Geschäftsnummer: VG.2020.1 (AG.2020.419)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 22.07.2020 
Erstpublikationsdatum: 28.07.2020
Aktualisierungsdatum: 28.07.2020
Titel: Rechtliche Zulässigkeit einer kantonalen Volksinitiative
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verfassungsgericht

Kammer

 

 

VG.2020.1

 

URTEIL

 

vom 22. Juli 2020

 

 

Mitwirkende

 

Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey, Dr. Christoph A. Spenlé, lic. iur Barbara Schneider, Dr. Cordula Lötscher

und Gerichtsschreiber Dr. Peter Bucher  

 

 

 

Beteiligte

 

Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt

Marktplatz 9, 4001 Basel

 

Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

Marktplatz 9, 4001 Basel

 

Initiativkomitee "Wohnschutzinitiative II: JA zur Rettung

des Basler Wohnschutzes"

A____

[...]

vertreten durch [...], Rechtsanwältin,

[...]

 

 

Gegenstand

 

Beschluss des Grossen Rates vom 12. Februar 2020

 

Vorlage der kantonalen Volksinitiative "Wohnschutzinitiative II: JA zur Rettung des Basler Wohnschutzes" zum Entscheid über ihre rechtliche Zulässigkeit

 


Sachverhalt

 

Bei der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 wurde die Initiative „Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. JA zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)“ angenommen. Mit der Initiative wurde § 34 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt (KV, SG 111.100) ergänzt. Die ergänzte Fassung dieser Bestimmung trat am 5. Juli 2018 in Kraft. Sie hat den folgenden Wortlaut (Ergänzungen hervorgehoben):

 

„§ 34   Raumplanung, Wohnschutz> und Wohnumfeld

1 Der Staat sorgt für die zweckmässige und umweltschonende Nutzung des Bodens im Rahmen einer auf die grenzüberschreitende Agglomeration abgestimmten Siedlungsentwicklung. Er wahrt und fördert die Wohnlichkeit wie auch die städtebauliche Qualität.

2 Er fördert im Interesse eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes den Wohnungsbau. Er achtet dabei auf ein angemessenes Angebot vor allem an familiengerechten Wohnungen. In gleicher Weise fördert er den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren.

3 In Zeiten von Wohnungsnot sorgt er, entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung, dafür, dass diese vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen wirksam geschützt wird. Dies gilt insbesondere für die älteren und langjährigen Mietparteien.

4 Um bestehenden bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ergreift er, ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz, alle notwendigen wohnpolitischen Massnahmen, die den Charakter der Quartiere, den aktuellen Wohnbestand sowie die bestehenden Wohn- und Lebensverhältnisse bewahren.

5 Diese Massnahmen umfassen auch die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht verbunden mit Mietzinskontrolle bei Renovation und Umbau sowie Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen.

6 Wohnungsnot besteht bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger.

 

Im Rahmen der Umsetzung von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 unterbreitete der Regierungsrat dem Grossen Rat mit Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 einen Entwurf für eine Revision des Gesetzes über die Wohnraumförderung (WRFG, SG 861.500) (nachfolgend Entwurf WRFG). Mit Beschluss vom 9. Januar 2019 überwies der Grosse Rat das Geschäft an die Bau- und Raumplanungskommission (BRK) sowie zum Mitbericht an die Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK). Die Beratungen in den Kommissionen führten zu einer Teilung beider Kommissionen in eine Mehrheit und eine Minderheit. Die Mehrheit und die Minderheit der BRK und der WAK beschlossen je einen eigenen Bericht. Der Grosse Rat beriet das Geschäft am 22. und 23. April 2020 und beschloss am 23. April 2020 eine Änderung des WRFG.

Im Kantonsblatt vom 12. Juni 2019 wurde die kantonale Volksinitiative „Wohnschutzinitiative II: JA zur Rettung des Basler Wohnschutzes“ (nachfolgend Initiative) publiziert. Sie hat den folgenden Wortlaut:

 

"Gestützt auf § 47 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005 und auf das Gesetz betreffend Initiative und Referendum vom 17. Januar 1991 reichen die unterzeichneten, im Kanton Basel-Stadt wohnhaften Stimmberechtigten folgende formulierte Initiative ein:

I. Die Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23.3.2005 erhält folgenden § 151: Übergangsbestimmungen zu § 34 (Sistierung zum Schutz des Wohnschutzes)

1 Bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 in der Fassung vom 5. Juli 2018, längstens jedoch für die Dauer von drei Jahren ab Inkrafttreten dieser Übergangsbestimmung, sind Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben für Sanierung, Umbau, Abbruch und Zweckentfremdung (inklusive Umwandlung in Stockwerkeigentum) von Mehrfamilienhäusern zu sistieren.

2 Vorbehalten bleiben Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben, welche zur Abwehr von unmittelbar drohendem Schaden an der Bausubstanz oder aus zwingenden polizeilichen Gründen erforderlich sind.

3 Vorbehalten bleiben ferner Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben von vermietenden Parteien,

a) welche nur eine einzige Liegenschaft mit nicht mehr als 4 Wohnungen vermieten,

b) welche als Organisationen im Sinne des gemeinnützigen Wohnungsbaus gelten,

c) welche unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Fördergelder nur Arbeiten ohne Auswirkungen auf die bestehenden Mietzinse vornehmen.

4 Die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 ist nach ihrem Inkrafttreten auf sämtliche seit dem 5. Juli 2018 anhängig gemachte Verfahren anwendbar.

II. § 151 tritt am Tag nach Annahme der Initiative in Kraft."

 

Mit Verfügung vom 2. Oktober 2019 stellte die Staatskanzlei fest, dass die Initiative mit 3‘060 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.

 

Mit Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 beantragte der Regierungsrat dem Grossen Rat, die Initiative für rechtlich unzulässig zu erklären. Mit Beschluss Nr. 20/07/11G vom 12. Februar 2020 überwies der Grosse Rat die Initiative zum Entscheid über die rechtliche Zulässigkeit dem Appellationsgericht. Das Initiativkomitee beantragt dem Appellationsgericht mit begründeter Eingabe vom 9. April 2020, die Initiative sei als gültig zu erklären. Mit freigestellter Stellungnahme vom 30. April 2020 beantragt der Regierungsrat, vertreten durch das Justiz- und Sicherheitsdepartement, die Initiative sei für rechtlich unzulässig zu erklären. Mit Eingabe vom 5. Juni 2020 hat das Initiativkomitee dazu Stellung genommen und an seinem bisherigen Antrag festgehalten. Das vorliegende Urteil ist auf dem Zirkulationsweg ergangen.

 

 

Erwägungen

 

1.         Formelles

 

1.1      Gemäss § 91 Abs. 1 lit. g der Verfassung des Kantons Basel-Stadt (KV, SG 111.100) sowie § 15 Abs. 1 und § 17a Abs. 1 des Gesetzes betreffend Initiative und Referendum (IRG, SG 131.100) entscheidet der Grosse Rat über die rechtliche Zulässigkeit einer Initiative oder legt diese Frage direkt dem Appellationsgericht als Verfassungsgericht zum Entscheid vor. Mit Beschluss Nr. 20/07/11G vom 12. Februar 2020 überwies der Grosse Rat die Initiative zum Entscheid über die rechtliche Zulässigkeit dem Appellationsgericht. Dieses beurteilt die rechtliche Zulässigkeit der Initiative als Verfassungsgericht (§ 116 Abs. 1 lit. b KV). Zuständig ist eine Kammer des Appellationsgerichts (§ 91 Ziff. 5 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).

 

1.2      Für das Verfahren bestimmt § 17a des Gesetzes betreffend Initiative und Referendum (IRG, SG 131.100), dass der Grosse Rat dem Verfassungsgericht den vom Regierungsrat gemäss § 13 IRG gestellten Antrag vorlegt (Abs. 1) und das Verfassungsgericht dem Initiativkomitee Gelegenheit gibt, sich schriftlich zur rechtlichen Zulässigkeit der Initiative zu äussern (Abs. 2). Das Verfassungsgericht entscheidet ohne Verhandlung und publiziert das Dispositiv seines Entscheids im Kantonsblatt (§ 17a Abs. 3 in Verbindung mit § 17 Abs. 4 IRG). Die Kognition des Verfassungsgerichts ist in Fällen, in denen der Grosse Rat ihm ohne eigenen Beschluss den Entscheid über die Gültigkeit einer Initiative delegiert, frei (VGE VD.2010.68 vom 13. Oktober 2010 E. 1.2).

 

1.3      Der Regierungsrat beantragte dem Grossen Rat mit Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020, die Initiative für rechtlich unzulässig zu erklären. Das Initiativkomitee beantragte mit Stellungnahme vom 9. April 2020, die Initiative sei als gültig zu erklären.

 

2.         Grundsätze der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer Initiative

 

2.1      Im vorliegenden Verfahren ist über die rechtliche Zulässigkeit der Initiative zu entscheiden. Eine Initiative ist rechtlich zulässig, wenn sie mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist, sich nur mit einem Gegenstand befasst (Grundsatz der Einheit der Materie) und nichts Unmögliches verlangt (vgl. § 48 Abs. 2 KV und § 14 IRG; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.1 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1; BGE 143 I 129 E. 2.1 S. 132, 142 I 216 E. 3.1 S. 219 und 139 I 292 E. 5.4 S. 295).

 

2.2.    

2.2.1   Für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer Initiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen auszulegen (BGE 139 I 292 E. 5.7 S. 296 und 129 I 392 E. 2.2 S. 394 f.; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.1 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1). Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut des Gesetzes (grammatikalisches Element). Vom klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, so etwa dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Dabei ist namentlich auf die Entstehungsgeschichte (historisches Element), auf den Zweck der Norm (teleologisches Element), auf die ihr zugrunde liegenden Wertungen und auf ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen (systematisches Element) abzustellen. Bleiben bei nicht klarem Wortlaut letztlich mehrere Auslegungen möglich, so ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht (BGE 142 I 135 E. 1.1.1 S. 138; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.1 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1).

 

2.2.2   Bei der Auslegung eines Initiativtextes ist massgeblich, wie dieser von den Stimmberechtigten und späteren Adressaten vernünftigerweise verstanden werden muss (BGE 141 I 186 E. 5.3 S. 195 f. und 139 I 292 E. 7.2 S. 298; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1). Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine allfällige Begründung des Volksbegehrens und Meinungsäusserungen der Initianten dürfen aber mitberücksichtigt werden (BGE 139 I 292 E. 7.2.1 S. 298 und 129 I 392 E. 2.2 S. 394 f.; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1; vgl. BGE 143 I 129 E. 2.2 S. 132 und 141 I 186 E. 5.3 S. 195 f.). Der Wille der Initianten muss zumindest insoweit mitberücksichtigt werden, als das durch Auslegung ermittelte Verständnis der Initiative dem Grundanliegen der Initianten entsprechen bzw. mit der grundsätzlichen Stossrichtung der Initiative vereinbar sein muss. Falls eine von den Initianten vorgetragene Begründung zumindest einem Grossteil der unterzeichnenden Stimmberechtigten bekannt gewesen ist, ist für die Bestimmung des Grundanliegens der Initiative massgebend, wie diese von den Unterzeichnenden unter Mitberücksichtigung der Begründung der Initianten vernünftigerweise hat verstanden werden dürfen. Die Gültigkeit der Initiative lässt sich nicht dadurch erreichen, dass ihr ein Gehalt beigemessen wird, der ihrem Grundanliegen nicht mehr entspricht (VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1; vgl. BGE 139 I 292 E. 7.2.4 und E. 7.2.5 S. 299 f. sowie E. 7.5.2 S. 302; vgl. ferner BGE 143 I 129 E. 2.2 S. 132 f.; BGer 1C_109/2014 vom 4. März 2015 E. 3.3; mit gewissen Präzisierungen zustimmend Attinger, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu kantonalen Volksinitiativen, Diss. Zürich 2016, S. 63 ff.; kritisch zu BGE 139 I 292 Bisaz, in: AJP 2014 S. 248 ff.; ferner Tschannen, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2013 und 2014, in: ZBJV 2014 S. 777, 830 f.). Die Berücksichtigung einer Begründung der Initianten kann somit vor allem dann zwingend geboten sein, wenn sie auf dem Unterschriftenbogen angebracht worden ist (VGE VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1; vgl. BGE 139 I 292 E. 7.2.2 S. 298 und E. 7.5.2 S. 302; BGer 1C_109/2014 vom 4. März 2015 E. 3.3; Attinger, a.a.O., S. 66).

 

2.2.3   Von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ist jene zu wählen, die einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt und welche andererseits im Sinne der verfassungskonformen Auslegung mit dem übergeordneten Recht von Bund und Kanton vereinbar erscheint (BGE 139 I 292 E. 5.7 S. 296 und 129 I 392 E. 2.2 S. 394 f.; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1). Kann der Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie in diesem für ihre Gültigkeit günstigsten Sinn auszulegen und als gültig zu erklären (BGE 139 I 292 E. 5.7 S. 296 und 129 I 392 E. 2.2 S. 394 f.; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1; Pedretti, Die Vereinbarkeit von kantonalen Volksinitiativen mit höherrangigem Recht, in: ZBl 2017 S. 299, 308 f.). Wenn immer möglich sollen Ungültigerklärungen vermieden werden und die Initiative, wenn sie in einem Sinne ausgelegt werden kann, der mit dem übergeordneten Recht vereinbar erscheint, dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden ("in dubio pro populo"; BGE 143 I 129 E. 2.2 S. 132 und 111 Ia 292 E. 3c/cc S. 299 f.; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1). Dies geht auch aus dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismässigkeit hervor. Danach haben sich staatliche Eingriffe in die politischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf das geringstmögliche Mass zu beschränken (Art. 34 und 36 Abs. 2 und 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR 101]). Ungültigerklärungen sind demzufolge nach Möglichkeit zugunsten der für die Initianten günstigsten Lösung einzuschränken (BGE 142 I 216 E. 3.2 und 3.3 S. 219 f. und 143 I 129 E. 2.2 S. 132; VGE VG.2018.1 vom 15. Januar 2019 E. 2.2 und VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.1).

