzeitige Beseitigung des Mangels nicht zumutbar, ist ein Abweichen von der Stufenfolge von Art. 51 Abs. 2 OR offensichtlich nicht gerechtfertigt. Vielmehr setzt – wie das Zivilgericht zutreffend ausgeführt – die Stufenfolge von Art. 51 Abs. 2 OR im vorliegenden Fall die richtigen Wertungen, indem es den beklagten Werkeigentümer im internen Verhältnis nicht haften lässt (angefochtener Entscheid, E. 6.4).

 

 

7.         Prozesskosten im erstinstanzlichen Verfahren

 

7.1      Das Zivilgericht hat den Versicherungsträgern angesichts ihres Unterliegens die Gerichts- und Schlichtungskosten sowie eine Parteientschädigung an den beklagten Werkeigentümer auferlegt, dies gestützt auf Art. 106 Abs. 1 ZPO (angefochtener Entscheid, E. 7).

 

Die Versicherungsträger wenden in der Berufung ein, ihre Klage sei abgewiesen wor­den, weil eine im Zeitpunkt der Klageeinreichung vom Bundesgericht noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu ihren Ungunsten entschieden worden sei (BGE 143 III 79), dies entgegen der in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung. Es sei davon auszugehen, dass das Zivilgericht die Klage gutgeheissen hätte, wenn nicht zwischenzeitlich BGE 143 III 79 ergangen wäre. Demgemäss seien sie in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst gewesen, weshalb das Zivilgericht im Einklang mit Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO die Prozesskosten nicht nach dem Unterliegerprinzip, sondern nach Ermessen hätte verteilen müssen (Berufung, S. 41, Ziffer 1).

 

Die Prozesskosten (Gerichtskosten und Parteientschädigung) werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Art. 107 ZPO sieht für verschiedene typisierte Fälle vor, dass das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen gemäss Art. 106 ZPO abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen kann. Nach seinem klaren Wortlaut ist Art. 107 ZPO eine "Kann"-Bestimmung. Das Gericht verfügt im Anwendungsbereich dieser Norm nicht nur über Ermessen, wie es die Kosten verteilen will, sondern zunächst und insbesondere auch bei der Frage, ob es überhaupt von den allgemeinen Verteilungsgrundsätzen nach Art. 106 ZPO abweichen will (BGE 139 III 359 E. 3 S. 360). Eine Abweichung von Art. 106 ZPO kommt etwa in Frage, wenn eine Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst war (Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das angerufene Gericht eine Praxisänderung vornimmt (BGer 5A_195/2013 vom 9. Juli 2013 E. 3.2.1). In der Lehre wird hierzu die Auffassung vertreten, dass in dieser Konstellation die Gerichtskosten dem Kanton zu auferlegen seien (Art. 107 Abs. 2 ZPO) und der die Praxisänderung veranlassenden und damit obsiegenden Partei mit Blick auf die jedem Zweiparteienverfahren inhärenten Kostenrisiken eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Partei zuzusprechen sei (Rüegg/Rüegg, Basler Kommentar, 3. Auflage 2017, Art. 107 ZPO N 5; vgl. auch Sterchi, Berner Kommentar, 2012, Art. 107 ZPO N 7; Jenny, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2016, Art. 107 N 7).

 

Im vorliegenden Fall hat das Zivilgericht die Prozesskosten zu Recht nach dem Unterliegerprinzip gemäss Art. 106 ZPO den Versicherungsträgern auferlegt. Dies ist aus mindestens zwei Gründen nicht zu beanstanden: Erstens legen die Versicherungsträger in ihrer Berufung nicht dar, dass sie bereits vor Zivilgericht eine vom Grundsatz von Art. 106 ZPO abweichende Verteilung der Prozesskosten beantragt und begründet haben (vgl. dazu Jenny, a.a.O., Art. 105 N 11); es ist somit unklar, ob sie einen entsprechenden Antrag rechtzeitig gestellt haben. Zweitens ist im vorliegenden Fall keine Praxisänderung des angerufenen Gerichts gegeben: Das Bundesgericht hat in BGE 143 III 79 seine Praxis nicht geändert, sondern – wie die Versicherungsträger zutreffend darlegen – eine noch nicht entschiedene Rechtsfrage anders als die wohl überwiegende Lehre entschieden. Dies gehört zu den üblichen Risiken eines Prozesses und rechtfertigt keine Abweichung vom Unterliegerprinzip. Unter diesen Umständen gibt es keinen Anhaltspunkt, dass das Zivilgericht sein Ermessen nicht korrekt ausgeübt und zu Unrecht eine Abweichung von Art. 106 ZPO abgelehnt hätte.