 

2.3      Für die Prüfung der Vereinbarkeit einer ausformulierten Gesetzesinitiative mit dem höherrangigen Recht gelten die gleichen Grundsätze wie für die abstrakte Normenkontrolle einer geltenden Gesetzesbestimmung (vgl. BGE 124 I 107 E. 5b.aa S. 119; S. 316). Für die Beantwortung der Frage, ob eine kantonale Gesetzesbestimmung im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle aufzuheben ist, sind die Schwere eines allfälligen Grundrechtseingriffs, die konkreten Umstände bei der Anwendung der angefochtenen Norm, die Möglichkeit eines hinreichenden Schutzes bei einer späteren Normenkontrolle im konkreten Anwendungsfall und allfällige Auswirkungen auf die Rechtssicherheit mitzuberücksichtigen (vgl. BGE 143 I 426 E. 2 S. 431 und 143 I 137 E. 2.2 S. 139; BGer 1C_441/2018 vom 14. November 2019 E. 4). Erscheint eine generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als mit dem höherrangigen Recht vereinbar (vgl. BGer 2C_1076/2012 und 2C_1088/2012 vom 27. März 2014 E. 2.4), so rechtfertigt die blosse Möglichkeit, dass die Anwendung der angefochtenen Norm in besonders gelagerten Einzelfällen zu einem gegen höherrangiges Recht verstossenden Ergebnis führen könnte, für sich alleine im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle im Allgemeinen die Aufhebung der angefochtenen Norm noch nicht (vgl. BGE 143 I 426 E. 2 S. 431 und 143 I 137 E. 2.2 S. 139; BGer 1C_441/2018 vom 14. November 2019 E. 4 und 6.1, 2C_546/2018 vom 11. März 2019 E. 2.2 und 2C_1076/2012 und 2C_1088/2012 vom 27. März 2014 E. 2.4). Dementsprechend ist eine ausformulierte Gesetzesinitiative für ungültig zu erklären, wenn die Anwendung der darin vorgesehenen Rechtssätze mit grosser Wahrscheinlichkeit in einer erheblichen Anzahl von Fällen zu dem übergeordneten Recht widersprechenden Ergebnissen führt. Ruft ihre Anwendung jedoch nur in besonders gelagerten Fällen beim Zusammentreffen verschiedener Faktoren dem übergeordneten Recht widersprechende Ergebnisse hervor, ist die Initiative gültig zu erklären (Pedretti, a.a.O., S. 317). Bei einer ausformulierten Verfassungsinitiative, die unmittelbar anwendbares Recht schafft, ist zu beachten, dass die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts hinsichtlich kantonaler Verfassungsbestimmungen erheblich eingeschränkt ist (Pedretti, a.a.O., S. 321). Gemäss langjähriger Praxis sieht das Bundesgericht bei Bestimmungen von Kantonsverfassungen in Anbetracht ihrer Gewährleistung durch die Bundesversammlung (vgl. Art. 51 Abs. 2 BV) nicht nur von einer abstrakten Normenkontrolle, sondern grundsätzlich auch von einer konkreten Normenkontrolle ab. Es überprüft Bestimmungen einer Kantonsverfassung im Anwendungsfall nur, wenn das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung noch nicht in Kraft gewesen ist oder sich seither in einer Weise weiterentwickelt hat, der es Rechnung zu tragen gilt. Ob an dieser von der Lehre zum Teil stark kritisierten Rechtsprechung festgehalten werden kann oder ob sie aufgegeben oder gelockert werden müsste, hat das Bundesgericht bisher offen gelassen (BGE 145 I 259 E. 5.1 S. 268 und 142 I 99 E. 4.3.3 S. 117; vgl. zur Kritik an der Praxis des Bundesgerichts Ruch, in: St. Galler Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2014, Art. 51 BV N 23; Stöckli, in: Basler Kommentar, 2015, Art. 172 BV N 17; Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 4. Auflage, Bern 2016 [nachfolgend Tschannen, Staatsrecht], § 18 N 35). Die vorstehend dargestellte Einschränkung des Rechtsschutzes rechtfertigt eine strengere Handhabung des Gültigkeitserfordernisses. Eine direkt anwendbare ausformulierte Verfassungsinitiative ist deshalb für ungültig zu erklären, wenn die Anwendung der darin vorgesehenen Rechtssätze mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit neben mit dem höherrangigen Recht vereinbaren Ergebnissen auch zu solchen führt, die gegen übergeordnetes Recht verstossen (Pedretti, a.a.O., S. 321 f.). Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist die vorliegende Initiative allerdings auch nach dem für ausformulierte Gesetzesinitiativen geltenden milderen Massstab für unzulässig zu erklären. Zu weit gehen dürfte die von Attinger vertretene Auffassung, kantonale Volksinitiativen, die Grundrechtseinschränkungen vorsehen und keine Verhältnismässigkeitsprüfung zulassen, seien generell für ungültig zu erklären (vgl. Attinger, a.a.O., S. 122).

 

2.4      Falls nur ein Teil der Initiative rechtlich unzulässig ist, gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine blosse Teilungültigerklärung, sofern vernünftigerweise anzunehmen ist, die Unterzeichner der Initiative hätten den gültigen Teil auch unterzeichnet, wenn er ihnen allein unterbreitet worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Initiative nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern noch ein sinnvolles Ganzes im Sinne der ursprünglichen Stossrichtung ergibt, so dass die Initiative nicht ihres wesentlichen Gehalts beraubt wird (BGE 139 I 292 E. 7.2.3 S. 298 f. und 125 I 21 E. 7b S. 44; VGE VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.2; vgl. VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 2.1.2). Die teilweise Ungültigerklärung einer Volksinitiative besteht in der Streichung einzelner vorgeschlagener Bestimmungen (VGE VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.2; Hangartner/Kley, a.a.O., N 2139; vgl. Tschannen, Staatsrecht, § 51 N 32). Nötigenfalls ist das Begehren anderweitig zu bereinigen (VGE VG.2017.3 vom 18. März 2018 E. 2.1.2; Hangartner/Kley, a.a.O., N 2139). Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass das Verfassungsgericht ergänzende Anwendungsvoraussetzungen zu formulieren hat, wenn die mit der Initiative vorgeschlagenen Bestimmungen in einem Teil der von ihnen erfassten Fälle gegen höherrangiges Recht verstossen.

 

2.5     

2.5.1   Aus Art. 34 Abs. 1 BV ergibt sich, dass der Text einer Initiative genügend bestimmt sein muss (BGE 139 I 292 E. 5.8 f. S. 296 f.; vgl. BGE 129 I 392 E. 2.2 S. 395; BGer 1C_586/2013 vom 7. Oktober 2014 E. 3.2; VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 2.1.1). Es muss hinreichend klar sein, worauf die Initiative gerichtet ist, so dass eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann, ohne dass sich die Stimmberechtigten der Gefahr eines Irrtums über wesentliche Punkte ausgesetzt sehen (BGE 139 I 292 E. 5.8 S. 296; 129 I 392 E. 2.2 S. 395; BGer 1C_586/2013 vom 7. Oktober 2014 E. 3.2; VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 2.1.1). Das Erfordernis der hinlänglichen Klarheit gilt sowohl bei einem ausgearbeiteten Entwurf als auch bei einer allgemeinen Anregung (BGE 129 I 392 E. 2.2 S. 395). Bei einer allgemeinen Anregung sind an die Formulierung keine hohen Ansprüche zu stellen, weil gewisse Unklarheiten, ja vielleicht sogar Widersprüche, bei der Ausarbeitung des Gesetzes- oder Beschlusstextes im Parlament noch behoben werden können (BGE 139 I 292 E. 5.8 S. 296 und 129 I 392 E. 2.2 S. 395; BGer 1C_586/2013 vom 7. Oktober 2014 E. 3.2; VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 2.1.1). Bei einem ausgearbeiteten Entwurf rechtfertigt sich eine solche Zurückhaltung nicht (BGE 139 I 292 E. 5.8 S. 296; BGer 1C_586/2013 vom 7. Oktober 2014 E. 3.2; VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 2.1.1).

 

2.5.2   Im vorliegenden Fall hängt die Bestimmtheit der Initiative davon ab, ob der Inhalt der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 bekannt oder zumindest vorhersehbar ist (vgl. unten E. 6.2). Ob dies der Fall ist, ist für unterschiedliche Zeitpunkte im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses unterschiedlich zu beurteilen. Folglich stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Text der Initiative genügend bestimmt sein muss.

 

Der sachliche Schutzbereich von Art. 34 BV und damit der politischen Rechte als verfassungsmässige Rechte umfasst nicht nur Volkswahlen und Abstimmungen, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Vorgänge wie das Ergreifen und Unterzeichnen von Initiativ- und Referendumsbegehren (Tschannen, in: Basler Kommentar, 2015, Art. 34 BV N 8; Tschannen, Staatsrecht, § 48 N 12, 18 und 34; vgl. BGE 125 I 21 E. 5b S. 37). Folglich muss auch das aus Art. 34 Abs. 1 BV abgeleitete Erfordernis der genügenden Bestimmtheit bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Initiative erfüllt sein. Der Grund für das Erfordernis der genügenden Bestimmtheit besteht nicht nur darin, dass die Stimmbürger bei der Abstimmung über die Initiative wissen müssen, worüber sie abstimmen, sondern auch darin, dass die Stimmberechtigten bei der Unterzeichnung der Initiative wissen müssen, wofür sie ihre Unterschrift abgeben (vgl. Attinger, a.a.O., S. 34). Dies spricht ebenfalls dafür, dass der Text der Initiative bereits im Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung genügend bestimmt sein muss. Art. 34 Abs. 2 BV gewährleistet den Grundsatz der Einheit der Materie (BGer 1C_103/2010 vom 26. August 2010 E. 2.2). Dieser soll gewährleisten, dass die Stimmberechtigten sowohl bei der Unterzeichnung einer Volksinitiative als auch bei der Abstimmung über diese ihren wirklichen Willen unverfälscht zum Ausdruck bringen können (Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, in: BBl 1997 I S. 1, 433; Hugenschmidt, Einheit der Materie – überholtes Kriterium zum Schutze des Stimmrechts?, Diss. Basel 2001, S. 38; Schindler, Rechtsgutachten und über die Volksinitiative „40 Waffenplätze sind genug – Umweltschutz auch beim Militär“ 1. Teil: Einheit der Materie, Rückwirkung, Vorwirkung, in: ZBl 1992 S. 388, 389; a. M. Steinmann, in: St. Galler Kommentar, 3. Auflage, 2014, Art. 34 BV N 13). Entsprechend ist davon auszugehen, dass auch das aus Art. 34 Abs. 1 BV abgeleitete Erfordernis der genügenden Bestimmtheit die Gefahr eines Irrtums der Stimmberechtigen über wesentliche Punkte nicht nur bei der Abstimmung über die Initiative, sondern auch bei der Unterzeichnung der Initiative verhindern soll. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der Text der Initiative bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung genügend bestimmt sein muss.

 

3.         Zeitlicher Geltungsbereich von Erlassen

 

3.1      Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist gemäss dem in Art. 5 Abs. 1 BV verankerten Legalitätsprinzip das Recht (Schindler, in: St. Galler Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2014, Art. 5 BV N 18). Mit dem Recht ist dabei das jeweils geltende Recht gemeint (Schindler, a.a.O., Art. 5 BV N 26). Grundsätzlich gelten Erlasse für Vorgänge, die sich zwischen ihrer Inkraftsetzung und ihrer Ausserkraftsetzung abspielen. Zu diesem Grundsatz gibt es aber gewisse Relativierungen und Ausnahmen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Bern 2014, § 24 N 9). Diese werden im Folgenden dargestellt.

 

3.2

3.2.1   Negative Vorwirkung des neuen Rechts liegt vor, wenn die Anwendung des geltenden Rechts bei der Beurteilung gegenwärtiger Sachverhalte mit Blick auf das Inkrafttreten neuen Rechts ausgesetzt wird (Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 31; vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich 2016, N 298). Gemäss überzeugender Lehre ist eine negative Vorwirkung zulässig, wenn sie vom geltenden Recht vorgesehen, durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und zeitlich mässig ist (Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 32; vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 303 f.). Dass die negative Vorwirkung im öffentlichen Interesse liegen muss, ergibt sich auch aus dem in Art. 5 Abs. 2 BV verankerten Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns. Bei der negativen Vorwirkung können Fristen von bis zu fünf Jahren als zulässig betrachtet werden (Wiederkehr, in: Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Bern 2012, N 904). Welche Dauer noch als zeitlich mässig qualifiziert werden kann, ist letztlich eine Frage der Verhältnismässigkeit (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 304). Wenn die negative Vorwirkung einen Eingriff in ein Grundrecht darstellt, müssen alle Voraussetzungen gemäss Art. 36 BV erfüllt sein. In diesem Fall muss die negative Vorwirkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse oder den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein und den Kerngehalt des Grundrechts unangetastet lassen. In der Lehre wird teilweise unter Verweis auf BGE 100 Ia 147 E. 3 S. 155 festgehalten, die Praxis verlange für die Zulässigkeit einer negativen Vorwirkung zudem, dass auch die übrigen Voraussetzungen einer echten Rückwirkung (vgl. dazu unten E. 3.4.2) erfüllt seien (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 303; Wiederkehr, a.a.O., N 883). Dies ist unrichtig. Aus dem zitierten Urteil ergibt sich klar, dass sich die Erwägungen betreffend die Anwendung der Voraussetzungen der echten Rückwirkung auf die Vorwirkung nur auf die positive Vorwirkung (vgl. dazu unten E. 3.3) beziehen (vgl. BGE 100 Ia 147 E. 2c S. 152 f. und E. 3a S. 154 f., in: Pra 1974 Nr. 203 S. 581, 583 ff.). Bei der positiven Vorwirkung ist die Analogie mit der echten Rückwirkung so gross, dass auch die positive Vorwirkung höchstens unter den Voraussetzungen der echten Rückwirkung zulässig ist (BGE 100 Ia 147 E. 3a S. 155, in: Pra 1974 Nr. 203 S. 581, 585). Gemäss Bundesgericht und Lehre können die Voraussetzungen der echten Rückwirkung für die negative Vorwirkung nicht unbesehen übernommen werden, weil bei dieser im Gegensatz zur positiven Vorwirkung und zur echten Rückwirkung kein Recht auf Sachverhalte angewendet wird, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts ereignet haben, sondern lediglich die Anwendung des alten Rechts ausgesetzt wird. Die Unterschiede zwischen der negativen Vorwirkung und der echten Rückwirkung gebieten, an jene weniger strenge Anforderungen zu stellen als an diese (vgl. BGer vom 3. November 1982 in: ZBl 1983 S. 542, 547; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 303).

 

3.2.2   Wichtigster Anwendungsfall der negativen Vorwirkung sind die Planungszonen (Wiederkehr, a.a.O., N 884). Müssen Nutzungspläne angepasst werden oder liegen noch keine vor, so kann die zuständige Behörde gemäss Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG, SR 700) für genau bezeichnete Gebiete Planungszonen bestimmen. Planungszonen dürfen für längstens fünf Jahre bestimmt werden, wobei das kantonale Recht eine Verlängerung vorsehen kann (Art. 27 Abs. 2 RPG). Innerhalb der Planungszonen darf nichts unternommen werden, was die Nutzungsplanung erschweren könnte (Art. 27 Abs. 1 RPG). Durch den Erlass einer Planungszone wird künftigen Nutzungsplänen und –vorschriften eine negative Vorwirkung zuerkannt, indem Baubewilligungen nur noch erteilt werden, wenn dadurch die vorgesehene Neuordnung nicht erschwert wird. Eine Planungszone hat damit zur Folge, dass im betroffenen Umfang die Anwendung des (noch) geltenden Rechts im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Rechts ausgesetzt wird (BGer 1C_91/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 2.2; vgl. Ruch, in: Aemisegger et al. [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, Zürich 2016, Art. 27 N 53). Die Festsetzung von Planungszonen bewirkt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung und ist folglich mit der Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV nur vereinbar, wenn sie im Sinn von Art. 36 BV auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und voll entschädigt wird, falls sie einer Enteignung gleichkommt (BGer 1C_91/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 2.2). Die Anordnung von Planungszonen setzt eine verfestigte und einigermassen konkretisierte Planungsabsicht voraus (vgl. Ruch, a.a.O., Art. 27 N 33). In der Regel ist eine Beschlussfassung des Gemeinwesens, aus der eine klar umrissene Willenserklärung auf Planänderung hervorgeht, notwendig (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 33). Die Planungsabsicht der Behörden kann in Vorstellungen oder gar Entwürfen über die neue Nutzungsordnung zum Ausdruck kommen. Dass die Behörde über den Inhalt der künftigen Ordnung einigermassen bestimmte Vorstellungen hat, ist aber nicht erforderlich. Es muss vielmehr ausreichen, dass sie das Ungenügen der bestehenden Ordnung und damit das Erfordernis einer neuen Ordnung hinlänglich begründen kann. Die Planungsabsicht ist genügend gefestigt, wenn der Eigentümer den wesentlichen Grund für die beabsichtigte Planung zu ermessen vermag (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 35). In sachlicher Hinsicht muss die Planungsabsicht zulässig sein (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 33). Die Planungszonen dienen der (einstweiligen) Sicherung der (beabsichtigten) Nutzungsplanung, im Besonderen der Bewahrung der Planungs- und Entscheidungsfreiheit der Behörde, die nicht durch Vorhaben, die den Planungsabsichten widersprechen, beeinträchtigt werden soll (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 26). Ihr Ziel besteht in der Verhinderung der Vereitelung der Planung durch neue Bauten und Anlagen (Hettich/Mathis, in: Griffel et al. [Hrsg.], Fachhandbuch öffentliches Baurecht, Zürich 2016, N 1.108). Die Planungszonen dürfen in persönlicher, räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht über das zur Erreichung des Sicherungszwecks unbedingt Notwendige hinausgehen (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 37).

 

3.2.3   Grundvoraussetzung einer positiven Vorwirkung ist, dass das neue Recht bereits existiert. Dies setzt voraus, dass das neue Recht bereits beschlossen worden ist (vgl. BGer 1C_616/2014 vom 12. Oktober 2015 E. 3.5). Gemäss dem Regierungsrat soll dies auch für die negative Vorwirkung gelten. Aus dem Legalitätsprinzip ergebe sich, dass nur rechtskräftig beschlossenes Recht eine Vorwirkung entfalten könne, weil erst aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses für die Betroffenen klar sei, welche Wirkungen ein Erlass zeitigen werde (Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 7). Diese Auffassung ist unrichtig, wie das Initiativkomitee zu Recht geltend macht (vgl. Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 18 f.). Die negative Vorwirkung unterscheidet sich insofern wesentlich von der positiven, als kein zukünftiges Recht angewendet, sondern bloss die Anwendung des geltenden Rechts ausgesetzt wird. Dass eine positive Vorwirkung erst in Betracht kommt, nachdem das neue Recht beschlossen worden ist, ergibt sich daraus, dass die Rechtsanwendung ein hinreichend bestimmtes und damit beschlossenes Recht voraussetzt. Da bei der negativen Vorwirkung das neue Recht noch gar nicht angewendet wird, ist nicht nachvollziehbar, weshalb auch die negative Vorwirkung ein beschlossenes Recht voraussetzen sollte. Dementsprechend setzt der wichtigste und allgemein anerkannte Fall der negativen Vorwirkung, die Planungszonen, nicht voraus, dass das neue Recht bereits beschlossen worden ist, sondern bloss, dass eine verfestigte und einigermassen konkretisierte Planungsabsicht besteht (vgl. oben E. 3.2.2). In Analogie zu diesem Erfordernis setzt eine negative Vorwirkung im Hinblick auf ein Rechtsetzungsprojekt kein beschlossenes Recht, sondern nur aber immerhin eine verfestigte und einigermassen konkretisierte Rechtsetzungsabsicht voraus. In sachlicher Hinsicht muss diese zulässig sein.

 

3.2.4   Gemäss dem Bundesgericht verstösst die Anwendung des für den Privaten ungünstigeren und für den Staat günstigeren neuen Rechts gegen das Rechtsmissbrauchsverbot gemäss Art. 5 Abs. 3 BV, wenn eine von der Behörde zu verantwortende ungebührlich lange Verfahrensdauer zur Folge gehabt hat, dass das neue Recht noch vor dem Entscheid in Kraft getreten ist (vgl. BGE 110 Ib 332 E. 3 f. S. 336 ff.; vgl. dazu Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, Bern 2008, S. 27). Diese Rechtsprechung betrifft eine von den Behörden zu verantwortende, gegen das Verbot der Rechtsverzögerung gemäss Art. 29 Abs. 1 BV verstossende Verfahrensverzögerung ohne gesetzliche Grundlage (vgl. BGE 110 Ib 332 E. 2c S. 335 f.) und kann entgegen der Auffassung des Regierungsrats (vgl. Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 7 f.) nicht auf eine im geltenden Recht vorgesehene negative Vorwirkung übertragen werden.

 

3.3      Positive Vorwirkung liegt vor, wenn zukünftiges, noch nicht in Kraft gesetztes Recht bereits wie geltendes Recht angewendet wird (vgl. BGer 1B_308/2010 vom 22. November 2010 E. 2.2.1; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 298; Wiederkehr, a.a.O., N 876). Sie widerspricht dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV) und ist daher grundsätzlich unzulässig (BGer 1B_308/2010 vom 22. November 2010 E. 2.2.1; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 298 f.; vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 34). Wenn überhaupt ist eine positive Vorwirkung höchstens unter den gleichen Voraussetzungen wie eine echte Rückwirkung (vgl. dazu unten E. 3.4.2) zulässig (BGE 100 Ia 147 E. 3a S. 154 f.; vgl. Wiederkehr, a.a.O., N 876 und 904). Allenfalls kann bei der positiven Vorwirkung eine längere Frist als bei der echten Rückwirkung für zeitlich mässig befunden werden (vgl. Wiederkehr, a.a.O., N 876; vgl. ferner BGE 100 Ia 147 E. 3b S. 155 f.). Im Übrigen kommt eine positive Vorwirkung von vornherein nicht in Betracht, wenn das neue Recht noch nicht existiert, und existiert das neue Recht nicht, bevor es beschlossen worden ist (BGer 1C_616/2014 vom 12. Oktober 2015 E. 3.5).

 

3.4     

3.4.1   Eine unechte Rückwirkung liegt insbesondere vor bei der Anwendung neuen Rechts auf einen zeitlich offenen Dauersachverhalt, d.h. auf Verhältnisse, die zwar unter dem alten Recht entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts jedoch fortdauern (vgl. BGE 133 II 97 E. 4.1 S. 101 f.; Griffel, Intertemporales Recht aus dem Blickwinkel des Verwaltungsrechts, in: Uhlmann [Hrsg.], Intertemporales Recht aus dem Blickwinkel der Rechtsetzungslehre und des Verwaltungsrechts, Zürich 2014, S. 7, 15; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 279). Unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte oder der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegenstehen (vgl. BGE 133 II 97 E. 4.1 S. 101 f.; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 283; Tschannen/ Zimmerli/Müller, a.a.O., N 867).

 

3.4.2   Echte (oder eigentliche) Rückwirkung liegt vor, wenn neues Recht auf einen Sachverhalt angewendet wird, der sich abschliessend vor Inkrafttreten dieses Rechts verwirklicht hat (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 268; vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 23). Die echte Rückwirkung ist grundsätzlich verboten. Sie ist ausnahmsweise zulässig, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, zeitlich mässig ist, durch triftige Gründe gerechtfertigt ist, keine stossende Rechtsungleicheit bewirkt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (vgl. BGE 125 I 182 E. 2b.cc S. 186; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 269 f.; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 26; Wiederkehr, a.a.O., N 843, 850, 852, 856, 861 und 900 f.; Schindler, a.a.O., Art. 5 BV N 26). Als zeitlich mässig gilt bei der echten Rückwirkung im Allgemeinen die Dauer von einem Jahr, solange nicht besondere Umstände vorliegen (Wiederkehr, a.a.O., N 852; vgl. Verwaltungsgericht BE VGE 100.2009.339 vom 23. September 2010 E. 5.4, in: BVR 2011 S. 220, 227). Als triftige Gründe gelten nur besondere Interessen an einer rückwirkenden Inkraftsetzung eines Erlasses, die nicht Ausfluss mit jeder Rechtsänderung verbundener allgemeiner Überlegungen sind (Wiederkehr, a.a.O., N 856; vgl. BGE 102 Ia 69 E. 3c S. 73). Das Interesse an einer rechtsgleichen Rechtsanwendung stellt keinen triftigen Grund dar (vgl. BGE 102 Ia 69 E. 3c S. 73; Wiederkehr, a.a.O., N 856). Der Zweck, die Privaten daran zu hindern, vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts noch rechtzeitig ihre Dispositionen zu treffen, reicht für sich allein zur Begründung einer echten Rückwirkung ebenfalls nicht (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 26; vgl. ferner BGE 102 Ia 69 E. 3c S. 74). Im Übrigen muss der Grund für die echte Rückwirkung schwer wiegen (Verwaltungsgericht BE VGE 100.2009.339 vom 23. September 2010 E. 5.4, in: BVR 2011 S. 220, 227; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 26).