 

7.2     

7.2.1   Das Zivilgericht hat die von den Versicherungsträgern zu tragende Parteientschädigung gestützt auf die Honorarnote des Werkeigentümers vom 26. Juni 2018 und in Anwendung der Honorarordnung (HO, SG 291.400) festgesetzt, so namentlich in Anwendung von § 4 Abs. 1 lit b HO (Gebührenrahmen von CHF 28‘600.– bis 48‘000.– bei einem Streitwert von CHF 838‘006.–), § 5 Abs. 1 lit. b/bb HO (Zuschlag auf dem Grundhonorar von bis zu 30 % pro zusätzliche Rechtsschrift), § 5 Abs. 1 lit. b/ba HO (Zuschlag von bis zu 30 % für jede zusätzliche Verhandlung, einschliesslich Schlichtungsverhandlungen) und § 5 Abs. 1 lit. a HO (Kompliziertheitszuschlag von bis zu 100 %, im vorliegenden Fall 30 %). Den vom Werkeigentümer geltend gemachten Zuschlag von 30 % für aussergerichtliche Vergleichsbemühungen hat das Zivilgericht nicht gewährt, da über das Schlichtungsverfahren hinausgehende Bemühungen nicht ausreichend substantiiert worden seien. Die übrigen in der Honorarnote geltend gemachten Zuschläge hat das Zivilgericht zugelassen, namentlich auch den Zuschlag von 30 % für den dritten Schriftenwechsel. Die dritte Rechtsschrift des Werkeigentümers umfasse zwar nur 4 Seiten, basiere aber auf einer 48-seitigen Eingabe der Versicherungsträger, welche vorgängig habe gelesen und analysiert werden müssen (angefochtener Entscheid, E. 7).

 

7.2.2   Die Versicherungsträger kritisieren die Höhe der vom Zivilgericht festgesetzten Parteientschädigung in fünf Punkten.

 

Erstens sei der Zuschlag von 30 % bzw. CHF 14‘400.– für die dritte – 4-seitige – Rechtsschrift nicht gerechtfertigt. Es sei zwar richtig, dass der Werkeigentümer die 46-seitige Rechtsschrift (ohne Deckblatt und Unterschriftsseite) habe lesen müssen; die daraufhin eingereichte Antwort sei „jedoch in der Sache selbst mehr als dünn ausgefallen“, was nicht zu einem Honoraranspruch von CHF 14‘400.– führen könne. Selbst bei Anwendung eines Stundenansatzes von CHF 500.– würde dies einem Zeitaufwand von CHF 28,8 Stunden entsprechen, was bei einer 4-seitigen Eingabe offensichtlich übersetzt sei (Berufung, S. 42, Ziffer 3).

 

Zweitens hätten die aussergerichtlichen Vergleichsbemühungen in einem Gespräch von einer Stunde bestanden. Dass das Zivilgericht hierfür einen Zuschlag von 30 % bzw. CHF 14‘400.– zugesprochen habe, sei unhaltbar. Angemessen sei maximal ein Zuschlag 10 % (S. 42, Ziffer 3).

 

Drittens sei auch der Zuschlag von 30 % für das Schlichtungsverfahren zu hoch. Dieses habe nur rund 20 Minuten gedauert und der Werkeigentümer habe keinerlei Diskussionsbereitschaft gezeigt. Auch hierfür sei ein Zuschlag von 10 % adäquater (S. 42 f. Ziffer 5).

 

Viertens sei der Kompliziertheitszuschlag von 30 % ebenfalls nicht am Platz (S. 42, Ziffer 4).

 

Fünftens habe es sich der Werkeigentümer selbst zuzuschreiben, wenn er Themen aufgegriffen habe, die „bei Lichte betrachtet nicht zu thematisieren gewesen wären, so etwa die Einwände der mangelnden örtlichen Zuständigkeit und der mangelnden Bevollmächtigung, die Behauptung, der Beklagte komme als Mitinhaber der Arbeitgeberin als deren Familienangehöriger in den Genuss des Regressprivilegs, sowie die Behauptungen zum angeblich nicht belegten Direktschaden und zur Nichtauszahlung der Renten durch die IV (S. 43, Ziffer 6).

 