 

3.4.3   Gemäss einem älteren Bundesgerichtsurteil und einem Teil der Lehre liegt echte Rückwirkung vor, wenn neues Recht auf eine unter altem Recht bewilligte und erstellte Baute angewendet wird (vgl. BGE 101 Ia 231 E. 3c S. 235 [Im zitierten Entscheid wird nicht zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden. Insbesondere aus dem Verweis auf BGE 99 V 200 E. 2 S. 202 ergibt sich aber, dass die echte Rückwirkung gemeint ist.]; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N 23). Für den Fall, dass die Baute fortbesteht, kann dieser Auffassung mit einem anderen Teil der Lehre nicht gefolgt werden. Zwar ist die Erstellung der Baute im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts abgeschlossen und die Baute unter dem alten Recht entstanden. Die Baute besteht aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens fort und ist damit ein zeitlich offener Dauersachverhalt (vgl. Waldmann, in: Griffel et al. [Hrsg.], Fachhandbuch öffentliches Baurecht, Zürich 2016, N 6.53; vgl. Griffel, a.a.O., S. 23). Die Anwendung neuen Rechts auf eine bestehende Baute oder Anlage stellt folglich keine echte Rückwirkung dar (Waldmann, a.a.O., N 6.53), sondern ist als unechte Rückwirkung zu qualifizieren (vgl. Griffel, a.a.O., S. 23).

 

4.         Von der Initiative tangierte Grundrechte

 

4.1      Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Diese Bestimmung gewährleistet das Willkürverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes als verfassungsmässige Rechte (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Auflage, Zürich 2016, N 809). Willkür in der Rechtsetzung liegt vor, wenn sich eine Rechtsnorm nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 811). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (vgl. BGE 126 II 377 E. 3a S. 387; Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 823).

 

4.2      Gemäss Art. 26 Abs. 1 BV ist das Eigentum gewährleistet. In ihrer Erscheinungsform als Bestandesgarantie schützt die Eigentumsgarantie insbesondere das sachenrechtliche Eigentum gegen staatliche Eingriffe. Diese können namentlich in einer Einschränkung der Verfügungs- oder Nutzungsrechte bestehen (vgl. Uhlmann, in: Biaggini et al. [Hrsg.], Staatsrecht, 2. Auflage, Zürich 2015, § 37 N 4 und 13).

 

Eingriffe in die Bestandesgarantie sind gemäss Art. 36 BV zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse oder den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts unangetastet lassen (vgl. Kiener/Kälin/Wyttenbach, Grundrechte, 3. Auflage, Bern 2018, § 9 N 5 19 und 104 sowie § 30 N 22; Vallender/Hettich, in: St. Galler Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2014, Art. 26 BV N 39). Ein klassisches öffentliches Interesse ist der Schutz der Polizeigüter. Weitere öffentliche Interessen können sich insbesondere aus staatlichen Aufgaben ergeben (vgl. Gächter, in: Biaggini et al. [Hrsg.], Staatsrecht, 2. Auflage, Zürich 2015, § 30 N 118 f.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, a.a.O., § 9 N 110 f.). Verhältnismässig ist der Eingriff, wenn er zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses oder zum Schutz von Grundrechten Dritter geeignet und erforderlich ist (Eignung und Erforderlichkeit) und der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den zu seiner Erreichung notwendigen Freiheitsbeschränkungen steht (Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung oder Zumutbarkeit) (vgl. Kiener/Kälin/Wyttenbach, a.a.O., § 9 N 121 f., 127, 130 und 139; Schweizer, in: St. Galler Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2014, Art. 36 N 27 und 40). Die Eignung ist zu bejahen, wenn die Massnahme als tauglicher Versuch, einen Beitrag zur Realisierung des Eingriffszwecks zu leisten, qualifiziert werden kann (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 2353). Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit darf eine Einschränkung in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen (Kiener/Kälin/Wyttenbach, a.a.O., § 9 N 130). Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung sind die auf dem Spiel stehenden Interessen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. Kiener/Kälin/Wyttenbach, a.a.O., § 9 N 140). Dabei ist primär zu prüfen, ob das öffentliche Interesse oder das Interesse am Schutz von Grundrechten Dritter einerseits oder das Interesse der vom Eingriff betroffenen Privaten an der Integrität ihrer Grundrechte schwerer ins Gewicht fällt (vgl. Kiener/Kälin/Wyttenbach, a.a.O., § 9 N 140; Gächter, a.a.O., § 30 N 128). Unter Umständen sind aber auch widerstreitende öffentliche Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 323).

 

5.         Unzulässigkeit von § 151 Abs. 1 KV der Initiative

 

5.1      Geltungsbereich von § 151 Abs. 1 KV der Initiative

 

5.1.1   Gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative sind „Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben für Sanierung, Umbau, Abbruch und Zweckentfremdung (inklusive Umwandlung in Stockwerkeigentum) von Mehrfamilienhäusern“ unter Vorbehalt der in § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative erwähnten Ausnahmen bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV „in der Fassung vom 5. Juli 2018“, längstens jedoch für die Dauer von drei Jahren, zu sistieren.

 

5.1.2   Die geltende Fassung von § 34 KV stammt nicht vom 5. Juli 2018, sondern vom 10. Juni 2018. Sie ist am 5. Juli 2018 bloss in Kraft getreten. Richtigerweise müsste es deshalb in § 151 Abs. 1 KV der Initiative statt „in der Fassung vom 5. Juli 2018“ heissen „in der Fassung vom 10. Juni 2018“. Die unrichtige Bezeichnung ist für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Initiative aber irrelevant.

 

5.1.3   Die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 wird nach Ansicht des Regierungsrats in Änderungen des WRFG und in Ausführungsbestimmungen in einer Verordnung bestehen (Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 9; vgl. Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 4 und 8). Bei diesen wird es sich um Änderungen der vom Regierungsrat gestützt auf das WRFG beschlossene Verordnung über die Wohnraumförderung (WRFV, SG 861.520) handeln. Nach Ansicht des Initiativkomitees umfasst die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 Änderungen des WRFG, Änderungen des Bau- und Planungsgesetzes (BPG, SG 730.100), Änderungen von Raumplänen und weitere Bestimmungen (vgl. Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 2 f., 9 und 20).

 

Die Lehre unterscheidet unterschiedliche Gesetzesbegriffe (Tschannen, Staatsrecht, § 45 N 1). Ein Gesetz im formellen Sinn ist jeder Erlass, der vom Parlament im Verfahren der Gesetzgebung beschlossen und als Gesetz bezeichnet wird (Tschannen, Staatsrecht, § 45 N 3; vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 13 N 1 f.). Ein Gesetz im materiellen Sinn ist ein Rechtssatz (vgl. Tschannen, Staatsrecht, § 45 N 5; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 13 N 7). Als Rechtssatz gilt jede generell-abstrakte Regelung, die Rechte oder Pflichten der Privaten begründet oder die Organisation, die Aufgaben und die Zuständigkeit einer Behörde oder das Verfahren regelt (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 340; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 13 N 6). Bei der gesetzlichen Grundlage im Sinn von Art. 36 Abs. 1 BV muss es sich um einen Rechtssatz handeln (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 308). Ausser bei schwerwiegenden Einschränkungen genügt dabei ein Gesetz im materiellen Sinn (vgl. Epiney, in: Basler Kommentar, 2015, N 29 und 33). Es besteht nicht der geringste Hinweis darauf, dass mit der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative nur Gesetze im formellen Sinn gemeint sein könnten.

 

Rechtsverordnungen sind Erlasse, die in der Normenhierarchie unterhalb von Verfassung und Gesetz stehen und Rechtssätze enthalten (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 69 und 78; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 14 N 1 und 12 f.). Sie sind deshalb als Gesetzgebung im Sinn von § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative zu qualifizieren. Raumpläne werden in Richt- und Nutzungspläne eingeteilt. Der Richtplan ist das behördeninterne Planungsmittel, das die Richtlinien für die weitere raumplanerische Regelung, insbesondere für die Aufstellung von Nutzungsplänen festlegt (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 950). Der Richtplan ist nur für die Behörden verbindlich, nicht dagegen für Private. Er kann daher weder als Rechtssatz noch als Verfügung qualifiziert werden (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 958). Damit ist es ausgeschlossen, Richtpläne unter den Begriff der Gesetzgebung im Sinn von § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative zu subsumieren. Der Nutzungsplan ist der Raumplan, durch den Zweck, Ort und Mass der Bodennutzung für ein bestimmtes Gebiet allgemein verbindlich festgelegt werden (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 953). Nutzungspläne sind zwischen Rechtssatz und Verfügung stehende Anordnungen besonderer Art (vgl. BGE 106 Ia 383 E. 3c S. 387; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 960). Sie weisen Merkmale sowohl eines Rechtssatzes als auch einer Verfügung auf (BGE 119 Ia 141 E. 5c.bb S. 150). Nach der Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichts gelten Pläne, die eine Vielzahl von Grundstücken betreffen, als Rechtssätze (VGE VD.2019.36 vom 10. Januar 2020 E. 4.4.1; Jeannerat/Moor, in: Aemisegger et al. [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, Zürich 2016, Art. 14 N 16; a. M. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 961; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 37 N 22). Damit können Nutzungspläne unter den Begriff der Gesetzgebung im Sinn von § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative subsumiert werden, soweit sie eine Vielzahl von Grundstücken betreffen.

 

Es ist kein Grund ersichtlich, der es erlauben würde, den Begriff der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative auf das WRFG und die WRFV zu beschränken. § 34 KV steht unter dem Titel „Raumplanung, <Wohnschutz und Wohnumfeld“. § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 beruht auf der Volksinitiative „Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. JA zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)“. Ein Mitglied des Initiativkomitees sprach in seiner Funktion als Mitglied des Grossen Rats in der parlamentarischen Beratung dieser Initiative von Massnahmen „im Rahmen von Raumplanung und Baurecht“ bzw. von „wichtigen planungsrechtlichen Befugnissen“, mit denen der Kanton darauf hinarbeiten könne, dass Kündigungen verhindert werden (VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 4.2.3). A____ nannte in seiner Beschwerde gegen die Teilungültigererklärung der erwähnten Initiative als seiner Ansicht nach zulässige Massnahmen zum Schutz der Mieterschaft vor Verdrängung durch Kündigungen nicht nur verschärfte Bedingungen für Abbruchbewilligungen, zeitlich befristete Mietzinskontrollen nach Sanierungen und eine zeitlich befristete Bewilligungspflicht für den Verkauf von in Eigentumswohnungen umgewandelten Mietwohnungen, sondern auch die Schaffung von Zonen für günstige Wohnungen und die Bereitstellung von bezahlbaren Mietwohnungen insbesondere für ältere Menschen durch den Staat (VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 4.2.1). Gemäss dem Urteil, mit dem das Verfassungsgericht die Wohnschutzinitiative vollumfänglich für rechtlich zulässig erklärt hat, ist indirekter Kündigungsschutz mit bau- und planungsrechtlichen Mitteln denkbar (VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 4.2.2). Eine Verschärfung der Voraussetzungen zum Abbruch von Wohnhäusern und zur Zweckentfremdung von Wohnräumen gemäss WRFG nannte das Verfassungsgericht nur als ein Beispiel (vgl. VGE VG.2017.2 vom 28. September 2017 E. 4.2.2). Schliesslich bestimmt § 6 WRFG, dass der Kanton im Rahmen der Nutzungsplanung dem Zweck und den Grundsätzen dieses Gesetzes Rechnung trägt und verweisen § 7 Abs. 3 und § 8 Abs. 3 lit. d WRFG auf Nutzungspläne. Angesichts der vorstehend erwähnten Umstände kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in § 151 Abs. 1 und 4 der Initiative insbesondere auch allfällige Änderungen des BPG und der Bau- und Planungsverordnung (BPV, SG 730.110) sowie von Nutzungsplänen gemeint sind, die in Erfüllung der Staatsaufgaben oder zur Erreichung der Staatsziele gemäss § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 vorgenommen werden.

 

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass unter der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 im Sinn von § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative in Übereinstimmung mit der Auffassung des Initiativkomitees alle Rechtsakte verstanden werden müssen, die in Erfüllung der Staatsaufgaben oder zur Erreichung der Staatsziele, die mit der Revision von § 34 KV vom 10. Juni 2018 statuiert worden sind, erlassen oder geändert werden. Da kein Grund ersichtlich ist, weshalb der Begriff der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV im Sinn von § 151 Abs. 1 KV der Initiative auf das WRFG und die WRFV beschränkt sein könnte, ist es nicht möglich, die Bestimmung im Interesse der Gültigkeit der Initiative so auszulegen, dass sie nur diese beiden Erlasse erfasst.

 

5.1.4   § 151 Abs. 1 KV der Initiative gilt gemäss seinem Wortlaut für „Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben für Sanierung, Umbau, Abbruch und Zweckentfremdung (inklusive Umwandlung in Stockwerkeigentum) von Mehrfamilienhäusern“. Unter einem Mehrfamilienhaus könnte grundsätzlich sowohl ein Haus mit mehreren Mietwohnungen als auch ein Haus mit mehreren Eigentumswohnungen verstanden werden. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Bestimmung kann § 151 Abs. 1 KV der Initiative für Häuser mit mehreren Eigentumswohnungen aber keine Geltung beanspruchen. Gemäss § 34 Abs. 2 Satz 3 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 fördert der Staat „den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren“. Aufgrund des Wortlauts könnte auch darunter sowohl Mietwohnraum als auch Eigentumswohnraum verstanden werden. Aus den nachstehenden Gründen kann damit aber nur Mietwohnraum gemeint sein. Die revidierte Fassung von § 34 KV wurde durch die Annahme der Initiative „Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. JA zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)“ im Rahmen der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 beschlossen. Aus dem Titel der Initiative ergibt sich zweifelsfrei, dass die am 10. Juni 2018 beschlossenen Teile von § 34 KV nur den Schutz von Mieterinnen und Mietern bezwecken. Dementsprechend gelten die Abs. 3 und 5 von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 gemäss ihrem eindeutigen Wortlaut nur für Mietwohnraum. Da die darin erwähnten Massnahmen ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz ergriffen werden sollen, betrifft auch der Abs. 4 von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 offensichtlich nur Mietwohnraum. Da die am 10. Juni 2018 beschlossenen Teile von § 34 KV nur Mietwohnraum betreffen, kann sich auch die neue Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 nur auf solchen beziehen. Folglich können mit Mehrfamilienhäusern im Sinn von § 151 Abs. 1 KV der Initiative nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte nur Häuser mit mehreren Mietwohnungen gemeint sein. Von diesem Geltungsbereich der Sistierung wird im Folgenden ausgegangen. Da die Ausnahmen in § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative sehr restriktiv formuliert sind, werden ein erheblicher Teil der Eigentümer von Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen und ein erheblicher Teil der Bauvorhaben betreffend Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen von der Sistierung gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative erfasst. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass ein reguläres Haus der 1950er Jahre im allgemeinen sechs Wohnungen pro Eingang hat (Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 17) und der Eigentümer eines solchen Hauses von der Ausnahmebestimmung von § 151 Abs. 3 lit. a KV der Initiative für vermietende Parteien, die nur eine einzige Liegenschaft mit nicht mehr als 4 Wohnungen vermieten, nicht erfasst wird.

 

5.1.5   Gemäss dem geltenden WRFG bedürfen grundsätzlich jeder Abbruch von Gebäuden, die vorwiegend Wohnzwecken dienen, und jede Zweckentfremdung von bestehendem Wohnraum einer Bewilligung (§ 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 WRFG). In bestimmten Ausnahmefällen braucht es für den Abbruch und die Zweckentfremdung von Wohnraum gemäss dem geltenden WRFG aber keine Bewilligung (§ 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 WRFG). Gemäss der geltenden BPV ist für die Erstellung, die Veränderung, die Erweiterung, den Wiederaufbau und die Beseitigung ober- und unterirdischer Bauten und Anlagen sowie für den Abbruch von Wohnraum grundsätzlich eine Baubewilligung erforderlich (§ 26 Abs. 1 BPV). Unter die Bewilligungspflicht fallen ferner Zweckänderungen von Bauten und Anlagen, die nach den Vorschriften über die zulässigen Arten der baulichen Nutzung, nach der Gesetzgebung über den Umweltschutz und über die Energie oder für das Verkehrsaufkommen wesentlich sind, Arbeiten, die das Terrain verändern, und Zweckentfremdungen von Wohnraum (§ 26 Abs. 2 BPV). Bei geringfügigen Bauvorhaben genügt jedoch eine Anzeige an das Bauinspektorat (§ 27 Abs. 1 BPV). Bestimmte Bauvorhaben bedürfen weder einer Baubewilligung noch einer Anzeige (§ 28 Abs. 1 BPV). Die Abs. 4 und 5 von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 enthalten einen Gesetzgebungsauftrag und sind nicht unmittelbar anwendbar, wie der Regierungsrat richtig festgestellt hat (Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 6). Damit ergibt sich aus § 34 Abs. 5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 noch keine Bewilligungspflicht. Eine solche kann sich erst aus der Ausführungsgesetzgebung zu dieser Bestimmung ergeben. Damit sind nach geltendem Recht ein Teil der Bauvorhaben für Sanierung, Umbau, Abbruch und Zweckentfremdung von Mehrfamilienhäusern, aber nicht alle solchen Vorhaben bewilligungspflichtig. § 151 Abs. 1 KV der Initiative verlangt nur die Sistierung von Bewilligungsverfahren und statuiert selbst keine Bewilligungspflicht. Wenn mit § 151 Abs. 1 KV der Initiative verlangt würde, dass auch nach geltendem Recht nicht bewilligungspflichtige Bauvorhaben, die gemäss der künftigen Ausführungsgesetzgebung bewilligungspflichtig sein werden, sistiert werden, würde eine positive Vorwirkung der Ausführungsgesetzgebung statuiert. Auch nach Ansicht des Initiativkomitees sieht § 151 Abs. 1 KV aber nur eine negative und keine positive Vorwirkung vor (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 16 und 18 f.). Mit dem Regierungsrat (vgl. Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 7) ist deshalb davon auszugehen, dass die Bestimmung nur für Bauvorhaben gilt, die nach geltendem Recht bewilligungspflichtig sind.

 

5.2      Ungenügende Bestimmtheit von § 151 Abs. 1 KV der Initiative

 

Gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative sind die von dieser Bestimmung erfassten Bauvorhaben bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018, längstens jedoch für die Dauer von drei Jahren ab Inkrafttreten von § 151 Abs. 1 KV der Initiative zu sistieren. Somit muss die Sistierung gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative bereits vor Ablauf von drei Jahren aufgehoben werden, wenn die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 in Kraft getreten ist. Wann dies der Fall ist, kann aber überhaupt nicht festgestellt werden. Wie vorstehend eingehend dargelegt worden ist, erfasst der Begriff der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 im Sinn von § 151 Abs. 1 und 4 KV der Initiative alle Rechtsakte, die in Erfüllung der Staatsaufgaben oder zur Erreichung der Staatsziele, die mit der Revision von § 34 KV vom 10. Juni 2018 statuiert worden sind, erlassen oder geändert werden. Dazu gehören neben Änderungen des WRFG und der WRFV insbesondere auch allfällige Änderungen des BPG, der BPV und weiterer Gesetze sowie allfällige Änderungen von Nutzungsplänen (vgl. oben E. 5.1.3). Solche Änderungen von Rechtsakten können jederzeit initiiert werden. Damit ist nicht bestimmbar, wann die gesamte Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 in Kraft getreten sein wird. § 151 Abs. 1 KV der Initiative verstösst deshalb mangels genügender Bestimmtheit gegen Art. 34 Abs. 1 BV (vgl. oben E. 2.5). Bereits aus diesem Grund ist § 151 Abs. 1 KV der Initiative für unzulässig zu erklären. Betreffend die ungenügende Bestimmtheit des Begriffs des bezahlbaren Mietwohnraums wird auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen (vgl. unten E. 5.3.5).

 

5.3      Unzulässige negative Vorwirkung

 

5.3.1   § 151 Abs. 1 KV der Initiative sieht eine negative Vorwirkung der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 vor. Mit Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 unterbreitete der Regierungsrat dem Grossen Rat einen Entwurf WRFG. Dabei handelt es sich um den Entwurf einer Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018. Mit Beschluss vom 9. Januar 2019 überwies der Grosse Rat das Geschäft an die Bau- und Raumplanungskommission (BRK) sowie zum Mitbericht an die Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK). Die Beratungen in den Kommissionen führten zu einer Teilung beider Kommissionen in eine Mehrheit und eine Minderheit (Bericht der Bau- und Raumplanungskommission Nr. 18.1529.02 vom 18. März 2020 [nachfolgend Mehrheitsbericht der BRK] S. 3; Mitbericht der Wirtschafts- und Abgabekommission Nr. 18.1529.02 vom 19. August 2019 [nachfolgend Mehrheitsbericht der WAK] S. 4). Die Mehrheit und die Minderheit der BRK und der WAK beschlossen je einen eigenen Bericht (Mehrheitsbericht der BRK, Bericht der Minderheit der Bau- und Raumplanungskommission Nr. 18.1529.02 vom 18. März 2020 [nachfolgend Minderheitsbericht der BRK], Mehrheitsbericht der WAK, Mitbericht der Minderheit der Wirtschafts- und Abgabekommission Nr. 18.1529.02 vom 19. August 2019 [nachfolgend Minderheitsbericht WAK]) und einen eigenen Antrag (nachfolgend Antrag BRK-Mehrheit, Antrag BRK-Minderheit, Antrag WAK-Mehrheit, Antrag WAK-Minderheit). Sowohl zwischen dem Entwurf WRFG des Regierungsrats einerseits und den Anträgen der Kommissionen andererseits als auch zwischen den vier Anträgen der Kommissionen bestehen in wesentlichen Punkten grosse Differenzen. Der Grosse Rat beriet das Geschäft am 22. und 23. April 2020 und beschloss am 23. April 2020 Änderungen des WRFG (nachfolgend Grossratsbeschluss). Der Grossratsbeschluss vom 23. April 2020, mit dem das WRFG geändert wurde, wurde im Kantonsblatt vom 29. April 2020 publiziert. Er wird den Stimmberechtigten zur Abstimmung unterbreitet, wenn 2‘000 Stimmberechtigte es innert 42 Tagen seit der Publikation im Kantonsblatt verlangen (vgl. § 52 Abs. 1 lit. a KV; § 32 Abs. 2 IRG). Am 29. April 2020 wurde der Staatskanzlei angezeigt, dass gegen den Grossratsbeschluss das Referendum erhoben werde. Die Referendumsfrist lief am 13. Juli 2020 ab (Bekanntmachung der Staatskanzlei, in: Kantonsblatt vom 2. Mai 2020 S. 4). Mit Verfügung vom 18. Juli 2020 stellte die Staatskanzlei fest, dass das kantonale Referendum „gegen den Grossratsbeschluss vom 23. April 2020 betreffend Änderung des Gesetzes über die Wohnraumförderung (Wohnraumfördergesetz, WRFG)" zustande gekommen ist (Kantonsblatt vom 18. Juli 2020). Ob die Änderungen in der Volksabstimmung angenommen oder abgelehnt werden, steht derzeit noch nicht fest.

 

5.3.2   Die negative Vorwirkung wird von § 151 Abs. 1 KV der Initiative und damit für den Fall der Zulässigkeit und Annahme der Initiative im geltenden Recht vorgesehen. Aufgrund der in § 151 Abs. 1 KV der Initiative statuierten Maximaldauer von drei Jahren ist sie zeitlich mässig.

 

5.3.3   Das Initiativkomitee behauptet, in Basel häuften sich Leerkündigungen grosser Mehrfamilienhäuser zwecks Komplettsanierung und Neuvermietung zu deutlich höheren Preisen. Das Verfassungsgericht hat aber im vorliegenden Verfahren betreffend die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer Initiative nicht zu prüfen, ob konkrete Projekte den in § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 statuierten Zielen bzw. öffentlichen Interessen widersprechen oder nicht. Es entspricht jedoch allgemeiner Lebenserfahrung, dass das Wissen um künftige Verschärfungen der Bewilligungsvoraussetzungen manche Eigentümer dazu veranlasst, Bauprojekte, die sie andernfalls erst in einem späteren Zeitpunkt in Betracht gezogen hätten, bereits früher zu realisieren. Die Gefahr, dass seit der Annahme der revidierten Fassung von § 34 KV in der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 mehr Bewilligungen als bisher beantragt werden für Vorhaben, die den Zielen von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 widersprechen, kann deshalb als notorisch berücksichtigt werden. Unbegründet ist allerdings die Befürchtung des Initiativkomitees, ohne die in § 151 Abs. 1 der Initiative vorgesehene Sistierung könne das in § 34 Abs. 4 KV statuierte Ziel der Bewahrung des Charakters der Quartiere sowie der Wohn- und Lebensverhältnisse nicht mehr erreicht werden, weil diese bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung bereits zerstört wären (vgl. Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 10 und 20). Selbst wenn die Behauptungen des Initiativkomitees betreffend bestehende Projekte korrekt wären und diese Projekte realisiert würden, ist es ausgeschlossen, dass der Charakter der Quartiere sowie die Wohn- und Lebensverhältnisse durch die in der vergleichsweise kurzen Zeit bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung nach altem Recht bewilligten Projekte derart grundlegend verändert werden könnten, dass nichts Bewahrungswürdiges mehr bleibt.

 

5.3.4   Gemäss dem Initiativkomitee besteht der Zweck von § 151 Abs. 1 KV der Initiative darin, zu verhindern, dass in der Zeit bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 Projekte bewilligt werden, die den in dieser Verfassungsbestimmung statuierten Zielen bzw. öffentlichen Interessen zuwiderlaufen (vgl. Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 4, 9 f. und 20).