7.2.3   Die Versicherungsträger legen in ihrer Berufung nicht dar, dass und gegebenenfalls an welcher Stelle sie die Honorarnote des Werkeigentümers bestritten haben. Es ist somit unklar, ob sie die entsprechende Kritik rechtzeitig geäussert haben. Sodann stellt die Festlegung der Höhe der Parteientschädigung einen gerichtlichen Ermessensentscheid dar (BGer 4A_220/2016 vom 27. Juli 2016 E. 3.2; BGer 4A_538/2017 vom 21. Dezember 2017 E. 6.3). Die Ausführungen der Versicherungsträger beschränken sich im Wesentlichen darauf, die aus ihrer Sicht eher angemessene Entschädigung zu schildern; die Ausführungen legen aber nicht nahe, dass das Zivilgericht sein Ermessen bezüglich der Höhe der Parteientschädigung unrichtig angewandt hätte. Dies gilt namentlich für die Kritikpunkte zwei bis fünf (vgl. obige E. 7.2.2). Der Kritikpunkt zwei ist überdies haltlos: Das Zivilgericht hat für aussergerichtliche Vergleichsbemühungen einen Zuschlag ausdrücklich abgelehnt und dies auch kurz begründet (vgl. angefochtener Entscheid, E. 7, S. 15 unten und 16 oben). In Bezug auf den Kritikpunkt eins schliesslich – Zuschlag von 30 % bzw. CHF 14‘400.– für die dritte, kurze Rechtsschrift – kann zum einen auf die Begründung des Zivilgerichts verwiesen werden, wonach die dritte Rechtsschrift zwar kurz ausgefallen sei, aber die Lektüre und Analyse der vorgängigen – sehr umfangreichen – Eingabe zeitaufwendig gewesen sei (angefochtener Entscheid, E. 7, S. 16 oben). Zum anderen ist festzuhalten, dass die streitwertbasierte Honorarberechnung bei höheren Streitwerten zu höheren Entschädigungen pro Stunde führt als bei niederen Streitwerten. Dies liegt in der Natur einer Entschädigungsberechnung, die auf dem Streitwert basiert und bei tiefen Streitwerten (im Vergleich zum Stundenaufwand) unterproportionale und bei hohen Streitwerten (im Vergleich zum Aufwand) überproportionale Parteientschädigungen vorsieht. Die Kritik der Versicherungsträger ist jedenfalls nicht geeignet, eine unrichtige Ausübung des zivilgerichtlichen Ermessens zu begründen. Ebenso scheint es nicht angezeigt, in die Ermessensausübung des Zivilgerichts einzugreifen. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Höhe der vom Zivilgericht zugesprochenen Parteientschädigung nicht zu beanstanden ist.

 

 

8.         Prozesskosten im zweitinstanzlichen Verfahren

 

8.1      Aus diesen Erwägungen folgt, dass der angefochtene Zivilgerichtsentscheid korrekt ist und die dagegen erhobene Berufung abzuweisen ist.

 

8.2      Die Prozesskosten des Berufungsverfahrens sind somit den Versicherungsträgern aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens richten sich nach den erstinstanzlichen Ansätzen (vgl. § 12 des Reglements über die Gerichtsgebühren [GGR, SG 154.810]). Bei erstinstanzlichen Gerichtskosten von CHF 20‘000.– (vgl. angefochtener Entscheid, E. 7) betragen die zweitinstanzlichen Gerichtskosten ebenfalls CHF 20‘000.–.

 

Die Versicherungsträger haben dem Werkeigentümer sodann eine Parteientschädigung zu bezahlen. Diese berechnet sich im Berufungsverfahren nach den für das erstinstanzliche Verfahren aufgestellten Grundsätzen, wobei in der Regel ein Abzug von einem Drittel vorzunehmen ist (§ 12 Abs. 1 HO). Bei einem Streitwert von CHF 838‘006.– beläuft sich das erstinstanzliche Grundhonorar auf CHF 48‘000.– (§ 4 Abs. 1 lit. b Ziffer 12 HO; angefochtener Entscheid, E. 7 mit Verweis auf die Honorarnote vom 26. Juni 2018). Wie im erstinstanzlichen Verfahren ist auch im Berufungsverfahren ein Kompliziertheitszuschlag von 30 % zuzulassen (§ 5 Abs. 1 lit. a HO; angefochtener Entscheid, E. 7 mit Verweis auf die Honorarnote vom 26. Juni 2018). Demnach beträgt das erstinstanzliche Grundhonorar CHF 62‘400.–, wobei dieses eine Rechtsschrift und eine Verhandlung umfasst (§ 3 Abs. 2 HO). Aufgrund des Umstands, dass im vorliegenden Fall lediglich eine Rechtsschrift verfasst (und nicht auch eine Verhandlung durchgeführt) werden musste, und aufgrund des Drittelsabzugs für das Berufungsverfahren (§ 12 Abs. 1 HO) beträgt die Parteientschädigung CHF 31‘200.– zuzüglich 7,7 % Mehrwertsteuer von CHF 2‘402.40.

 

 

Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Kammer):

 

://:        Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 28. Juni 2018 (K5.2016.7) wird abgewiesen.

 

            Die Berufungsklägerin 1 und die Berufungsklägerin 2 tragen die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 20‘000.– und bezahlen dem Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung von CHF 31‘200.– zuzüglich 7,7 % MWST von CHF 2‘402.40, jeweils in solidarischer Verbindung.

 

            Mitteilung an:

-       Berufungsklägerin 1

-       Berufungsklägerin 2

-       Berufungsbeklagter

-       Zivilgericht Basel-Stadt

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Der Gerichtsschreiber

 

 

 

PD Dr. Benedikt Seiler

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a oder b BGG erreicht (CHF 15'000.– bei Streitigkeiten aus Miete oder Arbeitsverhältnis bzw. CHF 30'000.– in allen übrigen Fällen) oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 

Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.