 

Gemäss § 34 Abs. 2 Satz 3 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 fördert der Staat den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren. In Zeiten von Wohnungsnot sorgt er gemäss § 34 Abs. 3 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung dafür, dass diese vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen wirksam geschützt wird. Um bestehenden bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ergreift er gemäss § 34 Abs. 4 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz alle notwendigen wohnpolitischen Massnahmen, die den Charakter der Quartiere, den aktuellen Wohnbestand sowie die bestehenden Wohn- und Lebensverhältnisse bewahren. Diese Massnahmen umfassen gemäss § 34 Abs. 5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 auch die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht verbunden mit Mietzinskontrollen bei Renovation und Umbau sowie Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen. Wohnungsnot besteht gemäss § 34 Abs. 6 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 % oder weniger. Aus dem systematischen Zusammenhang von § 34 Abs. 4 und 5 KV mit § 34 Abs. 3 und 6 KV ergibt sich, dass nicht nur § 34 Abs. 3 KV, sondern auch § 34 Abs. 4 und 5 KV bloss in Zeiten von Wohnungsnot zur Anwendung gelangen (vgl. Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S 18). Da seit 1942 mit Ausnahme der drei Jahre 1998, 1999 und 2005 immer Wohnungsnot im in § 34 Abs. 6 KV definierten Sinn geherrscht hat (Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 14; Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt, t09.2.01 Leere Wohnungen, Basel August 2020), dürfte diese Einschränkung während der möglichen Geltungsdauer von § 151 KV der Initiative irrelevant sein. Im Übrigen ist mit dem Regierungsrat davon auszugehen, dass der in § 34 Abs. 5 KV verwendete Begriff der Renovation und der in § 151 Abs. 1 KV der Initiative und im Entwurf WRFG verwendete Begriff der Sanierung grundsätzlich gleichbedeutend sind (vgl. Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 18). Aus den vorstehend erwähnten Bestimmungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber für Zeiten der Wohnungsnot zumindest für gewisse Sanierungen und Umbauten von bezahlbaren Mietwohnungen eine mit einer Mietzinskontrolle verbundene Bewilligungspflicht vorzusehen hat. Diese Bewilligungspflicht kommt zumindest für baubewilligungspflichtige Sanierungen und Umbauten ernsthaft in Betracht. Zudem kann aus § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber für Zeiten der Wohnungsnot für bewilligungspflichtige Sanierungen, Umbauten und Abbrüche von bezahlbaren Mietwohnungen Bewilligungsvoraussetzungen zu statuieren hat, mit denen der Erhalt des bestehenden bezahlbaren Wohnraums besser als bisher gefördert sowie die Mieterinnen und Mieter besser als bisher vor Verdrängung geschützt werden. Entsprechende Bestimmungen sind im Entwurf des Regierungsrats, in den Anträgen der Kommissionen und im Grossratsbeschluss enthalten (vgl. § 7 Abs. 3bis, § 8a und § 8b Entwurf WRFG, § 7 Abs. 3, 3bis und 4 sowie §§ 8a-8c Antrag BRK-Mehrheit, § 7 Abs. 3bis, § 8a und .nbsp;8b Antrag BRK-Minderheit, § 7 Abs. 3, 3bis und 4, § 8a und § 8b Antrag WAK-Mehrheit, § 7 Abs. 3bis, § 8a und § 8b Antrag WAK-Minderheit; § 7 Abs. 3bis, § 8a und § 8b Grossratsbeschluss). Damit ist im vorstehend umschriebenen Umfang eine verfestigte und einigermassen konkretisierte Rechtsetzungsabsicht zu bejahen.

 

Gemäss § 34 Abs. 2 KV fördert der Staat den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums. In Zeiten von Wohnungsnot sorgt er gemäss § 34 Abs. 3 KV entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung dafür, dass diese vor Verdrängung wirksam geschützt wird. Damit besteht zumindest in Zeiten der Wohnungsnot grundsätzlich ein öffentliches Interesse am Erhalt des bestehenden bezahlbaren Mietwohnraums und am Schutz der Mieterinnen und Mieter solchen Wohnraums vor Verdrängung. Gemäss dem unter dem Titel Grundrechtsgarantien stehenden § 11 Abs. 2 lit. c KV anerkennt der Kanton das Recht auf Wohnen und trifft die zu seiner Sicherung notwendigen Massnahmen, damit Personen, die in Basel-Stadt wohnhaft und angemeldet sind, sich einen ihrem Bedarf entsprechenden Wohnraum beschaffen können, dessen Mietzins oder Kosten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigt. Gemäss dem Bericht zur Umsetzung der Initiative „Recht auf Wohnen“, auf der § 11 Abs. 2 lit. c KV beruht, ist diese Verfassungsbestimmung nach Auffassung des Regierungsrats und gemäss den im Anschluss an die Abstimmung geführten Gesprächen mit den Initiantinnen und Initianten als Zielsetzungsinitiative umzusetzen. Dies bedeute, dass aus ihren Zielen kein justiziables Recht abgeleitet werden könne, das über die wirtschaftliche Hilfe gemäss den bestehenden sozialhilferechtlichen Ansprüchen hinausgehen würde (Bericht Nr. 20.0183.01 vom 18. März 2020 S. 3). Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Selbst wenn kein direkt-anspruchsbegründender Gehalt des Grundrechts auf Wohnen gemäss § 11 Abs. 2 lit. c KV, sondern bloss seine programmatische Schicht und damit das Grundrecht als Gesetzgebungsauftrag betroffen ist, dienen der Erhalt bestehenden bezahlbaren Mietwohnraums und der Schutz der Mieterinnen und Mieter solchen Wohnraums vor Verdrängen grundsätzlich auch dem Schutz von Grundrechten Dritter (vgl. zum direkt-anspruchsbegründenden Gehalt, der programmatischen Schicht und der flankierenden Funktion von Grundrechten Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 269). Eine Bewilligungspflicht und Bewilligungsvoraussetzungen für baubewilligungspflichtige Sanierungen, Umbauten und Abbrüche von bezahlbaren Mietwohnungen in Zeiten der Wohnungsnot sind geeignet, einen Beitrag zur Realisierung der vorstehend erwähnten Zwecke zu leisten. Folglich besteht grundsätzlich auch ein öffentliches Interesse und dient es grundsätzlich auch dem Schutz von Grundrechten Dritter, mit der Sistierung von Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben für Sanierungen, Umbauten und Abbrüche von Mehrfamilienhäusern mit bezahlbaren Mietwohnungen zu verhindern, dass vor dem Inkrafttreten des zukünftigen Rechts Vorhaben bewilligt werden, die gemäss den strengeren zukünftigen Bewilligungsvoraussetzungen möglicherweise nicht mehr bewilligt werden können. Insoweit kann § 151 Abs. 1 KV der Initiative entgegen der Ansicht des Regierungsrats (vgl. Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 8) auch nicht als willkürlich betrachtet werden.

 

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Sistierung von Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben für Sanierungen, Umbauten und Abbrüche von Mehrfamilienhäusern mit bezahlbaren Mietwohnungen nicht im öffentlichen Interesse liegt und nicht dem Schutz von Grundrechten Dritter dient oder jedenfalls mit anderen öffentlichen Interessen kollidiert. Zumindest wenn die Wohnungen nicht mehr zum Wohnen geeignet sind, liegt die Erhaltung des bestehenden Zustands nicht im öffentlichen Interesse und dient nicht dem Schutz des Grundrechts auf Wohnen, weil die Wohnungen keinen bedarfsgerechten Wohnraum mehr darstellen. In diesem Fall dient es vielmehr den vorstehend erwähnten Zwecken, dass die Wohnungen möglichst bald saniert oder umgebaut oder, wenn dies mit angemessenem Aufwand nicht möglich ist, abgebrochen und durch neue ersetzt werden (vgl. dazu auch § 7 Abs. 4 lit. b Entwurf WRFG, Antrag BRK-Minderheit, Antrag WAK-Minderheit und Grossratsbeschluss, § 7 Abs. 4 lit. a Antrag BRK-Mehrheit und Antrag WAK-Mehrheit, § 8 Abs. 3 lit. a WRFG und § 8 Abs. 3 lit. b Antrag WAK-Mehrheit). Dies wird durch die Sistierung gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative in vielen Fällen verhindert. Gemäss § 151 Abs. 2 KV der Initiative sind Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben, die zur Abwehr von unmittelbar drohendem Schaden an der Bausubstanz oder aus zwingenden polizeilichen Gründen erforderlich sind, von der Sistierung ausgenommen. Diese Ausnahmebestimmung erfasst aber nicht alle Fälle, in denen die Wohnungen nicht mehr zum Wohnen geeignet sind. Gemäss § 151 Abs. 3 lit. c KV der Initiative sind Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben von vermietenden Parteien, die unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Fördergelder nur Arbeiten ohne Auswirkungen auf die bestehenden Mietzinse vornehmen, zwar von der Sistierung ausgenommen. Die im vorstehend erwähnten Fall gebotenen Arbeiten sind aber ohne angemessene Mietzinsaufschläge mitunter wirtschaftlich unmöglich, selbst wenn Rückstellungen getätigt worden sind. Die Behauptung des Initiativkomitees, sämtliche Sanierungen, bei denen nur das Notwendige vorgenommen werde, und insbesondere ökologische Sanierungen seien von der Sistierung ausgenommen (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 11c), ist deshalb in dieser Allgemeinheit falsch. Gemäss § 31 Abs. 2 KV fördert der Staat den sparsamen und rationellen Energieverbrauch. Folglich liegt es im öffentlichen Interesse, dass energetische Sanierungen möglichst bald vorgenommen werden und nicht durch eine Sistierung des Bewilligungsverfahrens verzögert werden. Solche Sanierungen sind in vielen Fällen ohne angemessene Mietzinsaufschläge wirtschaftlich unmöglich und werden deshalb durch § 151 Abs. 1 KV der Initiative verzögert. In den Fällen, in denen die Erhaltung des bestehenden Zustands nicht im öffentlichen Interesse liegt und nicht dem Schutz des Grundrechts auf Wohnen dient, verstösst die Sistierung der Bewilligungsverfahren mangels eines öffentlichen Interesses an der damit verbundenen negativen Vorwirkung gegen den in Art. 5 Abs. 2 BV verankerten Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns und ist deshalb eindeutig bundesrechtswidrig (vgl. oben E. 3.2.1). Damit führt die Anwendung von § 151 Abs. 1 KV der Initiative in gewissen Fällen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu gegen höherrangiges Recht verstossenden Ergebnissen. Auch aus diesem Grund ist § 151 Abs. 1 KV der Initiative für unzulässig zu erklären (vgl. oben E. 2.3).

 

5.3.5   Aus § 34 Abs. 2, 4 und 5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gesetzgebungsauftrag betreffend die Bewilligungspflicht und die Bewilligungsvoraussetzungen auf bezahlbaren Mietwohnraum beschränkt ist. Für anderen als bezahlbaren bzw. preisgünstigen Mietwohnraum besteht damit für eine Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 überhaupt keine Rechtsetzungsabsicht. Wie bezahlbarer Mietwohnraum zu konkretisieren ist, war und ist im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 höchst umstritten (vgl. Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 9 und 14; § 4 Abs. 5 Entwurf WRFG; Mehrheitsbericht der BRK S. 8; § 4 Abs. 5 Antrag BRK-Mehrheit; Minderheitsbericht der BRK S. 1 f.; § 4 Abs. 5 Antrag BRK-Minderheit; Mehrheitsbericht der WAK S. 5; § 4 Abs. 5 Antrag WAK-Mehrheit; Minderheitsbericht der WAK S. 16; § 4 Abs. 5 Antrag WAK-Minderheit; § 4 Abs. 5 Grossratsbeschluss). Selbst wenn man von einer extensiven Definition des bezahlbaren Mietwohnraums ausgeht, kann eine erhebliche Anzahl von Mietwohnungen nicht unter den Begriff des bezahlbaren oder preisgünstigen Mietwohnraums subsumiert werden. Daher besteht für eine erhebliche Anzahl von Mietwohnungen überhaupt keine Rechtsetzungs- oder Planungsabsicht. Für Mehrfamilienhäuser mit solchen Wohnungen ist davon auszugehen, dass durch die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 der Kreis der bewilligungspflichtigen Vorhaben nicht erweitert und die Bewilligungsvoraussetzungen nicht verschärft werden und deshalb unter dem geltenden Recht zulässige Vorhaben auch unter dem zukünftigen Recht zulässig sein werden. Folglich besteht an der Sistierung von Bauvorhaben betreffend solche Mehrfamilienhäuser überhaupt kein öffentliches Interesse und ist die Sistierung insoweit sinn- und zwecklos. Gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative gilt die Sistierung aber für alle nach geltendem Recht bewilligungspflichtigen Bauvorhaben für Sanierungen, Umbauten und Abbrüche von Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnung und damit auch für solche, die nicht als bezahlbar oder preisgünstig qualifiziert werden können. Insoweit ist die Bestimmung wegen Verstosses gegen den in Art. 5 Abs. 2 BV verankerten Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns und wegen Verstosses gegen das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV zweifellos bundesrechtswidrig. Gemäss § 151 Abs. 3 lit. a KV der Initiative sind Bewilligungsverfahren für Bauvorhaben von vermietenden Parteien, die nur eine einzige Liegenschaft mit nicht mehr als vier Wohnungen vermieten, von der Sistierung ausgenommen. Es ist davon auszugehen, dass diese Ausnahmebestimmung höchstens einen kleinen Teil des nicht als bezahlbar oder preisgünstig zu qualifizierenden Mietwohnraums erfasst. Damit führt die Anwendung von § 151 Abs. 1 KV der Initiative mit grosser Wahrscheinlichkeit in einer erheblichen Anzahl von Fällen zu gegen des höherrangige Recht verstossenden Ergebnissen. Folglich ist diese Bestimmung für unzulässig zu erklären (vgl. oben E. 2.3).

 

Der Begriff des bezahlbaren Mietwohnraums im Sinn von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 ist mangels hinreichender Bestimmtheit nicht unmittelbar anwendbar, sondern muss vom Gesetzgeber konkretisiert werden. Dabei sind sehr unterschiedliche Definitionen denkbar. Aus diesem Grund ist es den Rechtsanwendern nicht möglich, den Anwendungsbereich von § 151 Abs. 1 KV der Initiative mittels teleologischer Reduktion auf den bezahlbaren Mietwohnraum zu beschränken. Aus den nachstehenden Gründen können die Rechtsanwender bei der Anwendung vom § 151 Abs. 1 KV auch nicht auf die vom Grossen Rat am 23. April 2020 beschlossene Definition abstellen. Erstens würde dies eine positive Vorwirkung des geänderten WRFG darstellen. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche allenfalls zulässig sein könnte (vgl. oben E. 3.3 und 3.4.2), sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Insbesondere ist eine positive Vorwirkung weder ausdrücklich angeordnet noch nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt. Zweitens war im Zeitpunkt der Initiative in keiner Art und Weise vorhersehbar, wie der Begriff des bezahlbaren Mietwohnraums definiert wird. Wenn der Geltungsbereich von § 151 Abs. 1 KV mittels teleologischer Reduktion auf den bezahlbaren Mietraum beschränkt würde, wäre die Initiative deshalb in diesem wesentlichen Punkt nicht genügend bestimmt gewesen, was gegen Art. 34 Abs. 1 BV verstiesse (vgl. oben E. 2.5).

 

5.3.6   Als Zweckentfremdung gilt gemäss § 4 Abs. 3 WRFG die Verwendung von Wohnraum als Verwaltungsräume oder zu gewerblichen Zwecken. Gemäss § 8 Abs. 1 WRFG bedarf abgesehen von den in § 8 Abs. 2 WRFG erwähnten Ausnahmefällen jede Zweckentfremdung von bestehendem Wohnraum einer Bewilligung. Die Bewilligung kann gemäss § 8 Abs. 3 erteilt werden, wenn es die Umstände rechtfertigen, insbesondere wenn die betreffenden Wohnräume nicht mehr zum Wohnen geeignet sind (lit. a), die Zweckänderung einem Bedürfnis der Wohnbevölkerung des Quartiers entspricht (lit. b), die Zweckänderung einem Bedürfnis an der Erweiterung oder Verlegung eines im Kanton bestehenden Betriebs entspricht (lit. c), die Zweckänderung der richt- und nutzungsplanerisch angestrebten Entwicklung des Quartiers entspricht (lit. d). § 34 Abs. 5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 sieht die mit einer Mietzinskontrolle verbundene Bewilligungspflicht nur für Renovationen bzw. Sanierungen, Umbauten und Abbrüche vor und auch in § 34 Abs. 2-4 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 werden Zweckentfremdungen nicht genannt. Dementsprechend sehen der Entwurf des Regierungsrats, die Anträge der BRK-Minderheit und der WAK-Minderheit sowie der Grossratsbeschluss für Zweckentfremdungen keine neuen oder revidierten Bestimmungen vor. Damit fehlt es für Zweckentfremdungen an einer verfestigten und einigermassen konkretisierten Rechtsetzungsabsicht. Gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative gilt die Sistierung aber auch für Zweckentfremdungen. Insoweit ist die Bestimmung ebenfalls bundesrechtswidrig und damit unzulässig.

 

5.3.7   Wie vorstehend eingehend dargelegt worden ist, sind mit der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 in § 151 Abs. 1 KV der Initiative insbesondere auch allfällige Änderungen des BPG und der BPV sowie von Nutzungsplänen gemeint (vgl. oben E. 5.1.3). Ein Beschluss irgendeines Organs des Kantons Basel-Stadt, aus dem hervorgeht, dass das BPG, die BPV oder die Nutzungspläne angesichts von § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 ungenügend und zu ändern wären, ist nicht ersichtlich und wird vom Initiativkomitee auch nicht genannt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018, dem Mehrheitsbericht der BRK, dem Minderheitsbericht der BRK, dem Mehrheitsbericht der WAK, dem Minderheitsbericht der WAK oder dem Ratschlag Nr. 20.0183.01 vom 18. März 2020. In den beiden Ratschlägen wird nur erwähnt, dass der Regierungsrat mit Beschluss vom 18. September 2018 im kantonalen Richtplan behördenverbindlich festgehalten habe, dass auf den im Richtplan aufgeführten Entwicklungsarealen mindestens ein Drittel des entstehenden Wohnraums preisgünstig sein müsse. Die Umsetzung dieser Vorgabe erfolge durch vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Kanton und den Grundeigentümern (vgl. Ratschlag Nr. 18.1529.01 vom 12. Dezember 2018 S. 8 f.; Ratschlag Nr. 20.0183.01 vom 18. März 2020 S. 3 f., 8 und 12 f.). Allfällige Meinungsäusserungen des Initiativkomitees begründen keine verfestigte und einigermassen konkretisierte Rechtsetzungs- oder Planungsabsicht. Damit fehlt es für allfällige Änderungen des BPG und der BPV sowie von Nutzungsplänen an einer verfestigten und einigermassen konkretisierten Rechtsetzungs- bzw. Planungsabsicht. § 151 Abs. 1 KV der Initiative, der eine Sistierung auch bis zum Inkrafttreten allfälliger Änderungen des BPG und der BPV sowie von Nutzungsplänen verlangt, ist auch aus diesem Grund unzulässig.

 

5.4      Unzulässiger Eingriff in die Eigentumsgarantie

 

5.4.1   Die Sistierung der Bewilligungsverfahren gemäss § 151 Abs. 1 KV der Initiative stellt einen Eingriff in die Eigentumsgarantie der Eigentümer von Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen dar. Die Sistierung hat zur Folge, dass abgesehen von den in § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative vorgesehenen Ausnahmefällen bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung während bis zu drei Jahren keine bewilligungspflichtigen Sanierungen, Umbauten, Abbrüche und Zweckentfremdungen von Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen vorgenommen werden können. Damit ist der Eingriff in die Eigentumsgarantie grundsätzlich erheblich. Seine Tragweite wird dadurch leicht relativiert, dass er zeitlich mässig ist (vgl. dazu oben E. 5.3.2).

 

5.4.2   Für den Fall, dass § 151 Abs. 1 KV der Initiative zulässig wäre und die Initiative angenommen würde, stellt er eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar. Wie vorstehend eingehend dargelegt worden ist, dient der Eingriff in gewissen Fällen einem öffentlichen Interesse und dem Schutz von Grundrechten Dritter (vgl. oben E. 5.3.4). In einer erheblichen Anzahl der von der Sistierung erfassten Fälle fehlt es hingegen bereits an einem legitimen Eingriffszweck (vgl. oben E. 5.3.5 f.). Das Initiativkomitee behauptet, § 151 KV der Initiative betreffe nur Vorhaben, die geeignet seien, in hohem Masse gegen die in § 34 KV genannten öffentlichen Interessen insbesondere am Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung sowie an der Erhaltung des Charakters der Quartiere, zu verstossen (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 11b). Dass diese Behauptung unrichtig ist, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Erwägungen (vgl. oben E. 5.3.4 f.). Ergänzend ist festzuhalten, dass Sanierungen und Umbauten von sogenannt bezahlbarem Wohnraum, die Mietzinserhöhungen nach sich ziehen, keineswegs in jedem Fall den in § 34 KV statuierten Zielen und Interessen zuwiderlaufen. Dementsprechend ist die Bewilligung gemäss § 8a Abs. 3 Entwurf WRFG, Antrag BRK-Mehrheit, Antrag BRK-Minderheit, Antrag WAK-Mehrheit und Antrag WAK-Minderheit sowie Grossratsbeschluss unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zu erteilen, wenn die Sanierung oder der Umbau mit Mietzinsaufschlägen verbunden ist.

 

5.4.3   In gewissen Fällen ist die Sistierung der Bewilligungsverfahren zur Verwirklichung eines öffentlichen Interesses und zum Schutz von Grundrechten Dritter geeignet (vgl. oben E. 5.3.4). Für diese Fälle kann auch die Erforderlichkeit bejaht werden. Wie vorstehend eingehend dargelegt worden ist, erfasst § 151 Abs. 1 der Initiative jedoch auch unter Berücksichtigung der Ausnahmen gemäss § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative viele Fälle, in denen die Sistierung zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses und zum Schutz von Grundrechten Dritter überhaupt nicht erforderlich ist (vgl. oben E. 5.3.5). Damit geht § 151 Abs. 1 KV der Initiative in sachlicher und personeller Hinsicht weit über das Erforderliche hinaus. Folglich statuiert diese Bestimmung einen unverhältnismässigen und deshalb unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 Abs. 1 BV. Auch aus diesem Grund ist § 151 Abs. 1 KV der Initiative für unzulässig zu erklären (vgl. oben E. 2.3).

 

5.4.4   In den Fällen, in denen die Sistierung der Bewilligungsverfahren zur Verwirklichung eines öffentlichen Interesses und zum Schutz des Grundrechts der Mieterinnen und Mieter auf Wohnen geeignet ist (vgl. oben E. 5.3.4), hängt das Gewicht des öffentlichen Interesses und des Interesses am Schutz des Grundrechts der Mieterinnen und Mieter sowie des Interesses der Eigentümer an der Integrität ihres Grundrechts von den Umständen des Einzelfalls ab. In gewissen Fällen dürften die für die Sistierung sprechenden Interessen überwiegen. In einer erheblichen Anzahl von Fällen, die nicht unter einen der Ausnahmetatbestände von § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative subsumiert werden können, überwiegen aber zweifellos die gegen die Sistierung sprechenden Interessen. § 151 Abs. 1 KV der Initiative erlaubt es nicht, die überwiegenden privaten Interessen zu berücksichtigen und diese Fälle von der Sistierung auszunehmen. Aus diesem Grund verletzt die Bestimmung das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Eigentumsgarantie und ist folglich unzulässig (vgl. BGE 113 Ia 126 E. 7b.aa S. 136 f. und E. 11 S. 145 f. sowie oben E. 2.3).

 

Auch bei einer Gesamtbetrachtung aller Fälle überwiegen unter Mitberücksichtigung der nachstehenden Umstände die gegen die Sistierung sprechenden Interessen. An der Erhaltung einer möglichst freiheitlichen Eigentumsordnung als Voraussetzung für die individuelle Lebensgestaltung und ein marktwirtschaftlich orientiertes Wirtschaftssystem besteht auch ein öffentliches Interesse (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 2356; Waldmann, in: Basler Kommentar, 2015, Art. 26 BV N 75). Gegen den mit der Sistierung verbundenen Eingriff in die Eigentumsgarantie sprechen deshalb nicht nur die privaten Interessen der Eigentümer, sondern auch ein öffentliches Interesse. In gewissen Fällen kollidiert die Sistierung der Bewilligungsverfahren mit einem weiteren öffentlichen Interesse (vgl. oben E. 5.3.4). Als der negativen Vorwirkung entgegenstehendes Interesse ist zudem der durch das Beschleunigungsgebot von Art. 29 Abs. 1 BV (vgl. dazu Waldmann, a.a.O., Art. 29 BV N 26) gewährleistete Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist der Gesuchsteller zu berücksichtigen (vgl. zum Rechtsverzögerungsverbot als Grenze der negativen Vorwirkung Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 298 und 304). Die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 im Sinn von § 151 Abs. 1 KV umfasst zwar auch allfällige Änderungen von Zonenplänen (vgl. oben E. 5.1.3). Da es diesbezüglich an einer verfestigten und einigermassen konkretisierten Planungsabsicht fehlt, kann das Interesse an der Aufrechterhaltung der Planungs- und Entscheidungsfreiheit der Behörden im Bereich der Nutzungsplanung im vorliegenden Fall aber nicht berücksichtigt werden (vgl. oben E. 3.2.2 und 5.3.7). Im Hinblick auf die Ausführungsgesetzgebung in der Form von Gesetzen und Verordnungen unterscheidet sich die Interessenlage bei der mit § 151 Abs. 1 KV der Initiative vorgesehenen Sistierung wesentlich von derjenigen bei Planungszonen. Im Bereich der Nutzungsplanung besteht die Gefahr, dass nach geltendem Recht bewilligte neue Bauten und Anlagen die Planungs- und Entscheidungsfreiheit der Behörde beeinträchtigen und die beabsichtigte Planung vereiteln. Im vorliegenden Fall kann die Erteilung von Bewilligungen nach geltendem Recht zwar dazu führen, dass bezahlbare Mietwohnungen, die nach dem zukünftigen Recht zu erhalten wären, verloren gehen und die Mieterinnen und Mieter aus diesen Wohnungen verdrängt werden. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers aber nicht beeinträchtigt und die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 nicht vereitelt. Zudem werden nach allgemeiner Lebenserfahrung immer wieder neue bezahlbare Mietwohnungen gebaut. Der Gegenstand der Nutzungsplanung bildende Boden dagegen ist beschränkt.

 

5.5      Unzulässigkeit von § 151 Abs. 2 und 3 KV der Initiative  

 

Die Abs. 2 und 3 von § 151 KV der Initiative sehen Ausnahmen von der in Abs. 1 von § 151 KV der Initiative vorgesehenen Sistierung vor. Da dieser für unzulässig zu erklären ist, sind jene gegenstandslos. Folglich sind auch die Abs. 2 und 3 von § 151 KV der Initiative für unzulässig zu erklären.

 

6.         Unzulässigkeit von § 151 Abs. 4 KV der Initiative

 

6.1      Geltungsbereich von § 151 Abs. 4 KV der Initiative

 

Gemäss § 151 Abs. 4 KV der Initiative ist die Ausführungsgesetzgebung nach ihrem Inkrafttreten auf sämtliche seit dem 5. Juli 2018 anhängig gemachten Verfahren anwendbar. Damit können vernünftigerweise nur Bewilligungsverfahren gemeint sein, bei denen die Bewilligung seit dem 5. Juli 2018 beantragt worden ist. Für diese Auslegung spricht auch der systematische Zusammenhang des Abs. 4 von § 151 KV der Initiative mit den Abs. 1-3 von § 151 KV der Initiative, die sich ausdrücklich nur auf Bewilligungsverfahren beziehen. Von dieser Einschränkung wird im Folgenden ausgegangen. Der Regierungsrat geht davon aus, dass § 151 Abs. 4 KV der Initiative sowohl für Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausführungsgesetzgebung noch hängig sind, als auch für solche, die in diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen sind, gilt (Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 10 f.). Die Bestimmung kann jedoch auch so ausgelegt werden, dass sie seit dem 5. Juli 2018 aber vor dem Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung anhängig gemachte Verfahren nur dann erfasst, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch hängig sind. Für diese Auslegung spricht der systematische Zusammenhang von § 151 Abs. 4 KV der Initiative mit § 151 Abs. 1 KV der Initiative, der eine Sistierung der Verfahren bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung verlangt. Gemäss dem Initiativkomitee impliziert der Wortlaut von § 151 Abs. 4 KV der Initiative „ist nach ihrem Inkrafttreten auf sämtliche seit dem 5. Juli 2018 anhängig gemachten Verfahren anwendbar“ klar, dass nach wie vor hängige Verfahren gemeint sind. Abgeschlossene Verfahren seien keine Verfahren mehr. Selbstverständlich sei eine Rückwirkung auf rechtskräftig erteilte Bewilligungen ausgeschlossen und sei eine solche vom Initiativkomitee nicht gemeint (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 26; vgl. auch Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 8). Auf dieser Äusserung wird das Initiativkomitee behaftet. Damit sprechen sowohl das systematische Element als auch der Wille der Initianten für die zweite Auslegungsmöglichkeit. § 151 Abs. 4 KV ist deshalb dahingehend auszulegen, dass er seit dem 5. Juli 2018 aber vor dem Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung anhängig gemachte Verfahren nur dann erfasst, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch hängig sind, und die Rückwirkung für rechtskräftig erteilte Bewilligungen nicht gilt.

 

6.2      Ungenügende Bestimmtheit von § 151 Abs. 4 KV der Initiative

 

Gemäss § 151 Abs. 4 KV der Initiative ist die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 nach ihrem Inkrafttreten auf sämtliche seit dem 5. Juli 2018 anhängig gemachten Verfahren anwendbar. § 34 Abs. 2-5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 geben zwar für die Ausführungsgesetzgebung bestimmte Ziele vor und § 34 Abs. 5 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 sieht als eine Massnahme zur Erreichung dieser Ziele für gewisse Fälle eine mit einer Mietzinskontrolle verbundene Bewilligungspflicht vor. Wie der Gesetzgeber diese Massnahmen konkret ausgestaltet und welche allfälligen weiteren Massnahmen er vorsieht, ist im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Initiative aber noch offen und nicht vorhersehbar gewesen. Insbesondere ist noch offen gewesen, unter welchen Voraussetzungen eine Bewilligungspflicht gilt und wie streng die Bewilligungsvoraussetzungen sind (vgl. oben E. 5.3.1). Folglich ist noch nicht absehbar gewesen, wie stark die Ausführungsgesetzgebung die Eigentümer belastet und die Sanierung, den Umbau und den Ersatz von Wohnhäusern behindert. Damit sind den Stimmberechtigten bei der Unterzeichnung der Initiative wesentliche Punkte der Ausführungsgesetzgebung, deren Rückwirkung die Initiative vorsieht, noch gar nicht bekannt gewesen. Sie konnten sich deshalb keinen hinreichend klaren Willen betreffend die Wünschbarkeit der rückwirkenden Anwendung der Ausführungsgesetzgebung bilden. Es besteht die Gefahr, dass Stimmberechtigte nachträglich feststellen, dass die Ausführungsgesetzgebung gar nicht den Vorstellungen entspricht, die sie sich bei der Unterzeichnung der Initiative gemacht haben, und dass sie die rückwirkende Anwendung nicht gewünscht hätten, wenn ihnen die konkrete Ausgestaltung der Ausführungsgesetzgebung bekannt gewesen wäre. § 151 Abs. 4 KV der Initiative verstösst deshalb mangels genügender Bestimmtheit gegen Art. 34 Abs. 1 BV (vgl. oben E. 2.5), wie der Regierungsrat richtig festgestellt hat (vgl. Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 9 f.). Aus diesem Grund ist § 151 Abs. 4 KV der Initiative für unzulässig zu erklären. Der Einwand des Initiativkomitees, hinsichtlich der freien Willensbildung und der unverfälschten Stimmabgabe sei es unproblematisch, dass die Initiative die Rückwirkung einer noch nicht bekannten Regelung vorsehe, weil die Stimmberechtigten damit nur den Willen äusserten, keine Regelungslücke zu wollen (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 25), überzeugt nicht. Zunächst besteht ohne die Rückwirkung keine Regelungslücke, sondern gilt die bisherige Regelung. Vor allem aber ziehen verantwortungsbewusste Stimmberechtigte nicht jede neue Regelung der bisherigen vor, sondern stimmen einer Initiative, welche die Rückwirkung einer Regelung vorsieht, nur zu, wenn sie davon ausgehen, diese werde gewissen inhaltlichen Erwartungen gerecht werden. Unhaltbar ist der Einwand des Initiativkomitees, der Stimmbürger könne mittels Referendum bestimmen, ob er die konkrete Ausführungsgesetzgebung und damit auch deren Rückwirkung akzeptiere (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 25). Gesetze werden den Stimmberechtigten nur dann zur Abstimmung unterbreitet, wenn 2‘000 Stimmberechtigte es innert 42 Tagen seit der Publikation verlangen (§ 52 Abs. 1 lit. a KV). Für den Fall, dass kein fakultatives Referendum zustande kommt, können die Stimmberechtigten deshalb über die Ausführungsgesetzgebung überhaupt nicht abstimmen. Im für die Prüfung des Erfordernisses der genügenden Bestimmtheit massgebenden Zeitpunkt der Unterzeichnung der Initiative (vgl. oben E. 2.5.2) war nicht vorhersehbar, ob ein fakultatives Referendum gegen die Ausführungsgesetzgebung zustande kommt. Auch wenn das Referendum lange nach der Unterzeichnung der Initiative zustande gekommen ist (vgl. dazu oben E. 5.3.1), ist nicht vorhersehbar, ob die Mehrheit der Stimmberechtigten gleich abstimmt wie die Stimmbürger, welche die Initiative unterzeichnet haben.

 

6.3      Beschränkung des Gegenstands des vorliegenden Verfahrens

 

Wie bereits erwähnt ist gemäss § 151 Abs. 4 KV der Initiative die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 nach ihrem Inkrafttreten auf sämtliche seit dem 5. Juli 2018 anhängig gemachte Verfahren anwendbar. Die Grundvoraussetzung dafür, dass die Anwendung der Ausführungsgesetzgebung auf diese Verfahren mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist, besteht darin, dass die Ausführungsgesetzgebung als solche mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist. Ob dies der Fall ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend beurteilt werden. Unter Vorbehalt von Streitigkeiten betreffend den Schutz der Autonomie von Gemeinden kann das Appellationsgericht Gesetze nicht im Sinn einer abstrakten Normenkontrolle auf ihre Übereinstimmung mit höherrangigem Recht prüfen (vgl. § 116 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 lit. b KV; § 30e Abs. 2 lit. b VRPG). Im Rahmen der Beurteilung eines Rekurses gegen eine gestützt auf ein Gesetz erlassene Verfügung hat das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht hingegen bei diesbezüglichen Rügen oder Zweifeln im Sinn einer konkreten Normenkontrolle vorfrageweise auch dieses Gesetz auf seine Übereinstimmung mit höherrangigem Recht zu prüfen (vgl. § 116 Abs. 2 lit. b KV; § 8 Abs. 2 VRPG; Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., N 2070 ff.). In einem Rekursverfahren können sich die Personen, die durch eine auf das Gesetz gestützte Verfügung berührt sind und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben, zur Frage der Übereinstimmung des Gesetzes mit dem höherrangigen Recht äussern (vgl. § 13 Abs. 1 VRPG). Im vorliegenden Verfahren betreffend die rechtliche Zulässigkeit der Initiative ist es hingegen ausgeschlossen, den von der Ausführungsgesetzgebung potentiell Betroffenen das rechtliche Gehör zu gewähren.

 

7.         Grundsatz der Einheit der Materie

 

7.1      Art. 34 Abs. 2 BV gewährleistet den Grundsatz der Einheit der Materie (BGer 1C_103/2010 vom 26. August 2010 E. 2.2). § 14 IRG stellt keine höheren Anforderungen und hat daher keine selbständige Bedeutung (VGE VD.2010.68 vom 13. Oktober 2010 E. 4.4.2). Der Grundsatz der Einheit der Materie verlangt, dass eine Vorlage grundsätzlich nur einen Sachbereich zum Gegenstand haben darf bzw. dass zwei oder mehrere Sachfragen und Materien nicht in einer Art und Weise miteinander zu einer einzigen Abstimmungsvorlage verbunden werden, die die Stimmberechtigten in eine Zwangslage versetzt und ihnen keine freie Wahl zwischen den einzelnen Teilen belässt. Umfasst eine Abstimmungsvorlage mehrere Sachfragen und Materien, ist erforderlich, dass die einzelnen Teile einen sachlichen inneren Zusammenhang aufweisen und in einer sachlichen Beziehung zueinander stehen und dasselbe Ziel verfolgen. Dieser sachliche Zusammenhang darf nicht bloss künstlich, subjektiv oder rein politisch bestehen. Der sachliche Zusammenhang kann sich aus einem einheitlichen Ziel oder einem gemeinsamen Zweck ergeben und ist abhängig von der Abstraktionshöhe der Betrachtung und vom gesellschaftlich-historischen Umfeld (BGer 1C_103/2010 vom 26. August 2010 E. 3.1; VGE VD.2010.68 vom 13. Oktober 2010 E. 4.4.2). Eine Abstimmungsvorlage darf somit durchaus mehrere Sachfragen und Materien umfassen, sofern diese in einer sachlichen Beziehung zueinander stehen und dasselbe Ziel verfolgen (VGE VD.2010.68 vom 13. Oktober 2010 E. 4.4.3). Ausschlaggebend ist der sachliche innere Zusammenhang der einzelnen Teile einer Vorlage (BGE 129 I 366 E. 2.3 S. 371).

 

7.2      Zwischen Abs. 1 und Abs. 4 von § 151 KV der Initiative besteht ein direkter innerer Zusammenhang. Die Sistierung der Bewilligungsverfahren gemäss Abs. 1 würde bewirken, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 mehr Bewilligungsverfahren hängig und damit von der Rückwirkung gemäss Abs. 4 betroffen wären. Abs. 4 ergänzt Abs. 1, indem er die Anwendung des neuen Rechts auf die sistierten Verfahren anordnet. Sowohl Abs. 1 als auch Abs. 4 verfolgen zumindest unter anderem das Ziel, die Ausführungsgesetzgebung zu § 34 KV in der Fassung vom 10. Juni 2018 auch auf Gesuche, die bereits vor ihrem Inkrafttreten eingereicht worden sind, zur Anwendung zu bringen. Das Vorbringen des Initiativkomitees, es gehe ihm nicht um die Sicherung der Ausführungsgesetzgebung, sondern um die Sicherung der in § 34 in der Fassung vom 10. Juni 2018 genannten Ziele, ändert daran nichts (Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 20). Die in den Abs. 2 und 3 von § 151 KV der Initiative geregelten Ausnahmen bilden mit der in Abs. 1 geregelten Sistierung eine Einheit. Insgesamt ist der Grundsatz der Einheit der Materie gewahrt, wie das Initiativkomitee zu Recht geltend macht (vgl. Stellungnahme vom 9. April 2020 Ziff. 27). Die diesbezüglichen Zweifel des Regierungsrats (vgl. Bericht Nr. 19.1427.01 vom 8. Januar 2020 S. 11) sind unbegründet. Dies ändert aber nichts daran, dass die Initiative aus den vorstehend dargelegten Gründen für unzulässig zu erklären ist.

 

8.         Kostenentscheid und Publikation

 

Da weder das IRG noch das VRPG die Kostenfolgen der Vorlage einer Initiative durch den Grossen Rat an das Verfassungsgericht zum Entscheid über ihre rechtliche Zulässigkeit regelt, sind für das vorliegende Verfahren Kosten weder zu erheben noch zuzusprechen. Das Initiativkomitee hat dementsprechend auch keinen Kostenantrag gestellt.

 

Das Dispositiv dieses Urteils ist in Anwendung von § 17a Abs. 3 und § 17 Abs. 4 IRG im Kantonsblatt zu veröffentlichen.

 

 

Demgemäss erkennt das Verfassungsgericht (Kammer):

 

://:        Die kantonale Volksinitiative „Wohnschutzinitiative II: JA zur Rettung

des Basler Wohnschutzes“ wird als unzulässig erklärt.

 

Dieses Urteil wird im Dispositiv im Kantonsblatt veröffentlicht.

 

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

 

Mitteilung an:

-       Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt

-       Justiz- und Sicherheitsdepartement, Departementale Rechtsabteilung

-       Initiativkomitee

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Der Gerichtsschreiber

 

 

Dr. Peter Bucher

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 

Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.